Verbrauchten Erbvertrag (nochmals) eröffnen?

  • Eine Frage eines ziemlich Ahnungslosen, was NL-Sachen betrifft:

    A und B schließen einen Erbvertrag, in dem in separaten Abschnitten A den B zu ihrem Erben und B die A zu seinem Erben einsetzt. Eine Schlußerbeneinsetzung gibt es nicht. B ist tot und der Erbvertrag entsprechend eröffnet. Jetzt verstirbt A (kinderlos).

    Ist der Erbvertrag noch einmal zu eröffnen, obwohl die zweite Erbeinsetzung ersichtlich ins Leere geht? Ich habe jetzt schon sowohl "Nein." als auch "Ja." gehört. Beides von Leuten, die NL machen oder lange gemacht haben. Was ist nun (warum) richtig?

    Argument von "Nein.": ist verbraucht (und nutzlos), daher keine Eröffnungspflicht
    Argument von "Ja.": Jede Verfügung ist unabhängig von ihrem Inhalt und ihrer Wrksamkeit zu erföffnen. Die Beurteilung erfolgt danach. Kenntnis auch des Inhalts unwirksamer Verfügungen kann später hilfreich sein (Auslegung etc.).

    Danke schon einmal für die Nachhilfe.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Leider meine Antwort auch nur ohne Nachweise:

    Ich hatte solche Fälle öfters bei gemeinschaftlichen Testamenten, aber Erbverträge würde ich hier nicht anders behandeln.

    Erfolgt lediglich gegenseitige Erbeinsetzung, eröffnen wir hier die Testamente lediglich nur einmal. Die Testamente werden dann von uns auch nicht wiederverwahrt.

  • Folgendes Beispiel:

    A macht 1990 ein handschriftliches Testament in dem X zum Alleinerben eingesetzt ist.

    A heiratet B und macht dann im Jahre 2000 den besagten Erbvertrag aus Beispiel #1 in dem jedoch (wie so oft) zu Beginn steht: "Wir widerrufen alle vorherigen von uns (auch einseitig) verfassten letztwilligen Verfügungen".

    Nun stirbt also 2005 der B, der Vertrag wird eröffnet.

    2013 stirbt dann A. Welche letztwilligen Verfügungen sind nun wohl zu eröffnen?

    Ich denke, dass es so völlig klar sein dürfte, was zu tun ist....oder? Noch dazu, dass ja auch auf den Tod des Letztversterbenden nicht unbedingt eine Erbeinsetzung in dem Vertrag stehen muss, sondern ja auch Auflagen, Vermächtnisse etc. angeordnet sein können...

    Meines Erachtens ist jede letztwillige Verfügung eines Erblassers im Sinne von § 348 FamFG durch das Gericht zu eröffnen. Ein "verbrauchtes Testament" etc. kennt das Gesetz in dem Zusammenhang nicht. Es gibt nur die Ausnahme bei der Verwahrung nach § 349 II FamFG.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
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  • Testamente/Erbverträge, die nur die gegenseitige Erbeinsetzung und keine weiteren Bestimmungen enthalten, eröffnen wir nur nach dem Erstversterbenden. Sobald weitere Regelungen enthalten sind (z.B. Widerruf früherer Vfg., Pflichtteilsstrafklausel), wird auch nach dem 2. Sterbefall eröffnet.

    Dazu auch: Keidel. Kommentar zu § 349 FamFG, Rdnr. 2: "Enthält das gemeinschaftliche Testament keine Anordnugen für den 2. Erbfall, so ist es beim 2. Erbfall nicht nochmals zu eröffnen."

  • Wo ist der Unterschied?
    1. Der Erblasser setzt seinen Ehegatten ein. Der Ehegatte ist verstorben (= der Fall im Ausgangsposting)
    2. Der Erblasser setzt sein Kind ein. Das Kind ist verstorben. (In diesem Fall würdet Ihr doch nie auf die Idee kommen, das Testament nicht zu eröffnen)

  • Mata zu #4

    Und genau das halte ich für falsch.

    Denn auch ein früher errichtetes Testament kann durch den späteren Erbvertrag widerrufen sein, ohne dass dies im Erbvertrag ausdrücklich erwähnt sein muss. (Ein Testament wird auch insoweit widerrufen, als das neue Testament das widerrufene Testament zwar nicht erwähnt, mit diesem jedoch in inhaltlichem Widerspruch steht (§ 2258 BGB). Dies gilt m.E. selbst dann, wenn der Erblasser das frühere Testament vergessen hatte.)


    Ich bleibe dabei: Eine letztwillige Verfügung ist eine letztwillige Verfügung und diese ist nach dem Tod des Testierenden zu eröffnen, egal ob darin eine (positive) Erbeinsetzung vorgenommen wurde oder nicht.

    Papenmeier: Ja, das ist auch ein gutes Beispiel. Was micht stört ist die Tatsache, dass bei einer solchen Verfügung das Gericht auf einmal bereits vor der Eröffnung (wenn es denn überhaupt eröffnet!) prüfen will, ob es eine Erbeinsetzung gibt oder nicht. Das widerspricht allen sonstigen Gepflogenheiten, wonach eine Verfügung bei der Eröffnung weder auf Wirksamkeit noch auf Inhalt geprüft wird. Sie wird eröffnet und gut.

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  • Wo ist der Unterschied? 1. Der Erblasser setzt seinen Ehegatten ein. Der Ehegatte ist verstorben (= der Fall im Ausgangsposting) 2. Der Erblasser setzt sein Kind ein. Das Kind ist verstorben. (In diesem Fall würdet Ihr doch nie auf die Idee kommen, das Testament nicht zu eröffnen)


    Danke für den Denkanstoß! Wir handhaben das hier bisher auch so, dass wir bei dem ersten Sterbefall prüfen, ob es Verfügungen gibt, die erst beim zweiten Sterbefall gelten sollen. Davon sind wir bei einer gegenseitigen Einsetzung regelmäßig nicht ausgegangen und haben dann eben auch nicht wieder verwahrt. Die Argumentation ist aber einleuchtend und auch der Punkt mit dem Widerruf! Danke! :)

  • Dazu auch: Keidel. Kommentar zu § 349 FamFG, Rdnr. 2: "Enthält das gemeinschaftliche Testament keine Anordnugen für den 2. Erbfall, so ist es beim 2. Erbfall nicht nochmals zu eröffnen."


    Sehr sportliche Ansicht, die insbesondere ignoriert, dass auch eine VvTw, die keine ausdrückliche (oder auch nur stillschweigende) Verfügungen für den zweiten Erbfall trifft, auf diesen keine Auswirkungen hat. Der Fall, dass frühere Verfügungen vTw konkludent aufghoben werden und damit für die 2. Erbfall die gesetzliche statt der gewillkürten Erfolge eintritt, ist da nur ein Fall von mehrern.

    "Mein" Nachlassgericht eröffnet immer alles (und kassiert dafür seit 1.8.2013 schlappe 100 Euro pro Verfügung; da jubelt die Landeskasse).

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ich sehe ein, dass die Frage doch sehr vielschichtig ist und wir werden unsere bisherige Handhabung auf den Prüfstand stellen, aber die Kommentierung scheint da einer Meinung zu sein(zumindest die beiden Kommentare zum FamFG, die mir zur Vfg. stehen und vorher die Komemtare zu § 2273 BGB;
    Aus Bumiller/Harders, Kommentar zu § 349 FamFG, Rdnr. 10:

    Abs 3 gilt insbesondere für den Fall, dass lediglich eine gegenseitige Erbeinsetzung erfolgt ist, weswegen die Verfügungen des Längstlebenden in dem gemeinschaftlichen Testament bzw. dem Erbvertrag gegenstandslos werden. Das gemeinschaftliche Testament bzw. der Erbvertrag verbleiben in der offen Aktenverwahrung des Nachlassgerichts. Zwar schließt Abs 3 nur die Wiederverschließung und erneute amtliche Verwahrung gem Abs 2 aus, seinem Sinn nach muss Abs 3 (unverändert, d. h. wie schon § 2273) aber so verstanden werden, dass auch eine erneute Eröffnung gem Abs 1 iVm § 348 unterbleiben soll (Keidel/Zimmermann Rn 24).

  • Kommentatoren machen auch (Denk-)Fehler....und schreiben (wohl immer wieder) voneinander ab.....

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  • Welchen Sinn sollte die Sonderregelung bezüglich der Wiederverwahrung haben wenn nicht den, dass in diesem Fall nach dem Tod des Längstlebenden keine nochmalige Eröffnung stattfinden soll? Nach meinem Verständnis ist § 349 FamFG -sowohl nach seinem Inhalt ais auch im Hinblick auf seine amtliche Überschrift- lex specialis zu § 348 FamFG.

    Andererseits sind die für eine gleichwohl vorzunehmende nochmalige Eröffnung angeführten Argumente interessant und nicht von der Hand zu weisen.

    Deshalb mein Vorschlag zur Güte (so habe ich das auch bisher schon praktiziert): Wenn die letztwillige Verfügung mit der ausschließlich gegenseitigen Erbeinsetzung die einzige ist, unterbleibt deren nochmalige Eröffnung. Gibt es hingegen noch weitere, werden alle eröffnet. So lassen sich Widerrufe nachvollziehen und es werden darüber hinaus keine zusätzlichen Gebühren ausgelöst, da entweder keine Eröffnung erfolgt oder aber sämtliche Verfügungen gleichzeitig eröffnet werden.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Was aber soll mir dann bitte sagen, daß § 348 FamFG die Eröffnung aller letztwilligen Verfügungen, die sich in der Verwahrung des NLG befinden, anordnet, § 349 FamFG sich aber nur mit der besonderen amtlichen Verwahrung beschäftigt? 349 deckt nur einen Teil der Verwahrung ab, 348 unterscheidet hingegen nicht, ob es sich auch ev. nur um Aktenverwahrung oder Hergabe aus dem Nachlaß handelt.

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  • Es wird doch aber ausschließlich mit der Ausnahme des § 349 III FamFG argumentiert, die sich nur auf die besondere amtliche Verwahrung bezieht.:confused:

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  • Es wird doch aber ausschließlich mit der Ausnahme des § 349 III FamFG argumentiert, die sich nur auf die besondere amtliche Verwahrung bezieht.

    So verstehe ich die Argumentation nicht. Das würde ja bedeuten, dass die Behandlung der letztwilligen Verfügung nach dem Tod des Längstlebenden davon abhinge, ob sie sich in besonderer amtlicher Verwahrung befand oder nicht.

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  • Vorgängervorschrift des § 349 Abs. 3 FamFG war § 2273 Abs. 3 BGB, so dass es sich empfiehlt, die damalige Literatur zur Klärung der aufgeworfenen Frage heranzuziehen. Und hier stößt man sehr schnell auf die zutreffende Annahme, dass dann, wenn sich ein gemeinschaftliches Testament in der gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten erschöpft, eine nochmalige Eröffnung beim zweiten Sterbefall sinnlos wäre, weil es bereits beim ersten Sterbefall vollständig verkündet wurde (Staudinger/Kanzleiter, 13. Aufl. 1998, § 2273 Rn. 12, 19; Vogels DR 1940, 1652; KG-Gutachten DJ 1940, 366). Im letztgenannten Gutachten des Kammergerichts vom 08.02.1940 (Az. 1 Gen. VII 1. 40/1) wird insoweit hervorgehoben, dass die in § 44 Abs. 3 TestG (später: § 2273 S. 2 BGB, noch später 2273 Abs. 3 BGB und heute § 349 Abs. 3 FamFG) vorgesehene Verfahrensweise nach dem Willen des Gesetzgebers den Sinn habe, die Eröffnung des Testaments auf den zweiten Sterbefall vorzubereiten, und dass hieraus folge, dass in den Fällen, bei welchen diese Vorbereitung nicht für notwendig gehalten werde, auch die Eröffnung als solche nicht erforderlich sei.

    Ich halte das für schlüssig. Dass das Gesagte unabhängig davon gilt, ob die letztwillige Verfügung bei Gericht verwahrt war oder nicht, versteht sich dann von selbst.

    Damit verbleiben für die Streitfrage nur noch die - wenigeren - Fälle, bei welchen sich die Verfügungen der Ehegatten trennen lassen und demzufolge nur die Verfügung des erstversterbenden Ehegatten verkündet wird. Ein solcher Fall liegt auch beim Ausgangssachverhalt vor.

  • Na da danke ich doch für die Erhellung. Auch wenn es nicht mein Problem war (habe wie gesagt mit NL nichts zu tun) hat es mich dann doch interessiert.

    Also :blumen: allen, die sich beteiligt haben.

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  • ... die zutreffende Annahme, dass dann, wenn sich ein gemeinschaftliches Testament in der gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten erschöpft, eine nochmalige Eröffnung beim zweiten Sterbefall sinnlos wäre, weil es bereits beim ersten Sterbefall vollständig verkündet wurde...

    Die Annahme passt aber nicht, wenn die Ehegatten verschiedene gesetzliche Erben haben. Hat die Ehefrau ein eigenes Kind und stirbt der Ehemann (nicht der Vater des Kindes), dann erfährt das Kind vom Testament nichts. Wenn das Testament dann beim Tod der Ehefrau nicht eröffnet wird, dann erfährt das Kind vom Testament überhaupt nichts, obwohl es erbrechtliche Wirkungen haben kann, was TL schon ausgeführt hat. Natürlich gibt es für das Kind die Möglichkeit, die Nachlassakte des Ehemannes einzusehen. Aber wer macht das schon, wenn er nicht gerade den richtigen Rechtsanwalt aufsucht?

  • Ob die Kinder des (nur mit dem) letztversterbenden (verwandten) Ehegatten nach dessen Ableben etwas von dem sich in einer gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten erschöpfenden gemeinschaftlichen Testament erfahren, ist keine Frage der Eröffnung, sondern eine Frage der Mitteilung von bereits Eröffnetem.

  • Hallo!
    Ich habe einen Antrag auf (erneute) Eröffnung eines gemeinschaftlichen Testamentes vorliegen, bei dem sich die Ehegatten lediglich gegenseitig als Erben eingesetzt haben. Es gibt nur dieses eine Testament und ich wollte der Notarin schon schreiben, dass eine erneute Eröffnung nicht erfolgen muss (so haben wir es bis jetzt hier am AG immer gehandhabt) und bin dann über diesen Thread gestolpert, weil ich in der Kommentierung nichts passendes gefunden habe.

    Wie handhabt Ihr diese Fälle in der Praxis?

    Ich finde das Beispiel von Papenmeier sehr passend, denn ich würde nie darüber nachdenken, ein Testament nicht zu eröffnen, weil der Erbe bereits verstorben ist. Auch das Argument von Cromwell, dass eine erneute Eröffnung nicht erfolgen muss, da die Verfügung schon beim Tod des ersten Ehegatten eröffnet worden ist, finde ich nicht zwingend. Wenn die Ehegatten in "Wir-Form" sich zunächst gegenseitig und dann z. B. die gemeinsamen Kinder als Schlusserben einsetzen, habe ich beim Tod des Erstversterbenden ja auch schon die gesamte Verfügung eröffnet.
    Ich glaube, ich muss meine bisherige Praxis umstellen:cool:...

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