Polnisches Erbrecht anzuwenden, Ausschlagungen

  • Brauche dringend Hilfe!!!

    Ich bin zuständige NL Rechtspflegerin am Nachlassgericht, weil die Erblasserin seit 1996 in Deutschland lebt, § 343 FamFG. Leider hatte Sie die polnische Staatsangehörigkeit.

    Sie war in Polen verheiratet(nun geschieden) und hat aus dieser Ehe einen vollj. Sohn.
    Ausserdem hatte Sie mit 2 Deutschen jeweils ein Kind.
    Den einen Vater (alleiniges SR) hatte ich letzte Woche zur Ausschlagungserklärung für seine mdj. Tochter persönlich vor mir, über Erfordernis fG habe ich belehrt, bzw. Antrag aufgenommen, über die polnische Staatsbürgerschaft der Mutter bin ich zunächst gar nicht gestolpert.
    Nunmehr erhalte ich die weiteren Ausschlagungserklärungen (Notar) des deutschen Kindesvaters (alleiniges SR) für das weitere mdj. Kind und die des vollj. Sohnes und der Schwester der Erblasserin, die ebenso für ihr mdj. Kind ausschlägt (alle drei Polen mit Wohnsitz in D).
    Leider ist die neue EU-ErbrechtsVO ja noch nicht in Kraft getreten:heul:, also bin ich erstmal der Auffassung, dass lt. IPR Polen für poln. Staatsangehörige polnisches Erbrecht gilt. (irgenwo habe ich mal von einer Ausnahme bei längerem Aufenthalt im Ausland gelesen, weiß leider nicht mehr wo?).
    Die Ausschlagungsfristen in Polen betragen 6 Monate.
    Nun weiß ich leider nicht:
    1) Welche Formerfordernisse bestehen?,
    2) Wer darf Ausschlagungen beurkunden, Zuständigkeit?,
    3) Sind die mir vorliegenden Urkunden so ausreichend?
    4) Muss ich noch jemanden über Wirksamkeiten belehren?
    5) Bestehen Mitteilungspflichten an eine Behörde in Polen?
    6) Muss ich noch die in Polen lebende Mutter der Erblasserin benachrichtigen und ggf. noch weitere Geschwister der Erblasserin suchen?

    Besten Dank schon mal füreventuelle Hilfe! :hoffebete:

  • 1) Welche Formerfordernisse bestehen?,

    Art. 1018 § 3 S. 2 ZGB: die Ausschlagung muss mündlich zum (nachlassgerichtlichen) Protokoll oder mit amtlich beglaubigten Unterschrift beim Nachlassgericht oder Notar zu erfolgen. Die beglaubigte Unterschrift wurde in der Rspr des OG verschärft und wird in der notariellen Praxis nicht verwendet. Die Ausschlagungserklärungen werden durch polnische Notare beurkundet und nicht nur beglaubigt. Diese Entwicklung hat ihre Wurzel jedoch im polnischen Beurkundungsrecht (Notarrecht) und ist daher im Ausland irrelevant.


    6) Muss ich noch die in Polen lebende Mutter der Erblasserin benachrichtigen und ggf. noch weitere Geschwister der Erblasserin suchen?

    Wenn alle Abkömlinge der Erblasserin ausschlagen, sind materiellrechtlich die Eltern berufen. Wenn auch diese ausschlagen, sind die Abkömmlinge der Eltern (Geschwister und Geschwisterkinder) dran.

  • Vielen Dank für die Antwort!
    :)
    Wenn ich das richtig verstehe ist die bei mir erfolgte Ausschlagung formwirksam, wenn ich davon ausgehe, dass ich nach deutschem Recht (FamFG) das zuständige Nachlassgericht bin. Aber die anderen Ausschlagungserkärungen müssten vor einem polnischen Notar oder Konsulat nochmals innerhalb der 6-monatigen Ausschlagungsfrist erfolgen.
    Gibt es ggf., für im Ausland verstorbene Polen, ein zentrales in Polen zuständiges Nachlassgericht, dass ggf. ebenso zuständig ist, oder das ich zumindest über den Tod und die vorliegenden Ausschlagungen informieren muss. Gibt es ggf. Sonderzuständigkeiten bzgl. der "Lage/Ort" des Nachlasses, ähnlich wie in Deutschland.

    Ich weiß leider immer noch nicht so recht was ich in diesem Fall noch veranlassen muss.

    Vielleicht hat ja doch schon jemand damit Erfahrungen in einem ähnlichen Fall?! Es muss doch schon mal ein polnischer Staatsbürger mit Aufenthalt in Deutschland verstorben sein, der einen überschuldeten Nachlass und weitere Angehörige in Deutschland hinterläßt?:confused:

  • Eine nach deutschem Recht wirksame Ausschlagungserklärung wäre auch in Polen wirksam.
    Aus polnischer Sicht begründet die polnische Staatsangehörigkeit der Erblasserin die internationale Zuständigkeit polnischer Gerichte. Örtlich zuständig wäre (jedes) Amtsgericht in dessen Bezirk sich Nachlassgegenstände befinden bzw. das Amtsgericht Warschau-Mitte. Wenn der Fall derzeit kein Bezug zu Polen hat (Nachlassschulden in Deutschland, kein Vermögen in Polen?), ist es für die Erben wichtiger (unter Anwendung des polnischen Erbrechts) in Deutschland auszuschlagen, weil die potenzielle Haftung wegen Nachlassschulden auch in Deutschland droht. Die in Deutschland wohnenden Erben können alle in Deutschland ausschlagen. Insbesondere bei den mind. Kindern mit Wohnsitz in Deutschland macht es Sinnn.
    Ich glaube nicht, dass Dich als Nachlassrechtspflegerin des deutschen Nachlassgericht die polnische Sichtweise interessieren muss. Du bist aus deutscher Sicht international zuständig und machst Dein Job wie üblich, nur unter Anwendung des polnischen Erbrechts. Sofern noch keine Nachlassverfahren in Polen anhängig sind, ist es nicht notwendig, Mitteilungen an das polnische Nachlassgericht zu senden. Dies wäre sowieso eher die Aufgabe des Erben.
    Irgendwann sind dann die in Polen wohnhaften Erben und ihre in Polen wohnhaften mind. Kinder berufen. Die werden sich wahrscheinlich an polnische Notare und polnische Nachlassgerichte wenden um auszuschlagen, wenn sie von dem deutschen Nachlassgericht über die Berufung erfahren.

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