Zustellung des Titels - RA bekommt Vollstreckungsgebühr?

  • Hallo, nach § 788 ZPO gehören die Kosten für die Zustellung des Titels zu den Vollstreckungskosten. Nun möchte der Anwalt njr für die Zustellung des Titels eine Vollstreckungsgebühr in Höhe von 0,3. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen wurden nicht veranlasst. M.E. kann er dies nicht verlangen - aber ich finde leider keine Stelle in einem Kommentar oder Gesetz, die mir weiterhilft. Weiß jemand was?

  • Weiß jemand was?


    Na klar! Der RA erhält dafür nur eine 0,3 VG, wenn er noch nicht im Erkenntnisverfahren tätig war. Denn andernfalls gehört diese Tätigkeit (Zustellung der Entscheidung an den Prozeßgegner, auch bei einer einstweiligen Verfügungen) noch zum gebührenrechtlichen Rechtszug i. S. v. § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., Nr. 3309 Rn. 423 mwN. und § 19 Rn. 87 mwN.).

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  • Hallo, nach § 788 ZPO gehören die Kosten für die Zustellung des Titels zu den Vollstreckungskosten. Nun möchte der Anwalt njr für die Zustellung des Titels eine Vollstreckungsgebühr in Höhe von 0,3. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen wurden nicht veranlasst. M.E. kann er dies nicht verlangen - aber ich finde leider keine Stelle in einem Kommentar oder Gesetz, die mir weiterhilft. Weiß jemand was?

    RVG – Kommentar
    5. Auflage 2013
    Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher



    II. Abgrenzung zwischen prozessrechtlichem und gebührenrechtlichem Begriff der Zwangsvollstreckung
    9
    Beispiel
    Der Anwalt hat den Mandanten im streitigen Verfahren vertreten. Das Verfahren endet mit einem Vergleich zwischen den Parteien. Der Mandant bittet den Anwalt nunmehr, eine Abschrift der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs an den Gegner zuzustellen. Kann der Anwalt für diese Tätigkeit eine Gebühr gem. Nr. 3309 berechnen?
    Bei Beantwortung dieser Frage ist erstens zu prüfen, ob die Zustellung des Vergleiches noch dem Erkenntnisverfahren zuzuordnen ist oder ob es sich bereits um eine Tätigkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren handelt. Zweitens ist zu prüfen, ob diese Tätigkeit gebührenrechtlich der Nr. 3309 zuzuordnen ist. Es ist zu beachten, dass der prozessrechtliche Begriff der Zwangsvollstreckung nicht mit dem gebührenrechtlichen Begriff der Zwangsvollstreckung identisch ist. Das heißt, dass bestimmte anwaltliche Tätigkeiten im Hinblick auf die Zwangsvollstreckung noch zum Rechtszug des Erkenntnisverfahrens gehören, andererseits können Tätigkeiten, die der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung im prozessrechtlichen Sinne dienen, durchaus bereits von der Gebühr Nr. 3309 erfasst werden.
    Für oben genanntes Beispiel bedeutet dies:
    Die Zustellung des Vollstreckungstitels ist gem. § 750 ZPO notwendige Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung und ist somit vorbereitende Vollstreckungshandlung. Aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 ergibt sich, dass die Zustellung des Vollstreckungstitels - im Beispiel die Zustellung des Vergleichs - als vorbereitende Vollstreckungshandlung grundsätzlich eine Angelegenheit der Zwangsvollstreckung ist, wenn auch keine besondere innerhalb der Zwangsvollstreckung. Als Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung würde dem Anwalt hierfür eine Gebühr gem. Nr. 3309 entstehen.
    Demgegenüber bestimmt jedoch § 19 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 16 RVG, dass die Zustellung des Vollstreckungstitels eine Tätigkeit ist, die noch zum Rechtszug gehört. Gemeint ist hier das Erkenntnisverfahren. Da es sich gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG bei der Zustellung des Vollstreckungstitels nicht um eine besondere Angelegenheit (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 1 RVG) der Zwangsvollstreckung handelt, bedeutet das für den Anwalt, der den Mandanten bereits im Erkenntnisverfahren vertreten hat, dass die Zustellung des Vollstreckungstitels noch zum Rechtszug des Erkenntnisverfahrens gehört. Diese Tätigkeit ist mit der Gebühr Nr. 3100 abgegolten.
    Der Anwalt kann also für die Zustellung der Ausfertigung des vollstreckbaren Vergleichs keine Gebühr gem. Nr. 3309 berechnen, da diese Tätigkeit für ihn noch zum Rechtszug des Erkenntnisverfahrens gehört und diese Tätigkeit mit der Gebühr Nr. 3100 abgegolten ist.
    10
    Beispiel
    Anwalt A hat den Mandanten im streitigen Verfahren vertreten. Nach Abschluss des Verfahrens durch Vergleich händigt der Anwalt dem Mandanten den Vergleich aus und schließt das Mandat ab. Der Mandant beauftragt nun Anwalt B mit der Zustellung des Vergleiches an den Gegner. Kann Anwalt B hierfür eine Gebühr gem. Nr. 3309 berechnen?
    Anwalt B hat den Mandanten nicht im Erkenntnisverfahren vertreten, für ihn trifft die Regelung in § 19 daher nicht zu. Gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 gehört die Zustellung des Titels als vorbereitende Vollstreckungsmaßnahme zur Zwangsvollstreckung und löst somit eine Gebühr gem. Nr. 3309 aus. Der Anwalt kann also die entsprechende Gebühr verdienen.
    Wird er allerdings im Nachhinein mit der Durchführung der Zwangsvollstreckung betraut, so gilt auch hier, dass die Zustellung des Titels gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 keine besondere Angelegenheit der Zwangsvollstreckung ist und Nr. 3309 daher nicht gesondert für die Zustellung des Titels anfällt. Vielmehr handelt es sich um eine vorbereitende Vollstreckungshandlung, die nicht gesondert vergütet wird.
    11

    Fazit: Vorbereitende Vollstreckungshandlungen sind prozessrechtlich gesehen der Zwangsvollstreckung noch nicht zuzuordnen, gleichwohl können sie gebührenrechtlich der Zwangsvollstreckung zugeordnet werden und lösen die Gebühr Nr. 3309 aus.

  • Nachtrag:

    Die Frage zielt ja eigentlich in Richtung § 788 ZPO und nur sekundär dahin, ob für die Zustellung des Titels durch einen Zweitanwalt eine Gebühr nach dem RVG entsteht. Dass für diesen eine Gebühr entsteht, steht zweifelsfrei fest. Zu klären ist dann nur noch, wer diese Gebühr zu tragen hat, entweder der Gläubiger selbst oder der Schuldner.
    § 788 ZPO bestimmt, dass die Kosten der Zwangsvollstreckung, wozu die Zustellung des Titels gegenständlich zählt, dem Schuldner zu Last fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91 ZPO).
    Kosten glaubhaft zu machen haben, da ein Anwaltswechsel nicht ohne weiteres als notwendig zu erkennen ist, insbesondere die Zustellung üblicherweise durch den RA des ersten Rechtszuges vorgenommen wird, der für die Zustellung keine weiteren Gebühren enthält. Selbstverständlich steht es dem Gläubiger frei, auch einen anderen RA seiner Wahl an Stelle des Erstanwalts zu wählen. Dann muss er aber die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst tragen, es sei denn, es liegen nachvollziehbare besondere Gründe für dieses Verhalten vor.

    Dies entspringt insbesondere aus der Verpflichtung zur Prozeßwirtschaftlichkeit, die in allen Verfahrensschritten zu beachten ist . Danach muss nicht nur das Gericht, sondern auch jede Partei den einfachsten und billigsten Weg zur Erreichung des Ziels wählen. Jede Partei muss darauf achten, die Kosten möglichst gering zu halten. Ein Verstoß gegen diese Wirtschaftlichkeitsverpflichtung führt dazu, dass vermeidbare Kosten nicht erstattet werden müssen. Davon geht auch § 788 ZPO aus.

  • Nachtrag:

    Die Frage zielt ja eigentlich in Richtung § 788 ZPO und nur sekundär dahin, ob für die Zustellung des Titels durch einen Zweitanwalt eine Gebühr nach dem RVG entsteht. Dass für diesen eine Gebühr entsteht, steht zweifelsfrei fest. Zu klären ist dann nur noch, wer diese Gebühr zu tragen hat, entweder der Gläubiger selbst oder der Schuldner.
    § 788 ZPO bestimmt, dass die Kosten der Zwangsvollstreckung, wozu die Zustellung des Titels gegenständlich zählt, dem Schuldner zu Last fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91 ZPO).
    Kosten glaubhaft zu machen haben, da ein Anwaltswechsel nicht ohne weiteres als notwendig zu erkennen ist, insbesondere die Zustellung üblicherweise durch den RA des ersten Rechtszuges vorgenommen wird, der für die Zustellung keine weiteren Gebühren enthält. Selbstverständlich steht es dem Gläubiger frei, auch einen anderen RA seiner Wahl an Stelle des Erstanwalts zu wählen. Dann muss er aber die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst tragen, es sei denn, es liegen nachvollziehbare besondere Gründe für dieses Verhalten vor.

    Dies entspringt insbesondere aus der Verpflichtung zur Prozeßwirtschaftlichkeit, die in allen Verfahrensschritten zu beachten ist . Danach muss nicht nur das Gericht, sondern auch jede Partei den einfachsten und billigsten Weg zur Erreichung des Ziels wählen. Jede Partei muss darauf achten, die Kosten möglichst gering zu halten. Ein Verstoß gegen diese Wirtschaftlichkeitsverpflichtung führt dazu, dass vermeidbare Kosten nicht erstattet werden müssen. Davon geht auch § 788 ZPO aus.


    :daumenrau

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  • Auch das ist noch genau zu prüfen. Handelt es sich z.B. um einen VB, sind Zustellkosten für maximal 9 Zustellungen in den für das gerichtliche Mahnverfahren gezahlten GK enthalten. Wenn also der Gläubiger an Stelle der Amtszustellung die Zustellung im Parteienbetrieb wählt, handelt es sich bei den GVZ-Kosten nicht um notwendige (weil zusätzliche) Kosten. Anderes gilt aber beim gerichtlichen Vergleich, da dieser nicht von Amts wegen zugestellt wird. Nach diesen Kriterien sind also auch die GVZ-Kosten zu prüfen.

  • Auch das ist noch genau zu prüfen. Handelt es sich z.B. um einen VB, sind Zustellkosten für maximal 9 Zustellungen in den für das gerichtliche Mahnverfahren gezahlten GK enthalten. Wenn also der Gläubiger an Stelle der Amtszustellung die Zustellung im Parteienbetrieb wählt, handelt es sich bei den GVZ-Kosten nicht um notwendige (weil zusätzliche) Kosten.

    Widerspruch. Ich lasse mir den VB fast immer in Ausfertigung übergeben und lasse ihn vom GVZ zustellen, zusammen mit dem sofortigen Beginn der Vollstreckung.

    Dies bringt oft den nötigen Geschwindigkeitsvorsprung gegenüber anderen Gläubigern und senkt zudem die Einspruchsrate erheblich, da die Schuldner viel seltener Einspruch einlegen, wenn der GVZ auch bereits mit der Vollstreckung beginnt.

    Das ganz hat also prozesstaktische Gründe und ist daher notwendig im Sinne des § 788 ZPO. Bisher hat das auch noch nie ein Gericht bezweifelt.

    Gibt es für die ablehnende Ansicht Rechtsprechung?

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Auch das ist noch genau zu prüfen. Handelt es sich z.B. um einen VB, sind Zustellkosten für maximal 9 Zustellungen in den für das gerichtliche Mahnverfahren gezahlten GK enthalten. Wenn also der Gläubiger an Stelle der Amtszustellung die Zustellung im Parteienbetrieb wählt, handelt es sich bei den GVZ-Kosten nicht um notwendige (weil zusätzliche) Kosten.

    Widerspruch. Ich lasse mir den VB fast immer in Ausfertigung übergeben und lasse ihn vom GVZ zustellen, zusammen mit dem sofortigen Beginn der Vollstreckung.

    Das kann ich nur unterstützen, außerdem hat man neben dem Zeitgewinn noch ein kleines Überraschungsmoment. :teufel:

  • Auch das ist noch genau zu prüfen. Handelt es sich z.B. um einen VB, sind Zustellkosten für maximal 9 Zustellungen in den für das gerichtliche Mahnverfahren gezahlten GK enthalten. Wenn also der Gläubiger an Stelle der Amtszustellung die Zustellung im Parteienbetrieb wählt, handelt es sich bei den GVZ-Kosten nicht um notwendige (weil zusätzliche) Kosten.

    Widerspruch. Ich lasse mir den VB fast immer in Ausfertigung übergeben und lasse ihn vom GVZ zustellen, zusammen mit dem sofortigen Beginn der Vollstreckung.

    Dies bringt oft den nötigen Geschwindigkeitsvorsprung gegenüber anderen Gläubigern und senkt zudem die Einspruchsrate erheblich, da die Schuldner viel seltener Einspruch einlegen, wenn der GVZ auch bereits mit der Vollstreckung beginnt.

    Das ganz hat also prozesstaktische Gründe und ist daher notwendig im Sinne des § 788 ZPO. Bisher hat das auch noch nie ein Gericht bezweifelt.

    Gibt es für die ablehnende Ansicht Rechtsprechung?


    Dem kann ich aus langjähriger Erfahrung keinesfalls zustimmen. Im Gegenteil, die Gefahr, dass der Schuldner Einspruch einlegt, wächst, weil der Schuldner den GVZ zumeist um Hilfe befragt und dieser empfiehlt erfahrensgemäß, Einspruch einzulegen, wenn der Anspruch strittig ist. Der zeitliche Vorsprung wird auch unterschätzt. Nur in 0,5 bis 0,8 % aller Vollstreckungsaufträge führte die Sachpfändung durch den Gerichtsvollzieher zur vollständigen Befriedigung (Frohn, DGVZ 1996, 167 m.w.N.). Daran hat sich auch in den Jahren danach nichts geändert.
    Das hat auch der Gesetzgeber erkannt. Das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung hat die Kritik am bisher geltenden Zwangsvollstreckungsrecht aufgenommen und für das Vollstreckungsverfahren wesentliche Änderungen normiert. Durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung (ZwVollStrÄndG) vom 29. Juli 2009, das zum 01. Januar 2013 in Kraft getreten ist (BGBl. I S. 2258) hat die Sachpfändung ihre Notwendigkeit (Pfandabstandsprotokoll) vor der Vermögensoffenbarung (jetzt Vermögensauskunft) verloren, weil § 802 c ZPO nun sofort nach Erhalt des Titels ohne vorherigen Sachpfändungsauftrag beantragt werden kann. Ein vermeintlich früherer Zeitvorteil liegt daher nicht (mehr) vor, sondern verwandelt sich eher ins Gegenteil, weil der Gläubiger durch die zuerst eingeleitete Vermögensauskunft viel früher von pfändbaren Ansprüchen des Schuldners erfährt und durch PFÜB darauf zugreifen kann. Bis also der Gläubiger nach erfolgloser Sachpfändung und anschließendem Verfahren zur Abgabe der Vermögensauskunft von pfändbaren Ansprüchen erfährt, hat der andere Gläubiger bereits sein Pfandrecht gesichert. Der Kollege hat offensichtlich noch den Verfahrenszustand v o r der Zwangsvollstreckungsreform im Gedächtnis. Das ist aber seit 1.1.2013 nun anders und insoweit überholt.
    Weder der vermeintliche Geschwindigkeitsvorsprung gegenüber anderen Gläubigern noch prozesstaktische Gründe liegen also in Wirklichkeit vor und können deshalb auch nicht zur Begründung der Notwendigkeit zusätzlicher unnötiger Kosten herangezogen werden. Die zusätzlich entstandenen Zustellkosten gehören daher nicht zu den notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung gemäß § 788 ZPO.

    Da beißt die Maus keinen Faden ab.:teufel:

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