Berh für Widerspruch gegen alten AsylBescheid?

  • Hallo,
    ich bräuchte noch einmal euer Wissen bzw. eure Meinung.
    Das BVerfG hat im Juli 2012 wohl die Leistungen für Asylbewerber als unzureichend und verfassungswidrig erklärt.
    Daraufhin legt ein RA Widerspruch gegen einen Asylbewerberleistungsbescheid von 2009 ein und verweist auf die Entscheidung des BverfG und beantragt weiter die Nachzahlung seit 2011 und die Gewährung verfassungskonformer Leistungen ab sofort.
    Das ganze wird mir jetzt zur Bewilligung von Beratungshilfe vorgelegt.

    Irgendwie finde ich, dass ich den Antrag zurückweisen muss.
    Denn
    1. der Bescheid von 2009 ist definitiv bestandskräftig (weil widerspruchsfrist von 1 Monat laaaaange abgelaufen), sodass der Widerspruch von Anfang an unsinnig war.
    2. eigentlich hat der Rechtsanwalt doch nur einen neuen Antrag gestellt, den der Rechtssuchende auch selbst hätte stellen können.

    Seht ihr das genauso? Oder findet ihr dass man gegen einen 4 Jahre alten Bescheid, aus dem auch ersichtlich ist, dass es ein auf Dauer wirkender Bescheid ist, noch widerspruch einlegen kann/sollte?

    Beratungshilfe ist echt nicht mein Steckenpferd :)
    Vielen Dank im Voraus!

  • Es hätte auch ein Antrag nach 44 SGB X gestellt werden können, der bei Ablehnung mit Widerspruch angreifbar wäre. Spätestes da wäre BerH zu bewilligen gewesen.

  • Ok, den kannte ich noch nicht.
    Sorry, für die vielleicht blöde Frage, aber:
    Wird der Verwaltungsakt nur auf Antrag zurückgenommen oder, wenn wie in meinem Fall eine grundlegende Entscheidung des BVerfG erfolgt ist, auch von Amts wegen?
    Und wenn nur auf Antrag: Kann man dem Asylbewerber nicht zumuten den auch selber zu stellen?

  • Prinzipiell kann man diesen Antrag sowohl als "Erstantrag" sehen als auch als Überprüfungsantrag. In beiden Fällen ist die reine Antragstellung aber dem Antragsteller grundsätzlich selbst zuzumuten, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.08.2010, 1 BvR 465/10.

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Ich häng' mich mal mit einer leicht abgewandelten Fallkonstellation dran:

    Antragstellerin hatte einen Widerspruch gegen den letzten Bescheid über laufende Leistungen selbst eingelegt und darin auch um Überprüfung der alten Bescheide gebeten - eben vor dem Hintergrund der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Leistungen.
    Den Widerspruchsbescheid hat sie erhalten. In diesem wurde der Widerspruch wegen Unzulässigkeit (verspätet eingelegt) verworfen, ferner wird mitgeteilt, dass der Widerspruch sich nicht auf später bewilligte Leistungen beziehen kann ("keine vorsorgliche Widerspruchseinlegung").

    Als "Hinweis" wird ferner aufgeführt, dass für die Monate X und Y (die in dem angegriffenen Bescheid umfasst sind) eine Nachzahlung erfolgt ist, weil der Bescheid zum Zeitpunkt der Urteilssprechung noch nicht bestandskräftig war.


    Hiernach wird nun BerH nachträglich beantragt. Tätigkeit des RA:
    Mitteilung an Sozialträger, dass kein RM gegen den Widerspruchsbescheid eingelegt werden soll (laut RMB wäre ohnehin nur die Klage vorm SG zulässig) sowie Hinweis darauf, dass sich der eingelegte Widerspruch auch auf Zahlungen in der Vergangenheit bezieht. Es werde um Neuberechnung und Nachzahlung gebeten.


    In dem Fall denke ich, dass hinsichtlich der Leistungen für die Vergangenheit in etwa das Gleiche gilt wie oben gesagt: § 44 SGB X-Antrag wurde bereits selbst gestellt. Ich bin aufgrund der Konstellation (negativer Widerspruchsbescheid, in dem der "Widerspruch" gerade nicht als Antrag nach § 44 SGB X ausgelegt wurde) allerdings im Zwiespalt. Einerseits könnte mit der obigen "harten" Argumentation die BerH abgelehnt werden, andererseits hat die Antragstellerin das ihr Zumutbare unternommen...

    Meinungen?

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

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  • Falls es euch interessiert, ich habe mir die Entscheidung des BVerfG noch einmal angeschaut und daraufhin meinen Antrag zurückgewiesen.
    Das BVerfG hat ausdrücklich für bestandskräftige Bescheide die Anwendung von § 44 SGB X ausgeschlossen. Und um zu berechnen, dass die Widerspruchsfrist von einem Monat bei einem Bescheid aus 2009 jetzt abgelaufen ist, muss man meiner Meinung nach kein Einstein sein. Im Übrigen wurde die Erhöhung von Amts wegen vorgenommen, also kein neuer Antrag erforderlich.

    Ich warte jetzt mal auf die Erinnerung und schaue was mein Dez daraus macht :)


    Patweazle:
    Wurde denn in deinem Fall auch aufgrund der BVerfG Entscheidung vom 18.07.12 Widerspruch eingelegt?

  • Falls es euch interessiert, ich habe mir die Entscheidung des BVerfG noch einmal angeschaut und daraufhin meinen Antrag zurückgewiesen.
    Das BVerfG hat ausdrücklich für bestandskräftige Bescheide die Anwendung von § 44 SGB X ausgeschlossen. Und um zu berechnen, dass die Widerspruchsfrist von einem Monat bei einem Bescheid aus 2009 jetzt abgelaufen ist, muss man meiner Meinung nach kein Einstein sein. Im Übrigen wurde die Erhöhung von Amts wegen vorgenommen, also kein neuer Antrag erforderlich.

    Ich warte jetzt mal auf die Erinnerung und schaue was mein Dez daraus macht :)


    In der NWZ 2012, 1024, findet sich ebenfalls (zu dieser Entscheidung) folgende Anmerkung:

    Zitat

    e) Die Regelungen über die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes des § 9 Absatz III AsylbLG i. V. mit § 44 SGB XII und über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der rechtlichen Verhältnisse zu Gunsten der Betroffenen des § 9 Absatz III AsylbLG i. V. mit § 48 SGB_X § 48 Absatz I 2 Nr. 1 SGB X finden für Leistungszeiträume bis Ende Juli 2012 keine Anwendung.


    Für alle, die nicht die lange Entscheidung des BVerfG bis zum Ende lesen wollen (oder nicht die Zeit dafür haben):

    Zitat

    Die nach § 9 Absatz III AsylbLG grundsätzlich vorgegebene entsprechende Anwendung des X § 44 SGB X über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte und die entsprechende Anwendung des § 48 SGB_X § 48 Absatz I 2 Nr. 1 SGB X über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der rechtlichen Verhältnisse zu Gunsten der Betroffenen werden daneben in Bezug auf den Regelungsgegenstand dieses Urteils für Zeiträume bis Ende Juli 2012 ausgeschlossen. Sind jedoch Bescheide über Grundleistungen für einen Zeitraum ab dem 1. 1. 2011 noch nicht bestandskräftig geworden, haben die Betroffenen Anspruch auf nach der Übergangsregelung berechnete Leistungen.


    Interessant! War mir auch nicht bewusst. Dementsprechend ist Beratungshilfe in einem solchen Fall bei bestandskräftigen Bescheiden wohl auch entsprechend wegen Mutwilligkeit abzulehnen.

    Zitat

    Patweazle:
    Wurde denn in deinem Fall auch aufgrund der BVerfG Entscheidung vom 18.07.12 Widerspruch eingelegt?



    Genau das war der Hintergrund. Ich denke, dass ich im Ergebnis keinen Spielraum für die Bewilligung von BerH mehr sehen kann. Eine Anpassung der anfechtbaren Bescheide erfolgte, im Übrigen ist faktisch keine Möglichkeit gegeben, etwas gegen die bestandskräftigen Bescheide zu tun. Das hat das BVerfG selbst recht deutlich gemacht.

    Daher kann ich es auch verstehen, dass die Ausländerbehörde keinerlei Ausführungen zu § 44 SGB X gemacht hat.

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  • Hallo,

    ich habe mir das Urteil auch mal durchgelesen, da ich einen nachträglichen BH-Antrag für die "Überprüfung der Leistungen nach dem AsylblG seit 01.01.2011" habe.

    Das BVerfG hat ja die Anwendung des § 44 SGB X für Bescheid bis Ende Juli 2012 ausgeschlossen.

    Das heißt doch, dass der Antragsteller gegen die Bescheide bis Ende Juli 2012 nichts machen kann, oder? Also keinen Anspruch auf eine Überprüfung und Nachzahlung hat.

    Einmal editiert, zuletzt von hellanna (27. Mai 2013 um 09:01)

  • Mein Vorschlag oder meine Idee dazu:

    Ich würde teilweise bewilligen.

    Für die Zeit bis Juli 2012 zurückweisen. Für die Zeit, danach - sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen - bewilligen.

  • Mein Vorschlag oder meine Idee dazu:

    Ich würde teilweise bewilligen.

    Für die Zeit bis Juli 2012 zurückweisen. Für die Zeit, danach - sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen - bewilligen.



    Halte ich für vertretbar, wobei die hiesige Ausländerbehörde die zum Zeitpunkt des Erlasses der BVerfG-Entscheidung noch nicht bestandskräftigen Bescheide "von Amts wegen" abgeändert hat. Daher wird's in meinem Beritt grundsätzlich eher keinen Raum für BerH für diese Angelegenheit geben.

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  • ...sprach's - und schon kam die Entscheidung des Erinnerungsrichters.

    Mein Beschluss wurde aufgehoben und Beratungshilfe bewilligt. Begründung:

    "Die Beratungshilfe mit notwendiger anwaltlicher Unterstützung bezog sich nicht auf den Teil, mit dem Leistungen mit Widerspruchsbescheid vom (...) versagt wurden, sondern auf einen Komplex der Erstreckung des von der Antragstellerin ebenfalls erfassten Anspruchs von weiteren Leistungen aus der Vergangenheit.
    Hierauf bezog sich ausweislich der Schriftsätze vom (...) und (...) die nachgesuchte anwaltliche Beratung. Im Hinblick auf den abschlägigen Widerspruchsbescheid ist die Antragstellerin auch nicht auf eine weitergehende Auskunft und Beratung der Behörde zu verweisen, die nach Sicht für einen betroffenen Bürger erst einmal abschließend entschieden hat und auf den nur noch offenen Klageweg verweist."

    :mad:
    Die Entscheidung ärgert mich (wie so einige Entscheidungen unseres Erinnerungsrichters). Vor allem überzeugt sie mich nicht.

    Es wäre vielleicht noch vertretbar zu sagen, dass BerH bewilligt wird, damit der RA über das Urteil des BVerfG aufklären und im Rahmen einer Beratung die Aussichtslosigkeit des angestrebten Ziels (nämlich höhere Leistungen aus bereits bestandskräftigen Bescheiden zu erlangen) mitteilt. Das halte ich für durchaus vertretbar.
    Die anwaltliche Vertretung war aber vorliegend nicht nowendig - und dass in der Entscheidung über die Erinnerung bereits eine Richtung für die Vergütungsfestsetzung festgeschrieben wird ("notwendige" Vertretung) finde ich angesichts der Gründlichkeit, mit der unsere Festsetzungsbeamten prüfen, für daneben.

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  • Tja, da bleibt nur: Akte erledigen und den Rest vergessen. Bloß nicht aufregen, das lohnt sich nicht... (aufregen lohnt sich genau genommen nie).

  • Tja, da bleibt nur: Akte erledigen und den Rest vergessen. Bloß nicht aufregen, das lohnt sich nicht... (aufregen lohnt sich genau genommen nie).



    Ich nehme mir deine Worte zu Herzen ;)

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  • Ich hänge mich hier mal ran.

    Gegen den Bewilligungsbescheid auf Gewährung von Leistungen nach dem AsylBLG wurde durch einen Rechtsanwalt Widerspruch eingelegt. Begründet wurde der Widerspruch damit, dass die Asylbewerberleistungen der Teuerungsrate nicht angepasst wurden. Die letzte Erhöhung liegt drei Jahre zurück. Die dritte Änderung des AsylbLG ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht unvereinbar und daher verfassungswidrig.

    Kann in diesem Fall Beratungshilfe gewährt werden? Es sieht mir nach einem pauschalem Widerspruch aus. Hatte jemand schon mal so einen Fall?

  • Meiner Meinung nach muss man Unterscheiden zwischen der Frage, ob Beratungshilfe bewilligt werden und kann der Frage, was alles von der bewilligten Beratungshilfe umfasst ist.

    Die erste würde ich bejahen.
    Bei der zweiten kann ich mangels Details keine Antwort geben. Vertretung ist nur dann von der Beratungshilfe umfasst, wenn diese notwenidg ist. Wenn sie nicht notwendig ist, bekommt der RA dafür keine Vergütung aus der Staatskasse.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Für den Einwand, dass Gesetz sei fehlerhaft, die Leistungen generell zu gering, kann keine Beratungshilfe bewilligt werden.

    Sowas kann von Sozialverbänden geltend gemacht werden.

    Andernfalls würde für jeden Leistungsbescheid , den es überhaupt gibt, Beratungshilfe bewilligt.

  • Der Einwand lautet auf Verfassungswidrigkeit. Vor dem Verfassungsgericht ist der Gang durch die Gerichtsbarkeit nötige Voraussetzung. Wer wenn nicht ein RA kann da über die Möglichkeiten und Erfolgsaussichten aufklären? Etwa das Gericht, das über die Bewilligung entscheiden soll? Ist mit gerade zu hoch, stecke aber auch nicht wirklich im Thema.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Im vorliegenden Fall ist nicht im Einzelfall etwas gekürzt, sondern der Einwand ist, dass die vom Gesetzgeber vorgesehenen Leistungen generell zu niedrig sind.

    Davon sind hunderte von Leistungsempfängern betroffen. Da soll sich nicht jeder einzeln einen Rechtsanwalt nehmen.

  • Will heißen, wenn das (falsche) Gesetz falsch angewendet sein könnte, gibt es Beratungshilfe? Wenn es darum geht, daß das Gesetz falsch ist, gibt es keine? Ich versuche jetzt wirklich, das Prinzip zu verstehen...

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  • Im vorliegenden Fall ist nicht im Einzelfall etwas gekürzt, sondern der Einwand ist, dass die vom Gesetzgeber vorgesehenen Leistungen generell zu niedrig sind.

    Davon sind hunderte von Leistungsempfängern betroffen. Da soll sich nicht jeder einzeln einen Rechtsanwalt nehmen.

    Welche vom BerHG genannte Voraussetzung für die Bewilligung von Beratungshilfe ist denn deiner Meinung nach nicht erfüllt?

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

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