Verweigerung der Verbeamtung auf Lebenszeit wegen Krankheit?

  • Na DHT: Nach Informationen meiner Tageszeitung ist vor dem ArbG Darmstadt nun ein Verfahren anhängig, in dem eine Bewerberin Schadensersatz nach dem AGG geltend macht, weil sie als zu dick nicht berücksichtigt worden ist.

    Sollte das Verfahren durch die Instanzen gezogen werden, bin ich mal gespannt, wie es ausgeht.

    Dat BAG hat, grade im Hinblick auf dat AGG, ja schon des öfteren für Veränderungen im Beamtenbereich gesorgt.


    Na da bin ich ja mal gespannt! Das AGG schützt schon vor 'ner Menge Diskriminierung, aber wegen des Gewichtes? Künftig klagen dann wahrscheinlich auch Legastheniker, wenn sie mit ihrer Bewerbung als Deutschlehrer nicht berücksichtigt wurden.

  • Die genauen Umstände kenne ich zwar nicht, aber grundsätzlich wundert mich im Bereich des AGG, was ich so mitbekommen habe, kaum noch was.

    Die Argumentation pro Diskr. ist prinzipiell ganz einfach. Das Gewicht stellt keinen Grund nach § 1 dar, daher keine unmittelbare Benachteiligung, aber da auch mittelbare Benachteil. geschützt sind, kann dies der Fall sein. Der Kl.in muss es nur gelingen, einen Bezug des Gewichtes zu einem Grund nach § 1 herzustellen. Dies z.B., wenn statistisch mehr Frauen als Männer übergewichtig sind, in welchem Maß sei dahingestellt, dann wäre es nämlich eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts oder sie hat ein bestimmtes Alter erreicht und diese Altersgruppe hat statistisch mehr Übergewicht, dann Altersdiskriminierung oder sie hat ne bestimmte Hautfarbe ... .

    Wenn der AG dann nicht nachweisen kann, dass sich das Übergewicht nachteilig auf die konkrete Tätigkeit auswirkt und dieser entgegensteht, hat er verloren.

    Glaubst du nicht? Genauso hatte eine Frau dem Grunde nach Erfolg, weil sie bei ihrer Bewerbung als Pilotin die Mindestgröße von 1,65m um 3,5 cm unterschritt. Frauen sind stat. kleiner, daher Geschlechterdis., wäre es ein Mann mit gleicher Größe gewesen, wäre der aber nicht diskriminiert. Unerheblich war auch, dass sie bei der Bewerbung gelogen hatte, denn das durfte sie, vgl. ArbG Köln, 15 Ca 3879/13.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • ...
    Die Argumentation pro Diskr. ist prinzipiell ganz einfach. Das Gewicht stellt keinen Grund nach § 1 dar, daher keine unmittelbare Benachteiligung, aber da auch mittelbare Benachteil. geschützt sind, kann dies der Fall sein. Der Kl.in muss es nur gelingen, einen Bezug des Gewichtes zu einem Grund nach § 1 herzustellen ...


    Genau! Ich sage einfach, ich sei aus religiösen Gründen so dick, und schon bin ich drin. :D

  • Wenn der AG dann nicht nachweisen kann, dass sich das Übergewicht nachteilig auf die konkrete Tätigkeit auswirkt und dieser entgegensteht, hat er verloren.


    Wenn man ob seiner Leibesfülle nicht durch eine Sicherheitsschleuse paßt, übt sich das Übergewicht augenscheinlich nachteilig auf die nicht ausübbare Tätigkeit aus.

  • Soweit ich das der Presse entnehmen konnte (und die Berichterstattung zuverlässig ist) ging es um eine Beförderungsstelle. Und es gab eine Mehl, in der die Arbeitnehmerin als "dick" bezeichnet wurde. Nähres weiß ich nicht.

    Aber dat AGG hat ja schon mehrfach zu Änderungen, auch im Beamtenbereich geführt.

  • Ich habe in unserer Zeitung gelesen, dass einer Frau - bei Kleidergröße 42 - eine Stelle nicht bekommen hat, weil sie zu dick ist und ihr dafür vom Gericht ein Schadensersatz zugesprochen wurde.

    M. E. ist die Ablehnung wegen des Gewichts schon diskriminierend. Die Tatsache ist nicht damit zu vergleichen, dass jemand etwas objektiv nicht kann.

    Wenn der Dienstherr aufgrund von etwaigen Krankheiten aufgrund der Körperfülle befürchtet, "drauf zu zahlen", hat vielleicht ein Schreiner Angst, einen Mitarbeiter mit langen Haaren einzustellen, weil die Haare evtl. mal in eine Maschine kommen können.
    Jedes Risiko kann der Arbeitgeber / Dienstherr eben nicht ausschließen.

  • ...

    Wenn der Dienstherr aufgrund von etwaigen Krankheiten aufgrund der Körperfülle befürchtet, "drauf zu zahlen", hat vielleicht ein Schreiner Angst, einen Mitarbeiter mit langen Haaren einzustellen, weil die Haare evtl. mal in eine Maschine kommen können.
    Jedes Risiko kann der Arbeitgeber / Dienstherr eben nicht ausschließen.

    Dann lass dir mal von deinem Schreiner um die Ecke erzählen, welche Verpflichtungen er und seine Mitarbeiter mit langen Haaren aus genau dem von dir genannten Gründen haben.

    Wenn sich der Bewerber dann hinsetzt und sagt, dass er um keinen Preis seine Haare zusammen bindet und so verstaut, dass nichts heraus hängt, beruht eine Ablehnung nicht auf einer Diskriminierung.

  • Es ging mir um den ersten Eindruck, den ein Bewerber macht.
    Hier werden die Sachverhalte immer so eingestellt, dass der Dienstherr den Bewerber sieht und dass sagt: "Sie nehme ich nicht, Sie sind mir zu dick."

    Das dem Bewerber gesagt wurde, dass er nur genommen wird, wenn er abnimmt und der dies ablehnt, davon war nie die Rede.

    Wenn aufgrund des ersten Eindrucks entschieden wird, ist das schon diskriminierend.
    Sollte sich ein Bewerber /Arbeitnehmer nicht an Vorgaben des Arbeitgebers nicht halte und deshalb gekündigt wird oder nicht genommen wird, wenn er / sie sich weigert, diese Vorgaben z. B. zum Arbeitsschutz einzuhalten, ist ein anderes Thema.


    Mittlerweile glaube ich, dass das Argument, dass ein übergewichtiger Arbeitnehmer / Beamte mehr krank sein kann, m. E. vom Dienstherren vorgeschoben bzw. ihm in den Mund gelegt wird.
    Ich könnte mir vorstellen, dass in erster Linie ästhetische Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Für die meinsten Menschen ist eben eine normal gewichtige Person schöner anzusehen, als eine stark übergewichtige.
    Und Personalentscheider sind eben auch nur Menschen mit Vorlieben.

    Ich finde diese Einstellung nicht gut.a
    Da ich diese Einstellung schon in der Justiz und auch außerhalb der Justiz von Personalverantwortlichen gegenüber Menschen mit offensichtlichen Behinderungen (z. B. fehlende Finger: Was sollen unsere Kunden von ihrem Anblick denn sagen?) gehört habe, kann ich mir auch sehr gut vorstellen, dass unser solchen Gesichtspunkten heute Übergewichtige Menschen begutachtet werden.

  • Genau! Ich sage einfach, ich sei aus religiösen Gründen so dick, und schon bin ich drin. :D

    So komisch es klingt, genau das sollte mgl. sein, wenn nach deiner Religion nur Dicke in den Himmel kommen. Du müsstest halt nur nachweisen, dass das Übergewicht tatsächlich mit der Religion in unmittelbarem Zusammenhang steht.

    Ich habe in unserer Zeitung gelesen, dass einer Frau - bei Kleidergröße 42 - eine Stelle nicht bekommen hat, weil sie zu dick ist und ihr dafür vom Gericht ein Schadensersatz zugesprochen wurde.

    M. E. ist die Ablehnung wegen des Gewichts schon diskriminierend....

    Klar ist es, nur eben allein ! nicht durch das AGG geschützt, daher würde mich die Entscheidung doch sehr interssieren. Genauso ist es mgl., jmd. nicht zu nehmen, weil er/sie Sommersprossen hat oder Ossi ist (stellt keine ethnische Herkunft dar,hatten wir schon mal thematisiert).

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Naja, wenn du nachweisen kannst, dat du genau deshalb nicht genommen worden bist, hast du gute Chancen..

    Und was den Schreiner usw angeht: Man darf ja durchaus auch jemanden nicht nehmen, nur muss dies sachlich gerechtfertigt sein.

    Und im vorliegenden Fall (sofern er denn so ist), wäre dann zu prüfen, ob dick eine sachlicher Grund für die Nichtbeförderung ist. Und ich kann mir sicher Berufe vorstellen, bei denen dat sogar so ist. Und ne ganze Menge Berufe, bei denen das nicht so ist.

  • ...Wegen des prognostischen Charakters der Betrachtung kommt dem Dienstherrn bei der Entscheidung über die gesundheitliche Eignung ein Beurteilungsspielraum zu. ...

    Das Sächs. OVG hat in seiner Entscheidung vom 12.09.2013 die nach m.A. in wesentlichen Punkten entgegenstehende Rspr. des BVerwG, 25.07.2013, 2 C 12/11 nicht erörtert und berücksichtigt. Dort ist u.a. ausgeführt "Aufgrund dieser grundrechtlichen Bedeutung des Ausschlusses und des überaus langen, sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest,... Angesichts des sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums und der Komplexität der medizinischen Prognosen sind Entscheidungen über die gesundheitliche Eignung eines Beamtenbewerbers mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Einschätzung der gesundheitlichen Entwicklung, sondern auch im Hinblick auf den medizinischen Fortschritt. Künftige Präventions- oder Heilmethoden können heute noch nicht einbezogen werden. Vielfach ist auch die Wechselwirkung und damit Ursächlichkeit einzelner Faktoren für das Risiko schwerwiegender Symptombildungen noch nicht sicher erforscht. ...Regelmäßig geht die vorzeitige Dienstunfähigkeit daher auf erst nachträglich eintretende Umstände zurück...

    Die Verwaltungsgerichte haben über die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein; diesem steht insoweit kein Beurteilungsspielraum zu

    ..."

    Selbst chronische Krankheiten rechtfertigen somit nicht zwingend die Nichtverbeamtung. Diese Entscheidung lässt auch die bisherige Beurteilung bei Übergewicht in neuem Licht erscheinen. Allein das nicht einmal wissenschaftliche Risiko gesicherte für Folgeerkrankungen dürfte wohl kaum genügen, da selbst das OVG Mängel des BMI als solches, z.B. Nichtberücksichtigung von Muskel -und Fettanteil anerkannt.

    Die Entscheidung des BVerwG, 2 B 86/12 gibt hierzu nichts her, da nur zu anderen Fragen vorgelegt und beantwortet wurde.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • ... Die Verwaltungsgerichte haben über die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein; diesem steht insoweit (!) kein Beurteilungsspielraum zu ...


    Ich lese das Urteil (BVerwG 2 C 12.11) anders.
    Das BVerwG hat in dieser Entscheidung die Verantwortung des Dienstherrn sogar besonders hervorgehoben. Der hier zitierte Leitsatz bezieht sich lediglich auf die Entscheidung der Verwaltungsgerichte. Diese werden unter Hinweis auf Artikel 19 Abs. 4 GG auf ihre Entscheidungsverantwortung verwiesen und davon abgehalten, die Entscheidung unter rechtlichem Hinweis an die Verwaltungsbehörde zurückzugeben. Wer daraus herleitet, dem Dienstherrn stünde ein Beurteilungsspielraum tatsächlich nicht zu, der hat das Urteil m. E. völlig missverstanden.

  • Die Gerichtsverwaltung hat einen gewissen Ermessensspielraum und dabei dieses Ermessen rechtsfehlerfrei auszuüben.
    Die so getroffene Entscheidung ist auf dem Verwaltungsrechtsweg überprüfbar und die Verwaltungsgerichte sind nicht an die Entscheidungen/Wertungen der Verwaltungsbehörde gebunden.
    Eigentlich eine Binse. ;)

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Der EuGH hat entschieden, dass Adipositas eine "Behinderung" im Sinne der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sein kann.

    EuGH, 18.12.2014, C-354/13

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ist nichts neues, wenn Du dick genug bist hast Dir schon immer einen Behindertenausweis holen können, wenn dann noch irgendwas dazukommt, dass ein paar Prozernterl mehr werden....

  • Wenn ja, gilt es für das betreffende Gericht, einen unmotivierten Kollegen unter Umständen während seiner gesamte Dienstzeit "durchzuziehen".
    Die Äußerungen des Themenstarters zum Beruf und seinem Tätigkeitsfeld waren ja überdeutlich.

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