Nacherbenbestimmung durch Vorerbin

  • In meiner Akte gibt es ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich beide Ehegatten zu Vorerben einsetzen und es dem länger lebenden Ehegatten freigestellt ist, Nacherben zu bestimmen.
    Weiter heißt es in der Vfg. v. T. w., dass von jeglichem Erbe die Verwandten mütterlicher- wie väterlicherseits ausdrücklich ausgeschlossen sind.

    Nun erhalte ich einen Erbscheinsantrag eines Notars, in dem ein Erbschein dahin gehend beantragt wird, dass die Ehefrau des Erblassers Alleinerbin ist, Nacherbschaft angeordnet ist, die Nacherben jedoch noch nicht bestimmt sind und insoweit der Ehefrau das Bestimmungsrecht zusteht.

    Hiermit hab ich so meine Probleme.

    Ich habe allerdings bisher nur eine Entscheidung des OLG Hamm vom 06.07.1995 gefunden, in dem entschieden wurde, dass für den Fall, dass der Erblasser entgegen § 2065 II BGB es dem Vorerben überlassen hat, den Nacherben zu bestimmen, dies dem Fall gleichzustellen ist, in dem der Erblasser keine Bestimmung des Nacherben vorgenommen hat. In diesem Fall wäre dann § 2104 S. 1 anzuwenden.

    In meinem Fall kann ich doch aber den § 2104 S. 1 gar nicht anwenden, da der Erblasser einige Personen, die eventuell beim Eintritt des Nacherbfalls seine gesetzlichen Erben wären, als Nacherben ausgeschlossen hat.

    Der Erblasser hat zwar eine Tochter, aber ich weiß ja jetzt noch gar nicht, ob diese beim Eintritt des Nacherbfalls noch lebt oder ob dann Erben der 2. Ordnung die gesetzlichen Erben des Ehemannes wären, die ja gerade nicht Erben werden sollen.

    Auch die Entscheidung des OLG Hamm vom 24.08.2006 kann ich auf meinen Fall nicht anwenden, da die Auslegungsregel des § 2104 BGB nicht greift.

    Hat jemand von euch eine Idee, wie man das Problem lösen könnte?

    Außerdem hab ich noch einmal eine generelle Frage zum Erbscheinsantrag, wenn Nacherbschaft angeordnet ist:

    Ich benötige dann doch im Erbscheinsantrag alle Angaben, die ich in den Erbschein gemäß § 2363 BGB aufnehmen müsste (d. h. Angabe, dass Nacherbfolge angeordnet ist; unter welcher Voraussetzung die Nacherbfolge eintritt; wer Nacherben und Ersatznacherben sind; ob das Nacherbenanwartschaftsrecht vererblich ist oder nicht; falls die Vorerbin befreit sein soll, die Angabe, dass sie befreite Vorerbin ist) oder sehe ich das falsch?

    Der Notar schreibt nämlich lediglich das in seinen Antrag, was ich oben bereits aufgeführt habe.

    Angaben zu Nacherben/Ersatznacherben, Voraussetzung des Eintritts der Nacherbfolge, zur Vererblichkeit und ggf. zur Befreiung fehlen hier komplett.

  • Wurde das Testament tatsächlich so beim Notar formulier/gemacht? Oder war eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung mit der Möglichkeit der freien Schlusserbeneinsetzung durch den überlebenden Ehegatten gedacht?

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Ich würde insgesamt zu dem Ergebnis kommen, dass eine Vor- und Nacherbfolge im strengen Sinne gar nicht gewollt war, schon allein wegen dem Verstoß gegen 2065 II BGB, dass der Ehegatte jetzt alleiniger Vollerbe ist mit der Möglichkeit, Schlusserben nach freiem Ermessen zu bestimmen. Bestimmt er dies ist, ist es praktisch auch eine Bestimmung dahingehend, dass es letztlich die gesetzlichen Erben des überlebenden Ehegatten werden, ggf. unter Ausschluss der genannten Personen.
    Vom Ergebnis her entspricht es ja dem, was hier völlig laienhaft zu Papier gebracht wurde. Es ist auch nicht vorstellbar, dass bei den geschilderten Formulierungen während der Zeit der Vorerbschaft der Vorerbe irgendwelchen Einschränkungen oder Zustimmungen nicht bestimmter Nacherben unterliegen soll. Das alles spricht für mich für eine uneingeschränkte Vollerbschaft. Anders kann man sich aus der völlig misslungenen Verfügung gar nicht herausretten.
    Man sollte sich zudem in einer Anhörung mit dem überlebenden Ehegatten mal Verständnis dafür verschaffen, wer mit den "Verwandten mütterlicher- und väterlicherseits" gemeint sein soll.

  • In die - bereits von TL angedeutete - Richtung habe ich selbst tendiert.

    Als ich den SV gelesen habe , habe ich mich allerdings gefragt; ob nicht Monty Python bereits jetzt schon zurück sind.:D

  • Danke für eure schnellen Antworten.

    Ich hab auch noch einmal bei beck-online nachgesehen:

    Im Münchener Kommentar BGB, § 2065 Rn. 18 ff. heißt es:

    "...vielmehr führt bei diesen Verfügungen (Vorerbe wird das Recht gegeben, Nacherben aus einen bestimmten Personenkreis auszuwählen) kein Weg an der Feststellung vorbei, dass dem Vorerben die Entscheidung über den Inhalt der Verfügung des Erblassers übertragen wird. Daher sind solche Verfügungen nur insoweit zulässig, als auch sonst eine Erbenbestimmung einem Dritten überlassen werden kann. Zulässig ist also eine Ermächtigung des Vorerben, den Nacherben aus einem bestimmten Personenkreis nach sachlichen Kriterien auszuwählen(...) Die Bestimmung des Nacherben kann dagegen nicht dem freien Willen des Vorerben überlassen werden...

    Wird die Bestimmung des Nacherben dem Vorerben übertragen, ohne dass der Erblasser einen bestimmten Personenkreis benennt und hinreichend genaue Auswahlkriterien vorgibt, so ist diese Verfügung nichtig.

    Die weiteren Konsequenzen sind durch Auslegung unter Berücksichtigung des gesamten Testaments und der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Dabei sollte man verschiedene Auslegungsschritte unterscheiden.

    Zunächst ist zu klären, ob der Erblasser auch für den Fall eine Nacherbfolge anordnen wollte, dass sich die von ihm getroffene Regelung für die Auswahl der Nacherben als unwirksam erweisen würden. (...) kann auch dem Willen des Erblassers entsprechen, dann lieber eine Vollerbschaft des primär Eingesetzten anzuordnen, so dass dieser im Rahmen der Verfügungen über seinen Nachlass auch das weitere Schicksal des vom Erblasser stammenden Vermögens bestimmen kann..."

    Ich würde das obige dem Notar so sinngemäß schreiben mit der Bitte um eventuelle Stellungnahme.

    Meiner Auffassung nach ist hier dann eine Vollerbeneinsetzung der Ehefrau gewollt und diese kann dann im Rahmen der Bestimmungen des gemeinschaftlichen Testamentes (handschriftlich von den Ehegatten verfasst, nicht durch Notar aufgenommen) über den Nachlass verfügen.
    Dann dürfte die Ehefrau nicht die Verwandten väterlicher- wie mütterlicherseits einsetzen: vermutlich gehen dann nur die Abkömmlinge (haben ja ein Kind zusammen).
    Ich werde es in das Anschreiben an den Notar aufnehmen und auch um Stellungnahme hierzu bitten, damit dann beim 2. Erbfall ein wenig Klarkeit darüber besteht, was mit dieser Formulierung gemeint ist.

    Mal sehen, was der Notar so antworten wird.

  • ....gemeinschaftlichen Testamentes (handschriftlich von den Ehegatten verfasst, nicht durch Notar aufgenommen)

    Dann scheint es mir so, als müsse man einfach die laienhafte Wortwahl dahingehend auslegen, dass so wie von mir in #3 beschrieben gewollt war. Die Angabe, dass die Verwanten mütterlicher- und väterlicherseits nichts erben sollen, würde ich dann als Motivangabe sehen.

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