Wirksame Anfechtung?

  • Hallo zusammen,
    habe einen Fall, bei dem ich nicht wirklich weiter weiß. Vielleicht hat von Euch jemand eine Idee....

    Sachverhalt:
    E stirbt am 08.05.2013 und hinterlässt 2 Töchter und 1 Ehefrau. Kein Testament. Die Ehefrau scheidet aufgrund eines Erbverzichts als gesetzliche Erbin aus. Tochter 1 hat wirksam ausgeschlagen. Nun zu Tochter 2....
    Wie so oft hatte der Verstorbene keinen Kontakt (und auch die Angehörigen nicht), so dass es ewig gedauert hat, bis wir Tochter 2 ermittelt hatten.
    Ich habe mit ihr am 10.10.2013 telefoniert, unser Schreiben mit Hinweis zur Ausschlagung hat sie am 15.10.2013 erhalten. Am 02.11. geht ihre Ausschlagungserklärung ein. Auf den 1. Blick alles fein, ABER:
    Am 16.08.2013 hat die Ehefrau hier vorgesprochen und angegeben (Protokoll in der Akte!) die Tochter bereits im Mai von dem Tod, den vorhandenen Schulden und der Ausschlagungsfrist informiert zu haben. In dem mit mir geführten Telefonat hat Tochter 2 zumindest bestätigt, Kontakt mit der Ehefrau gehabt zu haben, was die sagt "interessiere sie aber nicht".

    Ich habe Tochter 2 also darauf hingewiesen, dass ich davon ausgehe, dass ihre Ausschlagung unwirksam ist und sie ihren Sicherungspflichten nachkommt (zum Nachlass gehört GB). Nun geht die Anfechtungserklärung ein mit der Begründung, von den Schulden und dem Erbverzicht sei ihr gar nichts bekannt gewesen. Dies habe ihr die Ehefrau entgegen deren Aussage nicht gesagt.

    Und nun???? Es steht "Aussage gegen Aussage". Mein Problem ist der Grundbesitz. Nachlasspflegschaft? Finde ich persönlich irgendwie inkonsequent, weil ich dann ja quasi von einer wirksamen Anfechtung ausgehen würde....

  • Eine Nachlasspflegschaft kann auch angeordnet werden, wenn Zweifel oder Unklarheit darüber besteht, ob die Annahme der Erbschaft wirksam angefochten wurde. Und da Aussage gegen Aussage steht, wird es wohl schwierig sein, der Tochter etwas Gegenteiliges nachzuweisen. Sicherungsbedürfnis ist bei Grundbesitz sowieso anzunehmen. Ich würde Nachlasspflegschaft anordnen.

  • Würde der Tochter mitteilen, dass aus Sicht des NL-Gerichtes Sicherungsbedürfnis bezgl. des Grundstückes vorliegen dürfte und beabsichtigt ist, eine Nachlasspflegschaft einzurichten. Diese Kosten sind aus dem Nachlass zu zahlen. Rechtliches Gehör und wenn sie sich nicht meldet, kann m.E. Nachlasspflegschaft eingerichtet werden (nur für das Notwendigste). Bekommt man einen Gläubiger nicht soweit, dass der nen Erbscheinsantrag stellt? Urkunden sind ja überschaubar. Dann hätte man über kurz oder lang aber wenigsten dann im Erbscheinsverfahren ne Klärung, ob die Tochter oder ob sie nicht Erbe geworden ist.

  • Weiß ich denn, ob es stimmt, was die Ehefrau zu Protokoll gegeben hat ? Vielleicht hat die Tochter wirklich nicht zugehört. Ich nehme derartige Dinge gar nicht ins Protokoll auf, dann komme ich nicht zu solchen Problemen wie dem hier vorliegenden.
    Ich würde eine Nachlasspflegschaft anordnen. Anhörung der Tochter halte ich nicht für notwendig. Im Zweifel wird der Nachlass doch überschuldet sein, so dass es darauf hinauslaufen wird, dass der Nachlasspfleger das Grundstück veräußert, Schulden soweit möglicht begleicht und die Sache damit erledigt sein wird.

  • Ich nehme derartige Dinge gar nicht ins Protokoll auf, dann komme ich nicht zu solchen Problemen wie dem hier vorliegenden.


    So kann man's natürlich auch machen. Und dann wundert man sich darüber, dass die Justiz in Teilen der Bevölkerung für korrupt und/oder unfähig gehalten wird. :mad:

    In der Sache selbst: Kenntnis "von dem Tod, den vorhandenen Schulden und der Ausschlagungsfrist" reicht für Fristbeginn nicht aus. Hierzu ist auch Kenntnis sowohl vom Erbverzicht der Mutter als auch (soweit T2 Ersatzerbin anstelle von T1 aufgrund deren Ausschlagung ist) von der Ausschlagung durch T1 erforderlich.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ich denke, dass die Ausschlagungsfrist erst mit der gerichtlichen Mitteilung zu laufen begonnen hat. Zuvor wird es an den für eine positive Kenntnis (wie es das BGB fordert) erforderlichen Punkten fehlen. Doch auch wenn man sich nicht sicher ist, ob die Ausschlagung wirklich noch möglich war oder nicht, kommt man zum gleichen Ergebnis: Nachlasspflegschaft und das ohne weitere Anhörungen.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Fraglich ist doch, ob die ausschlagende/anfechtende Tochter vom Anfall der Erbschaft und dem Grund der Berufung Kenntnis hatte; war das tats. Gegenstand des Gesprächs mit der Mutter? Da müsste man evtl. nochmal nachhaken.

    Einstweilen ist aber unklar, wer tats. Erbe ist, und ein Sicherungsbedürfnis dürfte zu bejahen sein - deshalb würde ich eine NLP anordnen. Ob ein Gl. oder nachrückender Erbe (§ 1953 III BGB) einen ES-Antrag stellt, ist nicht absehbar. Ob eine "formelle" Prüfung der Wirksamkeit der Ausschlagungen und der Anfechtung jemals durchgeführt werden muss, ist daher zweifelhaft.

  • Danke für Eure Antworten.
    Ich werde nun wohl eine Nachlasspflegschaft einrichten. Vermutlich (hoffentlich) wird die Sache damit schnell erledigt sein....da ich mit der Tochter 2 ja selbst gesprochen (und einen entsprechenden Eindruck) habe, spricht für mich schon sehr vieles für die "Version" der Ehefrau...aber das wird sich wohl nicht nachweisen lassen....

    tom: Kenntnis vom Erbverzicht und der Ausschlagung der Tochter 1 halte ich nicht für erforderlich, da Tochter 2 ja nicht erst durch deren Ausschlagung berufen ist.

  • Die Tochter braucht doch nur zu sagen, dass sie zwar vom Tode und Anfall der Erbschaft Kenntnis hatte, aber nicht wusste, dass man eine Erbschaft innerhalb von 6 Wochen ausschlagen muss. Hätte sie dies gewusst, hätte sie garantiert bei dem gegebenen Sachstand die Erbschaft ausgeschlagen.
    Dies reicht doch schon für eine erfolgreiche Anfechtung, was vom Ergebnis her dem einer Ausschlagung entspricht. Auch dann würde man ja zu einer Nachlasspflegschaft kommen.

  • Die Tochter braucht doch nur zu sagen, dass sie zwar vom Tode und Anfall der Erbschaft Kenntnis hatte, aber nicht wusste, dass man eine Erbschaft innerhalb von 6 Wochen ausschlagen muss. Hätte sie dies gewusst, hätte sie garantiert bei dem gegebenen Sachstand die Erbschaft ausgeschlagen.
    Dies reicht doch schon für eine erfolgreiche Anfechtung, was vom Ergebnis her dem einer Ausschlagung entspricht. Auch dann würde man ja zu einer Nachlasspflegschaft kommen.

    Ja, aber das NLG muss sich mit damit auseinandersetzen, was sich aus den vorliegenden Erklärungen ergibt, und nicht mit dem, was hätte sein können, wenn ....

  • ... dann solltest du die Tochter aber wenigstens darauf hinweisen, dass sie ggf. eine Anfechtung erklären muss, weil eine Ausschlagung nicht mehr möglich war. Zwar wird grundsätzlich die Wirksamkeit einer EA erst im Erbscheinsverfahren geprüft, dennoch würde ich hier einen Hinweis wohl dennoch geben.

  • ... dann solltest du die Tochter aber wenigstens darauf hinweisen, dass sie ggf. eine Anfechtung erklären muss, weil eine Ausschlagung nicht mehr möglich war. Zwar wird grundsätzlich die Wirksamkeit einer EA erst im Erbscheinsverfahren geprüft, dennoch würde ich hier einen Hinweis wohl dennoch geben.

    Aber sie hat doch bereits eine Anfechtung erklärt. Und die Behauptung, sie hätte keine Kenntnis von der Frist gehabt, ist in diesem Falle problematisch.

    Am 16.08.2013 hat die Ehefrau hier vorgesprochen und angegeben (Protokoll in der Akte!) die Tochter bereits im Mai von dem Tod, den vorhandenen Schulden und der Ausschlagungsfrist informiert zu haben.


    Das Problem ist wie so oft bei Ausschlagungen und Anfechtungen, dass die relevanten Umstände nicht objektiv prüfbar sind.
    Da es auf tatsächliche Kenntnis und nicht auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme ankommt, würde ich aus der Behauptung, die Ehefrau hätte ihr nicht alles gesagt, zumindest entnehmen, dass sie die Informationen nicht bewusst aufgenpmmen hat und (wenn auch mit gewissen Zweifeln) von einer wirksamen Anfechtung ausgehen.

  • ja, die von mir genannten Entscheidungen stammen auch alle aus der Zeit vor 2009. An das OLG sind von uns noch gar nicht so viele Sachen gelangt, nachdem die Wirksamkeit nur im Erbscheinsverfahren geprüft werden soll. Zudem hat sich die Zahl dieser Beschwerden hier in den letzten Jahren erheblich reduziert.

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