Anfechtung bzw. alles zu spät!

  • Hallo liebe Kollegen ich brauch mal euren Input:

    Folgender Sachverhalt:

    Vater verstirbt (Mutter vorverstorben) und hinterlässt 6 Kinder.

    Es gibt Bargeld in 6-stelliger Höhe zu erben! Ein Testament ist nicht vorhanden.

    Der Sohn Sven (Name von mir geändert) hat das Erbe vorm Notar ausgeschlagen. Sven leidet an frühkindlichem Hirnschaden, steht jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht unter Betreuung.

    Die Tochter Tamara (Name von mir geändert) sagte Sven, er habe mit dem Erbe nur Laufereien und vereinbarte für Sven diesen Ausschlagungstermin beim Notar, wo sie Sven sogar persönlich vorbei brachte.

    Der Notar beurkundete die Erbausschlagung von Sven.

    Kurze Zeit später beantragte Tamara für sich und in Vollmacht der anderen Geschwister den Erbschein, welchen sie auch bekam.

    Einige Monate später meldet sich beim Nachlassgericht das Sozialamt, die Wind von der Sache bekamen, und fragten an, warum Sven nicht mit auf dem Erbschein steht, da er ja Leistungen bezieht und gesetzlicher Miterbe wäre.


    Auf die Mitteilung hin, dass Sven ausgeschlagen hat, wurde ein Betreuungsverfahren für Sven angeregt.

    Im Betreuungsverfahren wurde festgestellt, dass Sven vollumfänglich betreuungsbedürftig ist. Ein Berufsbetreuer ist nun bestellt unter anderem mit dem Aufgabenkreis "Regelung der Erbschaftsangelegenheiten" (Anfechtung der Erbausschlagung).

    Dieser Berufsbetreuer hat einen Rechtsanwalt beauftragt. Der Rechtsanwalt hat die Anfechtungserklärung als einfachen Schriftsatz eingereicht hat. Durch gerichtliches Schreiben wurde der Rechtsanwalt auf die Formunwirksamkeit aufmerksam gemacht und ihm erläutert, wie es richtig geht.

    Inzwischen sind 2,5 Monate vergangen ohne neuen Posteingang in der Akte und ohne formgerechte Anfechtungserklärung.

    Kann das Nachlassgericht noch etwas für Sven tun?

    Ich vermute mal nein und damit weglegen!

  • in der Literatur gibt es ja auch die Meinung, dass das Sozialamt die Ausschlagung anfechten kann. Seltsam, dass das Sozialamt das nicht für sich prüft.

    Du als Nachlaßgericht hast keine Veranlassung hier noch irgend etwas zu tun.

    Ich habe gerade den gleichen Fall als Betreuungsrechtspfleger. Mal sehen wie das bei mir ausgeht.

  • Wenn Sven wegen des Hirnschadens bei Abgabe der Ausschlagungserklärung (unerkannt) geschäftsunfähig war, ist die Ausschlagung ohnehin unwirksam. Auf eine Anfechtung kommt es dann nicht an.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Was aber vom Betreuer vorgetragen und durch ärztliches Gutachten nachzuweisen wäre.

    Und außer in klaren Fällen halten sich die Gutachter sehr bedeckt, was die rückwirkende Beurteilung der Geschäftsfähigkeit betrifft.

    Hinzu kommt ja noch, dass der Notar vor der Beurkundung die Geschäftsfähigkeit gesprüft hat.

  • Spielt keine Rolle. Die Geschäftsfähigkeit des Erschienenen ist zwar immer zu beachten. Hält der Notar sie für nicht gegeben, muß er seine Amtstätigkeit verweigern, hält er sie für zweifelhaft, muß er dies vermerken.

    Aber es ist nicht so, als ob das Fehlen dieses Vermerkes den Erschienenen geschäftsfähig macht. Ob der Notar den Erschienenen für geschäftsfähig hält (oder halten durfte) oder nicht ist also für die Frage, ob der Betroffene tatsächlich geschäftsunfähig war, egal. Sonst gäbe es ja auch die Figur des "unbekannt Geschäftsunfähigen" nicht.

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  • Ich denke über die Geschäfts(un)fähigkeit braucht man hier nicht zu diskutieren.
    Jemand der unter Betreuung steht ist ja deshalb nicht geschäftsunfähig. Geschäftsunfähigkeit muss durch Einwilligungsvorbehalt festgestellt werden und das wurde es nicht und ist es bis heute nicht.

    Viel wichtiger ist doch die Sache, das Sven wegen seiner geistigen Behinderung gar nicht in der Lage war den Sachverhalt ausreichend zu überblicken und wahrscheinlich von seiner Schwester über den Tisch gezogen wurde, denn ich glaube kaum, dass er selbst auf die Idee gekommen wäre beim Notar eine Erbausschlagung zu erklären, zumal sie sogar am Wohnort von Tamara und nicht von Sven erfolgte!

    Außerdem tut es mir leid für Sven, dass sein bestellter Betreuer und der, von diesem, beauftragte Rechtsanwalt nicht in der Lage waren fristgerecht die formgerechte Anfechtung der Ausschlagung zu erklären!

    Traurig, traurig!

  • Ich denke mal in Nachlasssachen geht angesichts eines notwendigen Sterbefalls grs. immer traurig zu.:)
    Mehr wie #2 sehe ich weiter nicht.

  • Als NLG ist nichts weiter zu veranlassen, als die Betreuungsabteilung zu informieren.

    Praktisch ist Sven auch nicht wirklich ein Schaden entstanden, da das Sozialamt das Erbe sowieso mehr oder weniger "einziehen" würde.

    Das heißt aber nicht, dass ich das alles richtig finde. Weder von der Schwester noch von allen anderen Beteiligten.
    Von den Beurkundungen könnte ich auch ein Lied singen... Und der Betreuer sowie auch der von ihm beauftragte RA waren wohl auch nicht so ganz tüchtig. :daumenrun

    Ändert aber an der Sache nichts. Als NLG können (und sollten) wir da nichts weiter machen.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Was ist mit der Amtsermittlungspflicht passiert? Im Raum steht eine Geschäftsunfähigkeit, die ggf. schon immer besteht (frühkindlicher Hirnschaden). Ich würde mal sagen: Sachverständigengutachten! Und dann ggf. Erbscheinseinziehung.

  • Absolut! Nach dem hier vorgetragenen ist der Erbschein unrichtig. Im Rahmen der Amtsermittlungspflicht muss dies geklärt werden, damit der ES ggf. eingezogen werden kann.

    Aber die Geschäftsunfähigkeit muss der Betreuer (nun endlich) geltend machen, von sich aus darf es das NG im Erbscheinsverfahren nicht prüfen (Beschränkung auf angebotene Beweismittel).

  • Praktisch ist Sven auch nicht wirklich ein Schaden entstanden, da das Sozialamt das Erbe sowieso mehr oder weniger "einziehen" würde.

    Das ist ein Irrglaube, das Sozialamt stellt zwar vorübergehend die Hilfe ein bis der Nachlass verbraucht ist, aber in dieser Zeit als Selbstzahler hindert niemand den Betreuer aus dem Nachlass Wohltaten für Sven zu bezahlen. Es hätte also tatsächlich was vom Erbe.

  • Absolut! Nach dem hier vorgetragenen ist der Erbschein unrichtig. Im Rahmen der Amtsermittlungspflicht muss dies geklärt werden, damit der ES ggf. eingezogen werden kann.

    Aber die Geschäftsunfähigkeit muss der Betreuer (nun endlich) geltend machen, von sich aus darf es das NG im Erbscheinsverfahren nicht prüfen (Beschränkung auf angebotene Beweismittel).

    Es geht um die Einziehung des Erbscheins und demzufolge um ein Amtsverfahren.

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