Notarielles Testament und Erbunwürdigkeit

  • Folgender Fall:
    Erblasser hat ein notarielles Testament errichtet und darin einen Neffen als Alleinerben eingesetzt.
    Das Testament wurde von mir eröffnet. Zeitgleich wurden von den sonstigen Verwandten ( ges. Erben) Einwendungen erhoben, dass der Alleinerbe erbunwürdig sei. Sie wenden sich gegen die Aushändigung des Testaments mit Eröffnungsniederschrift an den Alleinerben, da dieser dann ja einen offiziellen Erbnachweis ( auch zur Grundbuchberichtigung) in Händen hätte. Klage auf Feststellung der Erbunwürdigkeit wurde noch nicht eingereicht.

    Kann ich unter diesen Voraussetzungen die begl. Abschriften des Testaments und der Niederschrift hinausgeben bzw. mit welcher Rechtsgrundlage kann ich die Aushändigung verweigern?

    Besten Dank bereits jetzt für die Antworten

  • Ich sehe nicht, wie man wegen der (angeblichen) Erbunwürdigkeit die Herausgabe verweigern könnte.

    Hier zeigt sich übrigens in aller Klarheit, warum die Rechtsprechung des BGH über die Entbehrlichkeit von Erbscheinen in den Fällen, in denen es (mindestens) ein eröffnetes notarielles Testament gibt, so katastrophal für die Rechtssicherheit ist.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Die Versendung des Eröffnungsprotokolls mit Testament muss erfolgen. Aber wenn begründete Zweifel an der Erbfähigkeit des gewillkürten Erben bestehen und der Rechtstreit am Anlaufen ist, muss das Gericht von Amts wegen eine Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB anordnen um den Nachlass solange zu sichern, bis die Erbfolge feststeht. Der Wirkungskreis Erbenermittlung kann dann regelmäßig bei der Bestellung entfallen.

    Mit der Anordung der Pflegschaft haben dann bereits beide Parteien die Möglichkeit, eine erste "Schlacht" miteinander beim OLG zu "kämpfen", sofern einer davon (wohl der angeblich Erbunwürdige) mit der Bestellung nicht einverstanden ist....jedenfalls kann man bei dem Sachverhalt als Nachlassgericht nicht einfach die Augen verschließen und sich auf die BGH-Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit von Erbscheinen berufen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Kann ich unter diesen Voraussetzungen die begl. Abschriften des Testaments und der Niederschrift hinausgeben bzw. mit welcher Rechtsgrundlage kann ich die Aushändigung verweigern?

    Wurde vom Alleinerben denn eine begl. Abschrift beantragt? Falls es "nur" um die Mitteilung geht, genügt auch eine einfache Kopie.

  • Zwei Anmerkungen:
    1.Der Alleinerbe hat eine begl. Abschrift ausdrücklich beantragt

    2. Zur Anordnung einer Nachlasspflegschaft habe ich so meine Bedenken. ( Kosten!)
    Wie kann ich als Nachlassgericht begründete Zweifel an der Erbwürdigkeit/-unwürdgkeit haben. Ich müsste dabei ja bereits in die Erfolgsaussichten einer entsprechenden Klage einsteigen und diese prüfen. Das geht für das Nachlassgericht wohl etwas zu weit.

    Für die Erhebung der Klage haben die Beteiligten 1 Jahr Zeit. Ich kann doch beim besten Willen nicht solang den testamentarischen Erben vertrösten.
    Ich denke dass bei Feststellung der Erbundwürdigkeit im Prozess dann nach Urteil ( das kann ja auch Jahre dauern) Schadensersatzansprüche gegen den Erben bestehen.

  • Wäre ich der gesetzliche Erbe, würde ich eine Pflegschaft beantragen. Wie gesagt: Bereits gegen die Anordnung der Pflegschaft haben die Beteiligten ein Rechtsmittel.

    Sobald aber die Klage eingereicht ist, würde ich (sofern das NLG davon erfährt) auf jeden Fall von Amts wegen eine NLP anordnen.

    Kosten sind kein Argument, wenn es um die Sicherung der Rechte der tatsächlichen Erben geht. Und wer tatsächlich Erbe wird, ist ja zumindest nach Einreichung der Klage zweifelhaft.

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  • Ich halte den Sachverhalt noch für etwas zu dünn. Wie alt ist das Testament ? Warum hat die Erblasserin es nicht geändert ? Wollte sie nicht oder konnte sie nicht ? Woraus ergibt sich die Erbunwürdigkeit ? Mißgünstige oder neidische Erben können doch nicht einfach das Verfahren behindern und den Rechtspfleger anweisen,die Benachrichtigung und das Eröffnungsprotokoll sowie das Testament nicht zu übersenden. Wenn man Bedenken hat ,kann man ja das Grundbuchamt informiern ,dass eventuell Erbunwürdigkeit vorliegen kann. Dann entscheidet der dortige Kollege, ob er das Grundbuch schon berichtigt oder evtl. einen Erbschein verlangt.

  • Eine nach den Umständen des Einzelfalls denkbare - aber noch nicht erfolgte - Testamentsanfechtung oder eine möglicherweise in Betracht kommende - aber noch nicht im Klagewege geltend gemachte - Erbunwürdigkeit rechtfertigen grundsätzlich noch keine Anordnung einer Nachlasspflegschaft.[1] Im Einzelfall kann es sich aber auch anders verhalten, wenn die Testamentsanfechtung oder die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit seitens der hierzu Berechtigten bereits ernsthaft angekündigt wurde[2] oder wenn es das Nachlassgericht für geboten erachtet, wegen des gewaltsamen Todes des Erblassers und anhängiger strafrechtlicher Ermittlungen gegen den als Alleinerben eingesetzten Ehegatten noch andere als gesetzliche Erben in Betracht kommende Personen zu ermitteln und im Erbscheinsverfahren anzuhören.[3]


    [1] BayObLG Rpfleger 2002, 363 = FamRZ 2002, 1349 = FGPrax 2002, 122; BayObLG Rpfleger 2004, 218 = FamRZ 2004, 1067.
    [2] BayObLG Rpfleger 2002, 363 = FamRZ 2002, 1349 = FGPrax 2002, 122; OLG Schleswig FamRZ 2011, 1898 = NJW-RR 2011, 1643.
    [3] BayObLG Rpfleger 2004, 218 = FamRZ 2004, 1067.

  • Danke für die Antworten.
    Die Aussage von Cromwell überzeugt mich. Die Erbunwürdigkeit ist im vorliegenden Fall an den Haaren herbeigezogen und rechtfertigt nach meiner Meinung keinesfalls eine Klage. Ich denke also, dass ich um eine Hinausgabe der Unterlagen an den testamentarischen Erben nicht umhin komme. Sollte später irgendwann einmal die Erbunwürdigkeit festgestellt werden, so sind entsprechende Ersatzansprüche gegen den Erben gesondert zu prüfen.


  • Die Erbunwürdigkeit ist im vorliegenden Fall an den Haaren herbeigezogen und rechtfertigt nach meiner Meinung keinesfalls eine Klage.

    Wenn das Deine Überzeugung ist, dann hätte ich von Anfang an kein Problem mit der Erteilung der begl. Abschriften gehabt. Ich ging davon aus, dass was "dran" ist, an der Behauptung.

  • ....Danke Uschi. So habe ich es auch gesehen....viel Wind um nichts :D

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