Ausschlagung nach Erblasser obwohl vorrangiger Erbe Erbfall erlebt hat?

  • Hallo alle zusammen,

    folgende Ausschlagungskonstellation, die mir Kopfzerbrechen bereitet:

    Erblasser E stirbt 1984 in der DDR und hinterlässt ein wenig Barnachlass sowie ein Grundstück. 1. EO ist nicht vorhanden, 2. EO schlägt komplett aus, so dass nur noch die 3. EO vorhanden ist. Ein Erbe (A) der 3. EO stirbt 1995 ohne Kenntnis vom Erbfall. 2005 werden die Erben des A ermittelt. Diese wollen mit der Sache nichts zu tun haben und schlagen bei einem Notar das Erbe nach E aus, aber nicht nach A.

    Geht das? Sie waren ja nie direkte Erben sondern nur Erbeserben, dann können Sie m. E. auch nicht das Erbe nach E ausschlagen, sondern allenfalls nach A. Die Ausschlagung wäre dann unwirksam. Da A aber nichts vom Erbfall wusste, hätte dieser eventuell auch das Erbe zu Lebzeiten ausgeschlagen. Wie kommen die Erbenserben jetzt hier raus? Können sie jetzt noch für Ihren Vater das Erbe ausschlagen? Müssen Sie das als Erbengemeinschaft zusammen bei einem Termin machen oder reicht es aus, wenn die Ausschlagungserklärungen einzeln bei Gericht eingehen? Die Frist müsste m. E. dann beginnen, wenn ein Erbe der Erbengemeinschaft Kenntnis vom Sachverhalt hat.

    Ich danke schon mal für die Hilfe:daumenrau!

  • Nur der Vollständigkeit halber:

    Sie müssen die Erbschaft nach dem Erben annehmen, um nach dem ursprünglichen Erblasser ausschlagen zu können. Denn ansonsten würde das vererbliche und in der Person des verstorbenen Erben noch nicht verfristete Ausschlagungsrecht gar nicht auf sie übergehen können. Schlagen sie nach dem Erben aus, stellt sich das Problem gar nicht, weil sie dann ohnehin nicht als Erbeserben nach dem Erblasser in Betracht kommen und nach jenem demzufolge gar nichts auszuschlagen haben.

  • Was ich mir bisher noch nicht überlegt habe, was ist eigentlich die Folge, wenn nur ein Teil der Erbeserben ausschlagen? Wird die vorangegangene Erbschaft dann aus der gesamthänderischen Bindung gelöst und es tritt eine Art Sonderrechtsnachfolge ein?

  • Papenmeier:

    Das ist eine interessante Frage...ich poste daher diesen Thread mal etwas "hoch" und vielleicht kann jemand etwas dazu sagen? Ich bin überfragt bzw. müßte tief in Bücher "eintauchen" :)

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Ohne die Aufsätze gelesen zu haben, würde ich aus dem Bauch heraus sagen, dass die Ausschlagung des Erbeserben für den Erben auch dann wirksam ist, wenn nur ein einziger Erbeserbe für den Erben nach dem Erblasser ausschlägt. So wäre es, wenn man das Ausschlagen als "notwendige Maßregel" im Sinne des § 744 II BGB sieht....man könnte aber auch darauf kommen, dass nur dann eine wirksame Ausschlagung vorliegt, wenn alle Erbeserben ausschlagen....oder wenn die Erbeserben mit der Mehrheit der Erbteile (§ 745 BGB) ausschlagen....schwierig, weil es also letztlich nicht nur 2 sondern sogar 3 verschiedene Möglichkeiten geben kann.

    Ich werde mir mal gelegentlich die Aufsätze durchlesen. Dann bin ich zumindest über die beiden Meinungen informiert.

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  • Dass eine Teilausschlagung erfolgen kann, ist in § 1952 Abs. 3 BGB gesetzlich normiert. Keinesfalls kann jedoch die Folge eintreten, dass durch einen oder einzelne Miterben für den gesamten Erbteil des Erben ausgeschlagen werden kann. Die wohl überwiegende Ansicht geht bei der Ausschlagung einzelner Miterben des verstorbenen Erben von einer Art Anwachsung zugunsten der anderen Miterben aus, die nicht ausgeschlagen haben. Ich halte das nicht für plausibel und gebe der von Heinrich/Heinrich (Rpfleger 1999, 201) vertretenen Ansicht daher den Vorzug, welche die Autoren an folgendem Beispiel erläutert haben:

    Erblasser B stirbt und wird von seinen Söhnen K1 und K2 je zur Hälfte beerbt. K2 hat eine Tochter T. K2 stirbt vor Ablauf der Ausschlagungsfrist, ohne die Erbschaft nach B angenommen zu haben. K2 hat D1 und D2 zu gleichen Teilen als seine Erben eingesetzt, beide haben die Erbschaft nach K2 angenommen. Nun schlägt der kinderlose D1 - nach § 1952 Abs. 3 BGB zulässigerweise - für den seinem Erbteil entsprechenden Teil die Erbschaft des K2 nach dem ursprünglichen Erblasser B aus.

    Die überwiegende Ansicht vertritt die Ansicht, dass es nun analog § 1953 Abs. 2 BGB so anzusehen sei, als sei der nachverstorbene Erbe nur von seinem nicht ausschlagenden Miterben beerbt worden (Erbfolge nach B also: K1 und K2 je zur Hälfte, alleiniger Erbeserbe von K2 ist D2). Meines Erachtens liegt es näher, in diesem Fall davon auszugehen, dass Miterbe K2 aufgrund der Teilausschlagung seines Miterben D1 nach § 1953 Abs. 1 BGB in Höhe der von der Ausschlagung umfassten Erbquote als vorverstorben gilt und damit insoweit seine Tochter T an seine Stelle tritt. Erbfolge nach B also: K1 zu 1/2, K2 zu 1/4 und T zu 1/4.

    Ein schönes Problem, anhand dessen man sich die erbrechtlichen Grundsätze verinnerlichen kann.


  • Die überwiegende Ansicht vertritt die Ansicht, dass es nun analog § 1953 Abs. 2 BGB so anzusehen sei, als sei der nachverstorbene Erbe nur von seinem nicht ausschlagenden Miterben beerbt worden (Erbfolge nach B also: K1 und K2 je zur Hälfte, alleiniger Erbeserbe von K2 ist D2). Meines Erachtens liegt es näher, in diesem Fall davon auszugehen, dass Miterbe K2 aufgrund der Teilausschlagung seines Miterben D1 nach § 1953 Abs. 1 BGB in Höhe der von der Ausschlagung umfassten Erbquote als vorverstorben gilt und damit insoweit seine Tochter T an seine Stelle tritt. Erbfolge nach B also: K1 zu 1/2, K2 zu 1/4 und T zu 1/4.

    Um die Sache einmal weiter zu denken:
    Egal für welche Variante man sich entscheidet. Im Erbschein nach B wird stehen, dass K2 zu einem bestimmten Anteil Erbe geworden ist.

    Dieser Anteil des K2 geht an D2 als Erbeserbe.

    Gehen wir davon aus, dass nach K2 ein ganz normaler Erbschein erteilt wurde. In diesem steht dass, K2 von D1 und D 2 zu je 1/2 Anteil beerbt wurde.
    Die Erbeserbenproblematik ist aus diesem Erbschein nicht zu ersehen.

    Gehen wir davon aus, dass Grundbesitz vorhanden ist. Folgt das Grundbuchamt der Kette dieser beiden Erbscheine würde im Grundbuch eine falsche Eigentümerstellung ausgewiesen. Der Rechtspfleger des Grundbuchamtes müsste also vom Erbschein nach B ausgehen und dann nur aufgrund der Ausschlagungserklärungen die tatsächliche Erbengemeinschaft eintragen, ohne den Erbschein nach K2 zu berücksichtigen.

    Würde dies als Erbnachweis in grundbuchgerechter Form ausreichen?

    Für mich stellt sich diese Frage leider gerade in einem ähnlich gelagerten Fall. Ich denke nicht, dass es Sinn macht, die Frage ins das Grundbuchforum zu stellen, da sie sehr speziell ist und hoffe, dass ein Nachlass-/Grundbuchrechtspfleger diesen Fall vielleicht schon einmal hatte.

  • Je nachdem, welcher Ansicht man folgt und welche Fallkonstellation vorliegt, ist die Rechtsfolge der Teilausschlagung entweder im Erbschein nach dem ursprünglichen Erblasser oder im Erbschein nach dem nachverstorbenen Erben zu berücksichtigen. Schwierig wird es nur, wenn zwei verschiedene Nachlassgerichte zuständig sind, die hierzu unterschiedliche Ansichten vertreten, so dass das jeweilige Nachlassgericht glaubt, es müsse nichts im Erbschein berücksichtigen, weil es das jeweils andere Nachlassgericht berücksichtigen müsse.

    Klar ist, dass die Teil-Ausschlagung nach dem ursprünglichen Erblasser (durch einen oder mehrere, aber nicht durch alle Erbeserben) zur Nachlassakte dieses ursprünglichen Erblassers und nicht zur Nachlassakte des nachverstorbenen Erben zu erfolgen hat, und klar ist auch, dass das für den ursprünglichen Erblasser zuständige Nachlassgericht eine beglaubigte Abschrift dieser Teilerbausschlagung an das für den nachverstorbenen Erben zuständige Nachlassgericht weiterleiten sollte.

    Und jetzt kommt es eben darauf an, welche Rechtsfolge man aufgrund der besagten Teilausschlagung befürwortet. Bleibt der nachverstorbene Erbe ungeachtet der erklärten Teilausschlagungen unverändert Alleinerbe oder quotal ungeschmälerter Miterbe nach dem ursprünglichen Erblasser, muss die Teilausschlagung infolge gegenständlicher Nachlassspaltung im Erbschein nach dem nachverstorbenen Erben berücksichtigt werden, weil der Erstnachlass (oder der Erbanteil hieran) Bestandteil des Zweitnachlasses ist. Hat die Teilausschlagung dagegen die personelle Modifizierung der Erbfolge am Erstnachlass zur Folge, ist diese modifizierte Erbfolge im Erbschein nach dem Erstnachlass zu verlautbaren, während der Erbschein für den Zweitnachlass insgesamt die "normale" Erbfolge verlautbart.

    Im Thread-Ausgangsfall war übrigens das Erbstatut des ZGB maßgeblich (Erbfall 1984!). Auch nach dem ZGB war das Ausschlagungsrecht vererblich (§ 403 Abs. 3 ZGB). Die Zulässigkeit einer Teilausschlagung sah das Gesetz jedoch nicht vor - jedenfalls nicht ausdrücklich.

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