Anrechnung Geschäftsgebühr bei Vergleich?

  • Ich habe folgenden Fall:

    Außergerichtlich:

    Es werden von den Klägern außergerichtliche RA-Kosten in Höhe von insgesamt 945,93 € verlangt (GG 760,50 € zzgl MwSt). Darauf bezahlt der Beklagte 650,34 €. Es wurde nicht ausgewiesen auf was genau gezahlt wurde.

    Klageverfahren:

    Der Kläger klagt mit der Hauptforderung zusätzlich die offene Differenz der vorgerichtlichen Tätigkeit i.H.v. 295,59 € ein.

    Es wird ein Vergleich geschlossen, in dem es unter anderem heißt:

    ... Der Beklagte zahlt an den Kläger ... nebst weiteren 150,00 € auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten. Damit sind sämtliche streitgegenständliche Ansprüche einschließlich vorgerichtlicher Anwaltskosten erledigt.
    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 68 % und der Beklagte zu 32 %.

    Nun teilt der Beklagte mit, dass eine Anrechnung zu erfolgen hat.

    Leider wurde hier weder im Klageantrag, noch im Vergleich angegeben, auf was genau gezahlt wurde. Theoretisch sind nun 145,59 € offen. Ob hierbei nur die GG oder möglicherweise die Auslagenpauschale ect. betroffen ist bleibt unklar. Ein genauer Betrag ist nicht festzustellen und dahingehend auch nicht anrechenbar oder liege ich hier ganz falsch? Das Urteil des BGH, Beschluss vom 07.12.2010, VI ZB 45/10 betrifft nur den Fall, wen bezüglich den außergerichtlichen Kosten gar nichts beschlossen wurde.

    Laut RVG § 15 a Anrechnung einer GebührKlaus Winkler Mayer/Kroiß heißt es:


    Die vorgerichtlich angefallenen Gebühren sind vom Gegner vollständig bezahlt.Die vorgerichtlich auf Seiten des Antragstellers entstandene Geschäftsgebühr ist gegen den kostenpflichtigen Antragsgegner (anderweitig) in voller Höhe tituliert; in diesem Fall steht dem Anspruchsberechtigten ein vollstreckbarer Titel zu, so dass der Einwand der Anrechnung um die anteilige Gebühr im Sinne von Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV erhoben werden kann.

    Vollständig bezahlt und vollständig tituliert liegt bei mir ja nicht vor.

    Für eure Hilfe wäre ich sehr dankbar!

  • Ein genauer Betrag ist nicht festzustellen und dahingehend auch nicht anrechenbar oder liege ich hier ganz falsch?


    M. E. ist hier nichts anzurechnen, da nicht erkennbar ist, in welcher Höhe die GG abgegolten wird. Dazu das OLG Düsseldorf (AGS 2018, 148):

    "Der Vergleich stellt auch keinen die Anrechnung gemäß § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG rechtfertigenden Vollstreckungstitel bezüglich der Geschäftsgebühr dar. Es kann dahinstehen, ob von einer Titulierung durch den Vergleich dann ausgegangen werden könnte, wenn der Vergleich eine unmissverständliche Regelung enthielte, wonach die entsprechende Gebühr in einer bestimmten Höhe abgegolten werde. Jedenfalls für den Fall, dass der Vergleich eine solche ausdrückliche Regelung nicht enthält, stellt er keinen Vollstreckungstitel für die Geschäftsgebühr gegen den Dritten dar. Dies folgt schon daraus, dass nur dann, wenn der Vergleich die Geschäftsgebühr als eigenen bezifferten Gegenstand ausweist, konkret festgestellt werden kann, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr auf die entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Auch der Wortlaut des § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG macht das Erfordernis einer betragsmäßigen Bezifferung des Anspruchs deutlich. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, "soweit … wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht"."


    Insoweit ist eine Auslegung des Vollstreckungstitels auch nur anhand des Vergleiches zulässig. Auf die Prozeßakten oder der vor Vergleichsschluß gestellten Anträge kann nicht zurückgegriffen werden (BGH, AGS 2011, 6 = NJW 2011, 861, Rn. 10)

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Ich hätte zu dem Thema auch noch einen Fall mit Besprechungsbedarf... :oops:

    Es ist folgender Beschluss ergangen:

    Gemäß § 278 Abs. 6 ZPO wird festgestellt, dass sich die Parteien entsprechend dem schriftlichen Vergleichsvorschlag d. Bekl. vom […] wie folgt verglichen haben:
    1. D. Bekl. zahlt an d. Kl. einen weitergehenden Betrag i. H. v. 472,94 €.
    2. Mit Abschluss dieses Vergleichs sind sämtliche Ansprüche […] erledigt.
    3. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs tragen d. Kl. zu 30 % und d. Bekl. zu 70 %.

    D. Kl.-V. macht die volle Verfahrensgebühr geltend. D. Bekl.-V. moniert, dass die Geschäftsgebühr (GG) anzurechnen sei, da diese bereits gezahlt worden sei. D. Kl.-V. teilt mit, dass eine Berücksichtigung im Vergleich nicht erfolgt ist und eine Anrechnung daher nicht vorzunehmen ist. Darauf antwortet d. Bekl.-V., dass die Ausführungen d. Kl.-V. an deren Ansicht nichts ändern würde. Es wurde folgendes v. d. Bekl.-V. geschrieben:

    "Insgesamt bestehen zugunsten d. Kl. Schadensersatzansprüche i. H. v. 4.546,91 €. Diese setzen sich aus dem außergerichtl. gezahlten Betrag i. H. v. 4.073,97 € sowie dem Vergleichsbetrag i. H. v. 472,94 € zusammen. Insofern hat d. Kl. gegenüber d. Bekl. einen Anspruch auf Zahlung außergerichtl. Rechtsanwaltsgebühren i. H. v. 492,54 €. Dieser Betrag wurde durch d. Bekl. bereits außergerichtl. in voller Höhe ausgeglichen. Da zwischen dem außergerichtl. gezahlten Betrag von 4.073,97 € und dem durch den Vergleichsbetrag erhöhten Betrag von 4.546,91 € kein Gebührensprung besteht, sind die außergerichtl. Rechtsanwaltsgebühren bzgl. der der Höhe nach berechtigten Schadensersatzansprüche in voller Höhe ausgeglichen. Insofern ist eine Anrechnung vorzunehmen."
    und weiter
    "[…] ergibt sich die vorzunehmende Anrechnung aus der Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG. Voraussetzung hierfür sei lediglich, dass eine solche GG tatsächlich angefallen ist. Darüber hinaus teilt das erkennende Gericht mit, dass eine Titulierung der außergerichtl. RA-Kosten nicht stattgefunden hat. Das erkennende Gericht verkennt jedoch bereits, dass es bereits in dem Klageantrag zu 2. heißt, dass eine Verurteilung zu außergerichtl. RA-Kosten i. H. v. 571,44 € abzgl. bereits gezahlter 492,54 € erfolgen soll. Streitgegenständlich waren mithin lediglich weitergehende außergerichtl. RA-Kosten i. H. v. 78,90 €. Ob bzgl. d. vorgenannten Betrages keine Titulierung erfolgt ist, mag dahinstehen. Bzgl. außergerichtl. RA-Gebühren ist tatsächl. bereits Erfüllung eingetreten. Unabhängig davon, dass sich aus der entspr. Vorbemerkung nicht ergibt, dass eine Titulierung erfolgen muss, muss sich d. Kl. jedenfalls hinsichtl. der v. d. Bekl. unstreitig ausgeglichenen GG i. H. v. 492,54 € die hälftige Anrechnung gefallen lassen. 'Die Anrechnung einer GG ist nach Abs. 2, 1. Var. entgegen dem Grundsatz dann im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen, wenn die erstattungspflichtige Partei die anzurechnende GG bereits gezahlt oder anderweitig erfüllt hat.' (So: Schneider/Wolf, Anwaltskommentar RVG, 7. Auflage, Bonn 2017, § 15a, Rn. 88)."

    Weiteres wurde von den Parteien nicht vorgetragen.

    Die Klageschrift lautet:

    "[…] beantragen:
    1. D. Bekl. wird verurteilt, an d. Kl. 5.643,09 EUR nebst Zinsen […] abzgl. am […] gezahlter 4.073,97 EUR zu zahlen.
    2. D. Bekl. wird verurteilt, an d. Kl. vorgerichtl. RA-Kosten i. H. v. 571,44 EUR nebst Zinsen […] abzgl. am […] gezahlter 492,54 € zu zahlen.
    3. […]"

    Ist die GG in diesem Fall anzurechnen oder nicht?
    Vielleicht liegt die Antwort auf der Hand, aber ich sehe vor lauter Schriftsätzen kaum noch durch, da auch zu einem anderen Thema gestritten wird, bei welchem ich nun schon weiß, wie ich entscheiden werde.

  • Ist die GG in diesem Fall anzurechnen oder nicht?


    Ja und nein. :D Zum einen handelt es sich hier nicht um die vom Kläger thematisierte Var. 2 (Titulierung) des § 15a Abs. 2 RVG. Mit dem Vergleich ist die GG nicht tituliert - das ist zwischen den Parteien wohl auch unstreitig. Vielmehr geht es hier um die vom Beklagten genannte Var. 1 (Erfüllung) des § 15a Abs. 2 RVG. Es ist offenbar unstreitig, daß die entstandene GG aus der Wertstufe bis 5.000 € = 393,90 € netto entstanden und - neben dem Hauptanspruch von 4.073,97 € - vom Beklagten vorgerichtlich erfüllt wurde.

    Das bedeutet aber auch, daß lediglich wegen der 472,94 € die Klage erhoben wurde. Also besteht auch nur bis zur Wertstufe bis 500 € die für die Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV notwendige Gegenstandsidentität. Also wäre die GG auch max. nach dieser Gebührenstufe mit 29,25 € auf die VG des Klageverfahrens anzurechnen, weil sie insoweit - offenbar unstreitig - vorgerichtlich bereits erfüllt wurde.

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Ist die GG in diesem Fall anzurechnen oder nicht?

    Ja und nein. :D Zum einen handelt es sich hier nicht um die vom Kläger thematisierte Var. 2 (Titulierung) des § 15a Abs. 2 RVG. Mit dem Vergleich ist die GG nicht tituliert - das ist zwischen den Parteien wohl auch unstreitig. Vielmehr geht es hier um die vom Beklagten genannte Var. 1 (Erfüllung) des § 15a Abs. 2 RVG. Es ist offenbar unstreitig, daß die entstandene GG aus der Wertstufe bis 5.000 € = 393,90 € netto entstanden und - neben dem Hauptanspruch von 4.073,97 € - vom Beklagten vorgerichtlich erfüllt wurde. Das bedeutet aber auch, daß lediglich wegen der 472,94 € die Klage erhoben wurde. Also besteht auch nur bis zur Wertstufe bis 500 € die für die Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV notwendige Gegenstandsidentität. Also wäre die GG auch max. nach dieser Gebührenstufe mit 29,25 € auf die VG des Klageverfahrens anzurechnen, weil sie insoweit - offenbar unstreitig - vorgerichtlich bereits erfüllt wurde.

    Herzlichen Dank!

  • Ist die GG in diesem Fall anzurechnen oder nicht?

    Ja und nein. :D Zum einen handelt es sich hier nicht um die vom Kläger thematisierte Var. 2 (Titulierung) des § 15a Abs. 2 RVG. Mit dem Vergleich ist die GG nicht tituliert - das ist zwischen den Parteien wohl auch unstreitig. Vielmehr geht es hier um die vom Beklagten genannte Var. 1 (Erfüllung) des § 15a Abs. 2 RVG. Es ist offenbar unstreitig, daß die entstandene GG aus der Wertstufe bis 5.000 € = 393,90 € netto entstanden und - neben dem Hauptanspruch von 4.073,97 € - vom Beklagten vorgerichtlich erfüllt wurde. Das bedeutet aber auch, daß lediglich wegen der 472,94 € die Klage erhoben wurde. Also besteht auch nur bis zur Wertstufe bis 500 € die für die Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV notwendige Gegenstandsidentität. Also wäre die GG auch max. nach dieser Gebührenstufe mit 29,25 € auf die VG des Klageverfahrens anzurechnen, weil sie insoweit - offenbar unstreitig - vorgerichtlich bereits erfüllt wurde.

    Herzlichen Dank!

    Wie kommst du jetzt auf 472,94 €?

    Es geht ja noch um eine restliche Hauptforderung von 1.569,12 € und die Differenz der außergerichtlichen RA-Kosten von 78,90 €, da die Geschäftsgebühr für die gesamten 5.643,09 € gewollt ist, aber nur bis zu der Wertstufe der bereits gezahlten 4.073,97 € gezahlt wurde.

  • Wie kommst du jetzt auf 472,94 €?

    Es geht ja noch um eine restliche Hauptforderung von 1.569,12 € und die Differenz der außergerichtlichen RA-Kosten von 78,90 €, da die Geschäftsgebühr für die gesamten 5.643,09 € gewollt ist, aber nur bis zu der Wertstufe der bereits gezahlten 4.073,97 € gezahlt wurde.


    Ah, okay. Dann habe ich den Sachverhalt nicht richtig gecheckt. Dachte, der Vergleichsbetrag entspricht der Differenz des begehrten Schadensersatzes. Dann wären natürlich 97,50 € (0,65 aus Wertstufe bis 2.000 €) anzurechnen, weil insoweit Gegenstandsidentität herrscht und die GG vorgerichtlich höher (i. H. v. 393,90 €) erfüllt wurde.

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!