Mit-Vollstreckung nach § 788 ZPO ohne Hauptsachetitel?

  • Sachverhalt:

    ZV-Verfahren wird betrieben aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss über 2.000 €. Kurz vor Bestellung des SV zur VW-Ermittlung legt der Schuldner die Kopie eines Überweisungsbelegs über ca. 2.500 € an den GVZ vor, der aus demselbigen KFB m.d. Mobiliarvollstreckung beauftragt war. Außerdem ist beifügt ein Schreiben des GVZ a. d. Schuldner, aus dem sich die Aushändigung des KFB durch den GVZ an den Schuldner ergibt. Und schließlich ist die Durchschrift einer Klageschrift für eine Vollstreckungsabwehrklage betreffend den KFB beigefügt.

    Schuldner beantragt beim Versteigerungsgericht Einstellung "nach § 775 Nr.4 oder Nr.5 ZPO".

    Der angehörte Gläubiger trägt vor, ihm sei die Vollstreckungsgegenklage noch nicht zugestellt worden. Außerdem habe der Schuldner zumindest die Kosten der dinglichen Zwangsvollstreckung noch nicht gezahlt, so dass das Versteigerungsverfahren wegen dieser Kosten fortzusetzen sei.

    Frage:

    Ist eine "Mitvollstreckung" nach § 788 ZPO (noch) zulässig, wenn der Vollstreckungstitel über die Hauptsacheforderung bereits dem Schuldner ausgehändigt wurde und sich nicht mehr in Händen des Gläubigers befindet?

  • Wir hatten hier mal den Fall, dass die Zwangsverwaltung wegen einer (nicht sonderlich hohen) Grundsteuerforderung betrieben worden war. Der Schuldner meinte, durch Begleichen allein der Hauptforderung sich der Zwangsverwaltung entziehen zu können, angeordnet war das Verfahren aber auch „wegen der Kosten der gegenwärtigen Rechtsverfolgung“, wozu letztlich auch die Zwangsverwaltervergütung zählte. Das schuldnerische Verlangen nach Verfahrensaufhebung blieb erfolglos. (Details hier geschildert nach VG Dresden, 2 K 828/10)

    Freilich, bei uns war es ein öffentlich-rechtlicher Gläubiger, das Titulierungsproblem stellte sich nicht. In Deinem Fall dürfte es meines Erachtens aber trotzdem genauso möglich sein, die Vollstreckung nur noch wegen der Kosten fortzusetzen. Das Problem des nicht mehr vorhandenen Titels kann man möglicherweise umschiffen, indem der Gläubiger eine Kostenfestsetzung hinsichtlich der Vollstreckungskosten verlangt und sich so hierfür noch einen Titel verschafft.

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…sgeh%C3%A4ndigt
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…itel#post599117
    In vorgenannten Threads wurde eine 788-er Titulierung diskutiert (und für möglich gehalten), nachdem der Vollstreckungstitel dem Schuldner bereits zurückgegeben worden war. Ähnlich auch die Entscheidung OLG Stuttgart 8. Zivilsenat, 06.08.1993, 8 W 363/92 = Rpfleger 1994, 118.

    Curiosity is not a sin.

    3 Mal editiert, zuletzt von 15.Meridian (7. August 2013 um 17:09) aus folgendem Grund: Unfall beim Aufhübschen

  • Ohne Hauptsachetitel ist keine "isolierte" Zwangsversteigerung wegen der Kosten möglich. Titel, Klausel, Zustellung gilt in jeder Phase des Verfahrens. Ist der Titel durch den GV zurückgegeben, hilft nur noch Kostenfestsetzung, um einen neuen Titel zu schaffen.
    Siehe auch Stöber, Einl. 40.2

  • Aber ich seh es doch richtig, dass wir, das Vollstreckungsgericht (ZVG), die Kostenfestsetzung auf Antrag zu veranlassen hätten? Kann denn derselbe die Vorlage des Titels verlangen, der den Titel erst zu schaffen hat? Komisch, komisch. Und was kann überhaupt schon tituliert werden? Die Anordnungsgebühr nebst Zustell- und Schreibauslagen, eventuelle Anwaltsgebühren des Gläubigers. Die Verfahrensgebühr noch nicht, denn die ist ja noch gar nicht fällig.

  • @ stefan und @15. meridian:

    Vielen Dank für Eure -wie immer kompotenten- Hinweise.

    Ich tendiere wie Stöber Einl. 40.2 (die Zitatstelle hatte ich nicht selbst gefunden) dazu, mein Versteigerungsverfahren nur fortzusetzen, wenn wegen der noch offenen Kosten ein KFB vorliegt.

    Dass der KFB von mir selbst erlassen werden müsste, erscheint mir gar nicht so komisch. Der Sinn eines besonderen KFB wegen der Kosten der dingl. Rechtsverfolgung scheint mir dadurch begründet, dass der Schuldner die Möglichkeit erhält, sich gegen diese Titulierung zur Wehr zu setzen.

  • @15. Meridian:

    Stöber empfiehlt sogar, bei längeren Verfahren von Zeit zu Zeit eine Festsetzung zu beantragen. Hierzu und zur Zuständigkeit des ZVG-Gerichts Rdnrn. 40.3 und 40.4 sowie Stöber in Zöller, Rdnr. 19a zu § 788.

  • Dass ein neuer Titel in Form eines 788erKFB her muss, ist klar; klar ist aber nicht, dass der Titel selbst vom ZVG-Gericht erteilt wird. Bei uns ist die Zuständigkeit der M-Abteilung unbestritten.
    Onkel Kurt schreibt nichts vom ZVG-Gericht; er sagt nur, dass das Vollstreckungsgericht zuständig ist und das ist für uns das "gemeine Vollstreckungsgericht"

    Einmal editiert, zuletzt von oldman (8. August 2013 um 15:29)

  • Komisch, komisch. Und was kann überhaupt schon tituliert werden? Die Anordnungsgebühr nebst Zustell- und Schreibauslagen, eventuelle Anwaltsgebühren des Gläubigers. Die Verfahrensgebühr noch nicht, denn die ist ja noch gar nicht fällig.

    Vorliegend würde ich dem Schuldner vor Festsetzung aber schon Gelegenheit geben, die gesamten Vollstreckungskosten an den Gläubiger zu zahlen, da er ja seine Zahlungsbereitschaft bereits signalisiert und nachgewiesen hat. Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, dem Schuldner die vorläufige Schlusskostenrechnung über die voraussichtlich entstehenden gesamten Kosten des Verfahrens bei Aufhebung mitzuteilen, da andernfalls die Gefahr besteht, ein "Perpetuum Immobile" zu erzeugen -> Schuldner zahlt die festgesetzten Kosten -> Gläubiger nimmt Antrag zurück -> Gläubiger kriegt Schlusskostenrechnung über die nunmehr fälligen Gerichtskosten -> Gläubiger beantragt Festsetzung dieser Kosten und betreibt wieder die Versteigerung -> etc. etc. etc.

    Ein Flugzeug zu erfinden ist nichts - es zu bauen ein Anfang - Fliegen, das ist alles.

    (Otto Lilienthal/Ferdinand Ferber)

  • Und was kann überhaupt schon tituliert werden? Die Anordnungsgebühr nebst Zustell- und Schreibauslagen, eventuelle Anwaltsgebühren des Gläubigers. Die Verfahrensgebühr noch nicht, denn die ist ja noch gar nicht fällig.

    Vorliegend würde ich dem Schuldner vor Festsetzung aber schon Gelegenheit geben, die gesamten Vollstreckungskosten an den Gläubiger zu zahlen, da er ja seine Zahlungsbereitschaft bereits signalisiert und nachgewiesen hat. Aus meiner Sicht ist es sinnvoll, dem Schuldner die vorläufige Schlusskostenrechnung über die voraussichtlich entstehenden gesamten Kosten des Verfahrens bei Aufhebung mitzuteilen, da andernfalls die Gefahr besteht, ein "Perpetuum Immobile" zu erzeugen -> Schuldner zahlt die festgesetzten Kosten -> Gläubiger nimmt Antrag zurück -> Gläubiger kriegt Schlusskostenrechnung über die nunmehr fälligen Gerichtskosten -> Gläubiger beantragt Festsetzung dieser Kosten und betreibt wieder die Versteigerung -> etc. etc. etc....

    Im konkreten Fall kommt noch hinzu, dass noch gar kein Wertgutachten erstellt ist. Wie willst Du da die Verfahrensgebühr feststellen? Machst Du vorsorglich die Anfrage ans Finanzamt wegen des Einheitswerts?

  • ....... Im konkreten Fall kommt noch hinzu, dass noch gar kein Wertgutachten erstellt ist. Wie willst Du da die Verfahrensgebühr feststellen? Machst Du vorsorglich die Anfrage ans Finanzamt wegen des Einheitswerts?

    Jau, so isses: die EHW-Anfrage geht bei uns prophylaktisch( schreibt man das so?) immer mit dem AO-Beschluss raus. Das hat sich bewährt, da doch etliche Verfahren sich vor der VW-Festsetzung sich erledigen.

  • Jau, so isses: die EHW-Anfrage geht bei uns prophylaktisch( schreibt man das so?) immer mit dem AO-Beschluss raus. Das hat sich bewährt, da doch etliche Verfahren sich vor der VW-Festsetzung sich erledigen.

    Davon sind wir hier vor einigen Jahren (schon vor der neuen Rangklasse 10 I 2 jedenfalls) abgekommen. Wenn in 10 % der Verfahren (und das ist hochgegriffen) der Einheitswert gebraucht wird, werde ich in den 90 % Fälle, in denen ich ihn nicht brauche, das Finanzamt nicht unnötig arbeiten lassen. Mir reicht es, wenn ich den Wert am Ende des Verfahrens schnell genug erfahre, so ich ihn denn brauche.

    (Jetzt wünschte ich nur noch, die Finanzämter würden dies uns danken, indem sie ihrerseits von aussichtslosen Verfahren ablassen.)

    Aber zurück zum Thema:
    Darf man Kosten nach § 788 ZPO festsetzen, die noch gar nicht fällig sind?

  • Aber zurück zum Thema:
    Darf man Kosten nach § 788 ZPO festsetzen, die noch gar nicht fällig sind?

    Meine Meinung: Streng genommen nicht - wobei ich allerdings den ganzen Kostenquark eher pragmatisch abhandeln möchte.
    Das Problem wurde im Forum in ähnlicher Form schon mal diskutiert, als es um die Festsetzung von Räumungskostenvorschüssen ging.

    Die Anfrage nach dem Einheitswert geht hier in solchen Fällen, wo eine Aufhebung gefühlt im Raume steht, standardmäßig per Telefax durch die Serviceeinheit an das FA raus.
    Die Antwort ist meist nach wenigen Tagen bei der Akte und man kann die Kosten dann zügig berechnen bzw. die Kostenanfragen der Gläubiger vernünftig beantworten.

    Um zur Ausgangsfrage nochmals zurückzukommen:
    Sicherlich ist eine nachträgliche Festsetzung der Kosten ohne Titel pragmatisch, aber mein Bauchgefühl meint, dass das eigentlich nicht richtig sein kann.
    Wie kommt es denn zu solch einem Sachverhalt?

    1. Der Titel wird vom Vollstreckungsorgan zu Unrecht ausgehändigt -> weitere vollstreckbare Ausfertigung kann mit entsprechender Bescheinigung beantragt werden.
    2. Der Gläubiger pennt, und teilt dem Vollstreckungsorgan nicht mit, dass parallele Vollstreckungsmaßnahmen laufen und weitere Kosten anfallen werden, so dass der Titel nicht
    ausghändigt werden kann -> Gläubiger hat Pech gehabt und muss die weiteren Kosten eigenständig vom Schuldner einziehen, notfalls mit neuem prozessualen Verfahren.

    Im Grunde sind doch beide Konstellationen kein richtiger Fall für § 788 ZPO.
    Andererseits ist's halt die einfachste Lösung und aus meiner Sicht tolerabel.

    Ein Flugzeug zu erfinden ist nichts - es zu bauen ein Anfang - Fliegen, das ist alles.

    (Otto Lilienthal/Ferdinand Ferber)

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