Bedingte Erbeinsetzung? Pfleger für unbekannte Beteiligte erforderlich?

  • Hallo,

    ich brauche Eure Meinungen zu folgendem Sachverhalt.

    Privatschriftlichen Testament aus 2009. Erblasserin setzt R (R ist der geschiedene Ehegatte, Scheidung erfolgte bereits 1987)zum Alleinerben ein. Dann heisst es wörtlich: "Meine lieben Angehörigen sind leider alle verstorben. Ich lebe seit Jahren im Altersheim und wünsche und hoffe, dass mich R weiter betreut und hilft und es mit mir gut meint. Ich leide an ... und werde am ... operiert."
    Es sind keine Erben I. und II. Ordnung vorhanden, III. Ordnung nicht bekannt (Familie stammte aus Sudetenland). Nachlass ist ein hoher 6stelliger Betrag. R will Erbscheinsantrag stellen.

    Könnte der rote Teil eine Bedingung sein, die der Erbe beweisen muss oder ist es nur eine Motivangabe?

    Würdet Ihr in diesem Fall einen Pfleger einsetzten zur Mitteilung des Testamentes und zur Gewährung rechtlichen Gehörs?

  • Wäre ich dieser Pfleger, den man aber m.E. nicht bestellen muss :D, dann würde ich folgende Stellungnahme abgeben:

    Die Erbenstellung ist klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, so dass meines Erachtens auch dann von einer Erbenstellung des R ausgegangen werden kann, wenn dieser die Erblasserin nicht bis zum Tode pflegen würde, denn die Erblasserin führt lediglich Motive an, warum Sie ihn zum Erben einsetzt. So ist die Erblasserin seit Jahren ohne Angehörige und kümmert sich offenbar R trotz der Scheidung seit längerer Zeit um die Erblasserin. Insofern können die Ausführungen der Erblasserin hier m.E. nur als Motivangabe und nicht als bedingte Erbeinsetzung gesehen werden. Zudem die Erblasserin zum Ausdruck bringt, dass Sie aus ihrer Sicht niemanden sonst hat, der (ersatzweise) Erbe werden könnte.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Weil´s irgendwie zu dem Themenkreis passt, möchte ich noch hinweisen auf:

    Hat der Erblasser denjenigen zum Erben eingesetzt, der ihn im Alter pflegt und die Beerdigung übernimmt, und war eine Pflege nicht erforderlich, dann ist die letztwillige Verfügung in vollem Umfang unwirksam.

    OLG Frankfurt, Beschluß vom 08-10-1991 - 20 W 250/91

    In obigem Fall hatte die Erblasserin in einem privatschriftlichen Testament geschrieben: “Ich setze denjenigen als Erben ein, der mich im Alter pflegt und die Beerdigung übernimmt." Die Erblasserin ist verstorben, ohne Pflegeleistungen in Anspruch genommen zu haben.

    Aus den Gründen: Es ist unschwer zu erkennen, daß die Erblasserin den Schwerpunkt ihrer mit der Erbeinsetzung verbundenen Bedingung auf die Pflege im Alter gelegt hat, weil sie im übrigen davon ausgehen konnte, daß die Beerdigung allein von dem gesetzlichen Erben, der politischen Gemeinde oder der evangelischen Kirche vorgenommen werden würde. Auf die Auswahl dieser Pflegeperson - und damit des Erben - hätte sie auch möglicherweise noch Einfluß nehmen können, wenn das Bedürfnis nach Pflege eingetreten wäre. Die von ihr selbst gesetzte Bedingung der Pflege im Alter ist aber nicht eingetreten und das Testament insoweit nicht wirksam. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob auch für den Fall der Pflegebedürftigkeit eine unzulässige Vertretung im Willen angenommen werden müßte (§ 2065II BGB; dazu BGHZ 15, 199 = NJW 1955, 100; BGH, NJW 1965, 2201) oder nicht, weil die Erblasserin - und nicht ein Dritter - dann den Erben selbst bestimmt haben würde.

    Das war also eine echte und ausdrückliche Bedingung. In deinem Fall Uschi glaube ich aber wirklich nicht, dass es eine Bedingung ist....du kannst mich aber gerne sicherheitshalber zum Pfleger bestellen :)

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  • TL: Würdest Du Deine Ansicht

    "Wäre ich dieser Pfleger, den man aber m.E. nicht bestellen muss"

    noch begründen. Ich habe hier einen großen Nachlass, keine Ahnung, ob es ein Motiv oder eine Bedingung ist und falls Letzteres zutrifft, die Bedingung eingetreten ist und kann weder die Verfügung desErben mitteilen noch rechtliches Gehör für den Erbscheinsantrag gewähren. Ist da nicht zu wenig getan? Mit ner guten Begründung verzichte ich natürlich gerne auf die Mehrarbeit...;)

  • Auch wenn ich die Pflegschaft gerne übernommen hätte :D:

    Schau mal hier in #8:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…nh%F6rung+erben

    Und dann noch zu der Frage, ob solche potentiellen Erben im Erbscheinsverfahren zur Anhörung ermittelt werden müssen:

    Nach einhelliger Meinung der Kommentierung wird dem Nachlassgericht damit zwar nicht eine gewisse Amtsermittlungspflicht genommen, bleibt es jedoch bei dem schon bisher geltenden Grundsatz, dass die Amtsermittlung dort endet, wo zumutbare Anstrengungen erfolglos waren. Der Anspruch der gesetzlichen Erben auf rechtliches Gehör steht damit dem Anspruch des Erbscheinsantragsstellers auf Erteilung eines Erbscheins und damit der Möglichkeit sein Erbrecht zu verwirklichen, gegenüber. Dem Erbscheinsantragssteller kann nicht zugemutet werden, dass bei einem aus der Sicht des Nachlassgerichts wirksamen Testaments die Erbscheinserteilung unverhältnismäßig lange verzögert wird, nur weil die potenziellen gesetzlichen Erben zu deren Anhörung erst langwierig ermittelt werden müssen. Bei einem Erbscheinsantrag der auf einer letztwilligen Verfügung beruht, kann das Nachlassgericht deswegen auch nicht Angaben des Erbscheinsantragstellers über gesetzliche Erben verlangen, da diese Angaben in § 2354 in Verbindung mit § 2355 BGB nicht gefordert sind (siehe hierzu Soergel/Zimmermann BGB 13. Auflage 2002, § 2355 Rn.3 sowie Keidel, FamFG, 17. Auflage § 345 RN.17).

    Letztlich liegt es an dir als NLG, ob du eher dazu tendierst, dass es eine Bedingung ist, oder eben nicht. Aber was, wenn der bestellte Pfleger die Formulierung als Bedingung ansieht? Wie soll´s dann weitergehen? Man kann das ja durchaus zum OLG schieben und die da oben entscheiden lassen. Dann ist man "auf der sicheren Seite".

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Hallo!

    Ich habe folgenden Erbvertrag (Erblasser mit seiner Lebensgefährtin) vorliegen:

    "Ich setze hiermit die Ersch. zu 2. zu meiner alleinigen Vollerbin meines dereinstigen Vermögens ein, ersatzweise deren Kinder A und B.
    Die Ersatzerbeneinsetzung erfolgt jedoch nur für den Fall, dass die Ersatzerben in die unter III. vereinbarte Hege- und Pflegevereinbarung vollumfänglich eintreten. Der Eintritt muss zu gegebener Zeit in notarieller Form erklärt werden. "
    Es folgt die Pflegeverpflichtung nebst Grabpflegevereinbarung.

    Die Erbin ist vorverstorben, die Ersatzerben beantragen einen Erbschein und geben an, dass ihnen die "vermeintliche" Bedingung nicht bekannt war, so dass ihnen die Erfüllung zum Zeitpunkt des Erbfalls unmöglich gewesen sei. Dessen ungeachtet habe mangels Bedarf gar kein Anlass zum Eintritt in die Vereinbarung, der "zu gegebener Zeit" hätte erfolgen sollen, bestanden.

    Ich werde jetzt die gesetzlichen Erben anhören. Bin mir bezüglich der Auslegung allerdings total unschlüssig. Ich könnte auch noch beim beurkunden Notar nachfragen, wie der Erbvertrag gemeint war bzw. auszulegen ist.
    Habt ihr Ideen?

    Vielen lieben Dank!

  • Vom Grundsatz her ist die (Ersatz)Erbeinsetzung bedingt erfolgt. Da die Bedingung nicht eingetreten ist, ist sie unwirksam.
    Nun stellt sich m.E. nur die Frage ob der Erbvertrag dahingehend (ergänzend) auszulegen ist, dass in gewissen Konstellationen die Ersatzerbenstellung auch ohne Erfüllung der Bedingung gelten sollte.

    Sinn und Zweck der Vereinbarung dürfte sein, dass der Erblasser sicherstellen wollte, dass er die vereinbarte Hege und Pflege auch nach dem Ableben der Lebensgefährtin bis zu seinem eigenen Lebensende erhält. Ich würde daher denken, dass die Ersatzerbeneinsetzung zumindest auch dann gilt, wenn zwischen den Versterben von Lebensgefährtin und des Erblassers so wenig Zeit lag, dass eine Pflege gar nicht notwendig werden konnte (z.B. weniger als ein Tag). Dabei würde ich eher auf die abstrakte Möglichkeit des Pflegbedarfes abstellen (mithin ob ein Bedürfnis für die vertragliche Regelung bestanden haben könnte) und nicht darauf ob der Erblasser tatsächlich konkret pflegebedürftig war. Je mehr Zeit zwischen den beiden Erbfällen lag desto eher würde ich davon ausgehen, dass an der formbedingten Bedingungserfüllung kein Weg vorbei führt.
    Zu den konkreten Umständen und dem genauen Vortrag zum mangelnden Bedarf schweigt sich der Sachverhalt aber aus.

    Irrelevant ist m.E. der Vortrag der Erben zur Unkenntnis von der Bedingung. Wenn die beiden Vertragspartner die Ersatzerben nicht in die Vereinbarung eingeweiht haben, war dies deren freie Entscheidung die "Unmöglichkeit" der Erfüllung der Bedingung zu verursachen. Das kann die eindeutige Bedingung m.E. nicht zu Fall bringen.

    Ich wäre daher tendenziell für eine Zurückweisung des Erbscheinsantrages.

  • Vielen Dank für deine Meinung. Dem kann ich mich voll anschließen! Die Lebensgefährtin starb bereits 2006. Die Erben haben einen Anwalt, der folgende Begründung zum Inhalt des vom hiesigen AG beurkundeten Erbscheinsantrags hat machen lassen:
    "...Im ersten zitierten Absatz werden meine Mandantin und ihr Bruder ohne Wenn und Aber gem. § 2096 BGB zu Ersatzerben eingesetzt.
    Der folgende Absatz stellt die Ersatzerbeneinsetzung vermeintlich unter eine Bedingung. Allerdings handelt es sich vorliegend nicht um eine echte Bedingung, da das Ereignis, von dem die Rechtswirkung der Vfg. abhängig gemacht wird vor dem Erbfall liegt (vgl. Palandt /Weidlich § 2074 BGB Rn.1). Dies ist auch nachvollziehbar, da mangels Kenntnis die formulierte Bedingung und damit die Einflussnahme auf deren Eintritt außerhalb des Einflusses der Ersatzerben läge.
    So fällt die Einsetzung eines Ersatzerben gerade nicht unter § 2074 BGB. So ist die Bedingung unwirksam, wenn der Eintritt des Ereignisses zur Zeit des Erbfalls objektiv unmöglich ist (Palandt/W. a.a.O Rn. 2 und 4).
    So verhält es sich hier: Zum Zeitpunkt des Erbfalls war der Eintritt der formulierten Bedingung objektiv unmöglich. Dessen ungeachtet bestand mangels Bedarf gar kein Anlass zum Eintritt in die Pflegevereinbarung, der zu gegebener Zeit hätte erfolgen sollen..
    Aus dem ersten zitierten Absatz ergibt sich eine Anwartschaft meiner Mandantin und ihres Bruders, die mit dem Ableben des Erblassers bei Vorversterben der Lebensgefährtin zum Erbrecht erstarkt ist."

  • Ich warte erstmal die Anhörung der gesetzlichen Erben ab. Vlt. haben die ja Einwände und es kommt zu einer Richterzuständigkeit. Parallel versuche ich rauszubekommen, ob der beurkundende Notar noch existiert.

  • Ich wollte über den Sachstand in meiner Nachlasssache berichten:

    Die gesetzlichen Erben haben sich nach Anhörung und expliziter Nachfrage, ob sie ebenfalls davon ausgehen, dass die Ersatzerbeneinsetzung, trotz fehlendem Eintritts in die Hege- und Pflegevereinbarung so gewollt war, nicht gerührt.

    Parallel habe ich den beurkundenden Notar angeschrieben und um Stellungnahme zum Erblasserwillen gebeten.

    Dieser antwortete mir, nachdem er erklärte, dass er sich an den Vorgang kaum noch erinnern könne, wie folgt:

    "Die Hege- und Pflegeverpflichtung durch die Abkömmlinge der Lebensgefährtin sollte meiner Erinnerung nach eine echte Bedingung für deren Ersatzerbeneinsetzung sein. Die Übernahme dieser notariell festgehaltenen Verpflichtungen durch die Abkömmlinge der Lebensgefährtin war zum Zeitpunkt der Beurkundung nicht gesichert, wie auch nicht der weitere Bestand der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Die Erschienenen waren noch relativ jung, so dass ich auch die Frage der Trennung angesprochen und durch einen Rücktrittsvorbehalt für beide Beteiligte geregelt hatte.

    Der Erblasser wusste damals auch nicht, ob die Abkömmlinge überhaupt zur Übernahme der ihnen auferlegten Pflegeleistungen bereits gewesen wären und wie sein Verhältnis zu ihnen dann im entscheidenden Moment sein würde, d.h. ob er zur Entgegennahme der Hege- und Pflegeleistungen überhaupt noch bereit sein würde. Aus diesem Grund war auch die notarielle Beurkundung der Übernahme der Pflegeverpflichtung vorgesehen.

    Ich hatte den Beteiligten empfohlen, den Erbvertrag mit den Ersatzerben zu besprechen bzw. ihnen vielleicht auch eine Kopie davon zu überlassen, was von den Beteiligten auch zugesagt worden war."

    Danach ist für mich die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Ich würde die Stellungnahme des beurkundenden Notar jetzt nochmal allen Beteiligten z.Kt. und dem Anwalt und der Antragstellerin m.d.B. um Stellungnahme übersenden. Die gesetzlichen Erben würde ich gerne darauf hinweisen, dass sie einen Erbschein beantragen können.

    Wenn der Erbscheinsantrag nicht zurückgenommen wird und auch keiner der gesetzlichen Erben einen Erbschein beantragt, würde ich den Erbscheinsantrag zurückweisen.

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