Notariatsreform in Baden-Württemberg

  • Tommy: Wer kann schon ein zutreffendes Bild aus erster Hand liefern?
    a) Die Notare, Bezirksnotare, Rechtspfleger, UdG und Schreibkräfte "an vorderster Front"? Stecken zu tief drin.
    b) Die Präsidenten, Direktoren und Verwaltungsleiter (Geschäftsleiter) als die, die Besetzungssituation, Belastung und Stimmung im Haus "von oben betrachten"? Haben evtl. Eigeninteressen.
    c) Rechtsuchende Bürger, deren Erwartungen nicht erfüllt werden? Wer zieht die Grenze des Erwartbaren? Wer spricht aus, dass es für eine leistungsfähige Justiz halt auch eine entsprechende Ausstattung braucht, die man nicht finanzieren konnte oder wollte
    d) die Medien? wollen informieren, aber eben auch verkaufen

    Erst in der Gesamtschau dürfte sich herauskristallisieren, wo es sich um emotionale Belastungen aufgrund des Veränderungsprozesses handelt (weil Abweichungen vom Gewohnten immer mit Stress einhergehen), wo organisatorische Schwächen liegen, wo Überlastung zum Problem wird. Schwarzmalerei hilft nicht weiter. Schönfärberei ebenso wenig.

  • Es tut mir leid Tommy, aber Cromwell beschreibt die Reform / die Lage völlig korrekt.

    Ich bin ja nicht mehr dabei, bekomme aber die Auswirkungen natürlich auch zu spüren. Leider hat Cromwell Recht. Ich wünschte sehr, dass ich anderes berichten könnte.


  • Die Bereichsrechtspfleger haben neben den westlichen "Aufbauhelfern" hier überhaupt erst dafür gesorgt, dass zum Beispiel Grundstücksgeschäfte anliefen, Unternehmen gegründet werden konnten, dass eben rechtsstaatliche Verhältnisse in die Justiz einkehren, wie sie in der Bundesrepublik gang und gäbe waren. Ihre Leistung seit den Neunzigern wird - zumindest in der sächsischen Beförderungspraxis - nicht adäquat gewürdigt. In ihrer beruflichen Laufbahn bleiben sie in den niedrigen Besoldungsstufen stecken (bei gleicher Eignung und Leistung fehle ihnen, so der Dienstherr, ein Mehr an Befähigung).


    Diese Sichtweise ist natürlich zutreffend - man schafft innerhalb der Berufsgruppe der Rechtspfleger eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, und sowas ist selten gut.

    Bei aller Achtung vor der fachlichen Leistung der Bereichsrechtspfleger halte ich es für fatal, in den jetzigen Zeiten erneut auf eine "Schmalspurausbildung" zu bauen, die auf den ersten Blick schnell und wohl gar kostengünstig ist, mit der der Staat aber leichtfertig den Wert des vollausgebildeten Rechtspflegers preisgibt und das derzeitige Niveau des deutschen Rechtswesens aufs Spiel setzt.


    Es ist für mich nur schwer verständlich, weshalb immer gleich das gesamte deutsche Rechtswesen auf dem Spiel stehen soll. In der Gesamtschau hat das deutsche Rechtswesen schwerwiegendere Probleme als die Frage, ob Bereichsrechtspfleger eine Gefahr für das derzeitige Niveau darstellen.


    Erst in der Gesamtschau dürfte sich herauskristallisieren, wo es sich um emotionale Belastungen aufgrund des Veränderungsprozesses handelt (weil Abweichungen vom Gewohnten immer mit Stress einhergehen), wo organisatorische Schwächen liegen, wo Überlastung zum Problem wird. Schwarzmalerei hilft nicht weiter. Schönfärberei ebenso wenig.


    Weise und wahre Worte.
    Was gewisse Beitragsschreiber hier betreiben ist schon keine Schwarzmalerei mehr, da werden ganze schwarze Löcher heraufbeschworen, die das gesamte Justizsystem verschlucken werden.
    Cromwell und Beitrag #3034: Sorry, aber ich kann dich nicht mehr ernst nehmen. Du mich mangels "wissenschaftlichen Hervortretens" vermutlich auch nicht. Lassen wir es einfach, zum Wohle des Threads.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

    Einmal editiert, zuletzt von hiro (17. April 2018 um 15:52)

  • Ein Studium ist anderen Ausbildungen nicht unbedingt überlegen, wenn man z.B. die Herren Großbanken- Bankvorstände, die an Eliteuniversitäten studiert haben, mit den Bankvorständen von Genossenschaftsbanken bzw. Sparkassen vergleicht, die noch nie eine Uni von innen gesehen haben. Wer hat mehr Mist bzw. Peanuts gebaut ?

  • Bei aller Achtung vor der fachlichen Leistung der Bereichsrechtspfleger halte ich es für fatal, in den jetzigen Zeiten erneut auf eine "Schmalspurausbildung" zu bauen, die auf den ersten Blick schnell und wohl gar kostengünstig ist, mit der der Staat aber leichtfertig den Wert des vollausgebildeten Rechtspflegers preisgibt und das derzeitige Niveau des deutschen Rechtswesens aufs Spiel setzt.


    Es ist für mich nur schwer verständlich, weshalb immer gleich das gesamte deutsche Rechtswesen auf dem Spiel stehen soll. In der Gesamtschau hat das deutsche Rechtswesen schwerwiegendere Probleme als die Frage, ob Bereichsrechtspfleger eine Gefahr für das derzeitige Niveau darstellen.

    "Es gibt wichtigeres als ... " - verzeih, aber das ist ein Scheinargument. Es gibt wohl immer etwas, das wichtiger, bedeutsamer, einschneidender ist. Warum sich um die deutsche Justiz scheren, wenn die polnische gerade wieder zum Spielball der Herrschenden wird? Warum sich an der polnischen Justiz abarbeiten, wo in anderen Ländern der Welt Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Warum Menschenrechte einfordern, solange es nicht genug zu essen gibt? Warum sich über Hunger Gedanken machen, wenn die Erde doch bald massiv überbevölkert ist? - Verstehst Du, was ich meine? Ich will nicht einen Fehler deswegen nicht mehr als Fehler benennen dürfen, weil anderswo noch größere Fehler passieren.

    Als Rechtspflegerin liegt mir an der Justiz, wie ich sie aus Rechtspflegersicht wahrnehme. Der Rechtspfleger ist ein Teil davon und trägt zur Qualität, zum Niveau des Rechtswesens bei. Für die hochwertigen Aufgaben, die nach dem RpflG dem Rechtspfleger zufallen, braucht es mehr, als sich in Crashkursen einbleuen lässt. Wollen wir Leute ins Messer laufen lassen, die nicht gut auf die ihnen aufgeschulterten Aufgaben vorbereitet wurden? Obendrein in haftungsträchtigen Bereichen wie Grundbuch oder Nachlass?

    Die Interessen der Rechtspfleger vertreten zu wollen, heißt nicht unbedingt, diese zulasten der Interessen anderer einzufordern. Von einer guten Ausbildung profitieren nicht nur die Rechtspflegerkollegen selbst, sondern die Rechtsuchenden, deren Anliegen sachgerecht bearbeitet werden. An Grundbuch- oder Registereintragungen können sich Schicksale entscheiden. Und deshalb setze ich mich zur Wehr, wenn in Umbruchzeiten wie der Grundbuchamts- und Notariatsreform der leichte Weg statt des richtigen beschritten wird.

  • Bei aller Achtung vor der fachlichen Leistung der Bereichsrechtspfleger halte ich es für fatal, in den jetzigen Zeiten erneut auf eine "Schmalspurausbildung" zu bauen, die auf den ersten Blick schnell und wohl gar kostengünstig ist, mit der der Staat aber leichtfertig den Wert des vollausgebildeten Rechtspflegers preisgibt und das derzeitige Niveau des deutschen Rechtswesens aufs Spiel setzt.


    Es ist für mich nur schwer verständlich, weshalb immer gleich das gesamte deutsche Rechtswesen auf dem Spiel stehen soll. In der Gesamtschau hat das deutsche Rechtswesen schwerwiegendere Probleme als die Frage, ob Bereichsrechtspfleger eine Gefahr für das derzeitige Niveau darstellen.

    "Es gibt wichtigeres als ... " - verzeih, aber das ist ein Scheinargument. Es gibt wohl immer etwas, das wichtiger, bedeutsamer, einschneidender ist. Warum sich um die deutsche Justiz scheren, wenn die polnische gerade wieder zum Spielball der Herrschenden wird? Warum sich an der polnischen Justiz abarbeiten, wo in anderen Ländern der Welt Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Warum Menschenrechte einfordern, solange es nicht genug zu essen gibt? Warum sich über Hunger Gedanken machen, wenn die Erde doch bald massiv überbevölkert ist? - Verstehst Du, was ich meine? Ich will nicht einen Fehler deswegen nicht mehr als Fehler benennen dürfen, weil anderswo noch größere Fehler passieren.


    Ich verstehe dich und gebe dir - bis auf den Ausdruck "Scheinargument" - durchaus recht. Ich finde es nur übertrieben, dass man gleich die gesamte Justiz den Bach runtergehen sieht, nur weil in einem - vergleichsweise kleinen - Teilbereich vermeintlich etwas schlechter ausgebildete Kollegen eingesetzt werden.

    Zitat

    Als Rechtspflegerin liegt mir an der Justiz, wie ich sie aus Rechtspflegersicht wahrnehme. Der Rechtspfleger ist ein Teil davon und trägt zur Qualität, zum Niveau des Rechtswesens bei. Für die hochwertigen Aufgaben, die nach dem RpflG dem Rechtspfleger zufallen, braucht es mehr, als sich in Crashkursen einbleuen lässt. Wollen wir Leute ins Messer laufen lassen, die nicht gut auf die ihnen aufgeschulterten Aufgaben vorbereitet wurden? Obendrein in haftungsträchtigen Bereichen wie Grundbuch oder Nachlass?
    Die Interessen der Rechtspfleger vertreten zu wollen, heißt nicht unbedingt, diese zulasten der Interessen anderer einzufordern. Von einer guten Ausbildung profitieren nicht nur die Rechtspflegerkollegen selbst, sondern die Rechtsuchenden, deren Anliegen sachgerecht bearbeitet werden. An Grundbuch- oder Registereintragungen können sich Schicksale entscheiden. Und deshalb setze ich mich zur Wehr, wenn in Umbruchzeiten wie der Grundbuchamts- und Notariatsreform der leichte Weg statt des richtigen beschritten wird.


    Nimmt man die normale Ausbildungszeit der mittleren Beamten und den "Crash"-Kurs von 8 Monaten zusammen, kommt man fast auf die selbe Zeit wie das Rechtspfleger-Studium. Ich habe das normale Rechtspflegerstudium absolviert und in der vorderen Hälfte abgeschlossen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ein Kollege, der jetzt frisch aus dem Crash-Kurs kommen würde, GB-Sachen deutlich besser bearbeiten könnte als ich, weil meine GB-Kenntnisse doch schon etwas (Euphemismus! :teufel:) eingerostet sind. Zudem halte ich die Crash-Kurs-Absolventen auch für besser geeignet als Absolventen des normalen Rpfl-Studiums, die gerade so mit Mühe und Not bestehen. Mit deiner Argumentation dürften ja nur die Leute mit einem mindestens "guten" Examen auf GB ... aber davon gibt es einfach zu wenig. Und die rechtssuchenden Bürger profitieren durchaus auch von den vermeintlich etwas schlechter ausgebildete Kollegen, denn die sind da und bearbeiten ihre Anliegen, was immer noch besser ist, als dass diese wegen zu wenig Personal liegen bleiben und dann vielleicht irgendwann mal von einem zwar vermeintlich besser ausgebildeten Kollegen bearbeitet werden, der aber aufgrund der Belastung so neben der Spur ist, dass er Flüchtigkeitsfehler macht.
    Man kann hier ewig weiterdiskutieren, und ja, ihr habt recht, natürlich hätte man vorher mal dran denken können, dass man im Zuge der Reform mehr Leute braucht und die rechtzeitig ausbilden können. Aber jetzt deswegen rumzuheulen hilft auch nicht weiter, sondern es müssen kurzfristige Lösungen her. Und unter diesen Bedingungen finde ich die "Crash"-Kurse nicht ganz verkehrt.
    Auf jeden Fall besser als den Lösungsansatz eines anderen tüchtigen Beitragsschreibes hier, der lieber in dem ewig gleichen Mantra die Unfähigkeit des Dienstherrn kritisiert, den Stillstand der Rechtspflege und überhaupt den gesamten Untergang der Justiz rumposaunt.
    Mir als Rechtspfleger liegt viel an einer funktionierenden Justiz, und wenn irgendwo der Karren gegen die Wand zu fahren droht und bereits schon gefahren ist, dann stelle ich mich nicht daneben, sage "ich habs gleich gewußt" und zeige mit dem Finger auf die Verantwortlichen, sondern versuche zunächst mal, die Kiste wieder flott zu kriegen und die Schäden zu beheben. Meine Ansicht.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Zwischenzeitlich haben ganze Nachlass- und Betreuungsabteilungen Überlastungsanzeigen erstattet.

    Soviel ich weiß sogar die Mehrheit, wenn nicht sogar alle. Und zwar die Servicemitarbeiter und die Entscheider.

  • Ein allgemeiner Dauerzustand an den sich die entsprechenden Stellen wohl gewöhnt haben dürften. Oder was habt ihr für Reaktionen auf die Überlastungsanzeigen erhalten?

    Eine Überlastungsanzeige ist zu erst einmal ein Eigenschutz. Dass nämlich Dir der böse Dienstherr wegen möglichen Fehlern nicht so leicht in die Karre fahren kann.
    Darüber hinaus sind diese Anzeigen sicher dem Ministerium bekannt, eine direkte Reaktion darauf wirst Du jedoch vermissen. Man reagiert nicht auf normale Leute, welche unnormale Zustände schildern.

  • Ein allgemeiner Dauerzustand an den sich die entsprechenden Stellen wohl gewöhnt haben dürften. Oder was habt ihr für Reaktionen auf die Überlastungsanzeigen erhalten?

    Eine Überlastungsanzeige ist zu erst einmal ein Eigenschutz. Dass nämlich Dir der böse Dienstherr wegen möglichen Fehlern nicht so leicht in die Karre fahren kann.
    Darüber hinaus sind diese Anzeigen sicher dem Ministerium bekannt, eine direkte Reaktion darauf wirst Du jedoch vermissen. Man reagiert nicht auf normale Leute, welche unnormale Zustände schildern.

    Nachtrag: Was sollte der oberste Dienstherr auch tun? Die ganze Sache dem Landtag vorlegen und zugeben, dass man sich in jeder Hinsicht grandios verschätzt hat? Das kann man von diesen virtuellen Alleskönnern nicht erwarten. Wenn überhaupt, wird in aller Stille und punktuell nachgebessert, ohne dies groß in die Öffentlichkeit zu hängen. Wie immer eben bei grandiosen Fehleinschätzungen in der Politik.

  • Effektiver wäre wohl die Kleine Anfrage eines Landtagsabgeordneten
    http://www.landtag-bw.de/home/der-landt…n--antrage.html
    wie z. B. diejenige in der Drucksache 16 / 2991 vom 14. 11. 2017 zu den Wartezeiten in Grundbuchsachen
    https://www.landtag-bw.de/files/live/sit…0/16_2991_D.pdf
    oder diejenige zu den Arbeitsbedingungen von Lehrkräften an den Schulen in Baden-Württemberg in der Drucksache 16 / 3640 vom 06.03.2018
    https://www.landtag-bw.de/files/live/sit…0/16_3640_D.pdf

    Nur fragt sich, ob das nach nicht einmal 4 Monaten –auch im Hinblick auf die Umstellung auf neue Software- Sinn macht.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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