Wiederverheiratungs- und Pflichtteilsstrafklausel

  • Guten Morgen liebe Kollegen,
    mir liegt folgendes not. Testament der Ehegatten vor, die offensichtlich jeder 1 voreheliches Kind haben:

    "Wir setzen uns wechselseitig als Vollerben ein. Als Schlusserben nach dem Letztversterbenden setzen wir unsere Kinder A und B zu gleichen Teilen ein.
    Sollte der Überlebende von uns wieder heiraten, so soll er hinsichtlich der Hälfte des Nachlasses des Erstversterbenden nur befreiter Vorerbe gewesen sein. Alleiniger Nacherbe dieser Hälfte wird dann das Kind des Erstversterbenden. Hinsichtlich der anderen Hälfte gilt dann, dass der überlebende Ehegatte hierüber als Vollerbe völlig frei verfügen kann.
    Sollte eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil geltend machen, so wird die Einsetzung als Nach- bzw. Schlusserbe damit hinfällig. Für diesen Fall soll das andere Kind nach dem Tod des Letztversterbenden alleine erben.

    Sollte der Überlebende von uns wieder heiraten, ist dieser hinsichtlich seines eigenen Vermögens von den Bindungen an seine Verfügungen in diesem Testament befreit."

    Nach dem Tod der Ehefrau würde ich nun den überlebenden Ehemann als Erben in Abt. I eintragen. Den Nacherbenvermerk würde ich wie folgt fassen: Für einen Hälfteerbteil ist bedingte Nacherbfolge angeordnet, die mit der Wiederverheiratung des - befreiten - Vorerben eintritt. Nacherbe ist A." Ist das so in Ordnung?
    Die Pflichtteilsstrafklausel muss ich doch erst nach Tod des Ehemannes beachten? Mir ist außerdem nicht ganz klar, wer den Hälfteerbteil der Ehefrau erbt, wenn der überlebende Ehemann heiratet und das Kind der Ehefrau den Pflichtteil geltend gemacht hat.
    Könnt ihr mir ein wenig auf die Sprünge helfen? Danke!

  • Bei Deiner Formulierung fehlt auf jeden Fall, dass das Kind auch auflösend bedingter Nacherbe ist, bei Pflichtteilverlangen vfällt er ja raus.

    Da einiges nicht klar ist, würde ich einen Erbschein verlangen.

  • Zunächst gehe ich - außerhalb Deiner Fragestellungen - davon aus, dass hier von einer Ersatznacherbfolge i.S. des § 2069 BGB zugunsten der Abkömmlinge des Kindes des erstversterbenden Ehegatten auszugehen ist. Diese wäre natürlich ebenfalls in den Nacherbenvermerk aufzunehmen, der im Übrigen - wie vorgeschlagen - in Ordnung erscheint.

    Was die Pflichtteilsklausel angeht, so soll die Geltendmachung des Pflichtteils durch den bedingt eingesetzten Nacherben zum Verlust des Nacherbenrechts führen. Ob dies eine in den Nacherbenvermerk aufzunehmende echte auflösende Bedingung für die angeordnete bedingte Nacherbfolge darstellt (deren Anordnung dann sowohl aufschiebend als auch auflösend bedingt wäre), hängt davon ab, ob § 2306 Abs. 2 BGB auf die Fallgestaltung der aufschiebend bedingten Nacherbfolge anwendbar ist. Ich habe dies im Rahmen einer eingehenden Untersuchung der Problematik verneint (Bestelmeyer Rpfleger 2007, 1) und seitdem wird die Frage kontovers diskutiert (vgl. etwa Staudinger/Haas § 2306 Rn. 18-22a und MüKo/Lange § 2306 Rn. 10 m.w.N. zu den Anhängern dieser oder jener Rechtsauffassung). Stimmt man der von mir vertretenen Ansicht zu, wäre die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs eine echte auflösende Bedingung für die Anordnung der aufschiebend bedingt angeordneten Nacherbfolge. Lehnt man sie dagegen ab und bejaht man demzufolge die Anwendbarkeit des § 2306 Abs. 2 BGB auch in diesem Fall, ist der bedingt eingesetzte Nacherbe ohnehin erst nach erfolgter Ausschlagung des Nacherbenrechts pflichtteilsberechtigt, so dass man daran denken könnte, hier keine "echte" - und in den Nacherbenvermerk aufzunehmende - auflösende Bedingung anzunehmen, weil die Geltendmachung des Pflichtteils begrifflich ohnehin erst nach erfolgter Ausschlagung des Nacherbenrechts möglich wäre. In diesem Zusammenhang stellt sich dann aber die Frage, ob eine von der Pflichtteilsklausel erfasste Auflehnung gegen den Willen des überlebenden Ehegatten auch dann zu bejahen ist, wenn der bedingt eingesetzte Nacherbe den Pflichtteil geltend macht, ohne bereits im Rechtssinne pflichtteilsberechtigt zu sein. Bejaht man dies, so wäre in den Nacherbenvermerk in jedem Fall aufzunehmen, dass die angeordnete bedingte Nacherbfolge in Wegfall kommt, wenn der Nacherbe seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht.

    Zur letzten Frage: Wenn die Nacherbfolge wegfällt, weil das Kind der erstverstorbenen Ehefrau an deren Nachlass seinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat, bleibt der überlebende Ehemann Vollerbe, und zwar ganz unabhängig davon, ob er wieder heiratet oder nicht. Die angeordnete Nacherbfolge ist dann also gegenstandslos und Schlusserbe wird das Kind des überlebenden Ehemannes.

    Ob man in solchen Fällen einen Erbschein verlangt, "weil einiges nicht klar ist" (so meine Vorrednerin), muss im Einzelfall beurteilt werden. Ich würde im vorliegenden Fall keinen Erbschein verlangen, weil aufschiebende und auflösende Bedingung sowie die Befreiung des Vorerben klar sind und es im Ergebnis nur um die Ersatznacherbfolge geht, die aber auf der auch vom Grundbuchamt anzuwendenden Auslegungsregel des § 2069 BGB beruht (falls das Testament nicht ohnehin eine diesbezügliche ausdrückliche Ersatzerbenregelung enthält, die bislang nur noch nicht vom Fragestellter mitgeteilt wurde).

  • Cromwell, vielen Dank für deine ausführliche Erklärung.

    Ich weiß nach dem Testament und den Nachlassakten nicht genau, welches der beiden Kinder das Kind der verstorbenen EF ist. Kann ich, da ich dieses aber in dem Nacherbenvermerk genau bezeichnen muss, den EM dazu einfach um entsprechende Mitteilung bitten?

  • Guten Morgen,

    ich habe zwar keine Wiederverheiratungsklausel, aber in einem gemeinschaftlichen Testament wurde ebenso eine auflösend bedingte Nacherbfolge angeordnet.
    Befreiter Vorerbe soll die Ehefrau sein und Nacherben bei deren Tod die beiden Kinder des Mannes. Weiter heißt es: "Für den Fall, dass einer der beiden Nacherben nach dem Tod des Mannes den Pflichtteil verlangt, so soll er von der Nacherbfolge ausgeschlossen sein."

    Nun habe ich einen KV vorliegen, in welchem die Vorerbin und die Nacherben auftreten und an einen Dritten verkaufen. Die Nacherben versichern darin an Eides statt, dass sie tatsächlich den Pflichtteil geltend gemacht haben und somit die Nacherbfolge entfällt. Ich habe mich allerdings gefragt, ob hier eine stillschweigende Ersatznacherbfolge (im Zweifel über § 2069 BGB) vorliegt.
    Es ist nichts zu einer Ersatznacherbfolge im Testament gesagt.

    Meine Überlegung war, dass der Erblasser ja quasi verfügt hat, wenn einer der NE den Pflichtteil geltend macht, dann soll er ausgeschlossen sein. D.h. er ging davon aus, dass dann der andere Sohn alleine Nacherbe wird und nicht irgendwelche Abkömmlinge. Nun haben aber beide den Pflichtteil geltend gemacht und ich habe überlegt, ob man auf dieser Grundlage dann argumentieren könnte, dass der Erblasser dann vermutlich wollte, dass die Ehefrau Alleinerbin wird. Wie seht ihr das?

  • Aber kann ich den wirklich verlangen? Nur, weil ich überlege, ob es ggf. eine stillschweigende Ersatznacherbeneinsetzung gibt und diese mitwirken müssten? Ich bin ja schon zur Auslegung verpflichtet als GBA.

    Hat noch jemand eine Meinung dazu?

  • Selbst wenn man hier von einer noch bestehenden Vor- und Nacherbfolge ausgehen würde, bliebe es wahrscheinlich doch bei einer vollwirksamen Verfügung der befreiten Vorerbin.

  • Ich habe nun zu meinem obigen Fall eine Erweiterung:

    Es liegt ein losgelöster Antrag auf Löschung des NEV vor. Die Konstellation (auflösend bedingte Nacherbfolge bei Geltendmachung eines Pflichtteils) bereitet mir nun erneut Probleme. Im zuerst beteiligten Grundbuch konnte ich den NEV ja aufgrund der wirksamen Vfg. der befreiten Vorerbin löschen. Nun habe ich aber keine Vfg. der Vorerbin. Es liegt mir nur ein Antrag auf Löschung des NEV vor. In der Urkunde selbst erklären die Beteiligten (VE + NE) an Eides statt, dass sie den Pflichtteil geltend gemacht haben. Allerdings kann ich eine eV ja nur für negative Tatsachen verwenden. Das heißt, ich müsste hier ggf. an unbekannte Ersatznacherben denken oder?

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