Vor- und Nacherbfolge, Nacherbfolge Grundbesitz

  • Hallo, ich bin seit ca. 3 Monaten in der Nachlassabteilung und habe folgendes Problem.

    Mir liegt ein gemeinschaftliches notarielles Testament, welches nach dem Ehemann eröffnet wurde, mit folgendem Inhalt vor:
    § 1
    Wir setzen uns gegenseitig zu befreiten Voreben ein.

    Der Längstlebende von uns soll in Bezug auf das bewegliche Vermögen uneingeschränkt verfügen können. Die Nacherbfolge bezieht sich lediglich auf den Grundbesitz.

    § 2
    Nacherben zu gleichen Anteilen und Rechten sollen unsere Kinder sein, nämlich
    a) Sohn
    b) Tochter

    § 3
    Der Längstlebende von uns hat das Recht, allein eine weitere Verfügung in Bezug auf das Erbe unserer Kinder zu treffen.

    § 4
    Wenn der Überlebende von uns wieder heiratet, behält er den gesetzlichen Erbteil als Vorerbe.
    Wegen des übrigen Nachlasses des Erstversterbenden tritt die zu § 2 angeordnete Nacherbfolge ein.

    § 5
    Die Bestimmungen dieses Testamentes treten auch insoweit mit der Wiederverheiratung außer Kraft, als sie Anordnungen des Überlebenden Teils enthalten.


    Die Ehefrau möchte nun einen Erbschein beantragen, da das Grundbuchamt folgende Zwischenverfügung mitgeteilt hat:

    Das gemeinschaftliche Testament vom _ enthält eine sog. gegenständlich beschränkte Nacherbeneinsetzung. Demnach soll sich die Nacherbfolge nur auf den Grundbesitz beziehen. Eine solche gegenständlich beschränkte Nacherbeneinsetzung ist jedoch nach herrschender Meinung nicht zulässig (vgl. MüKo, Rn. 9 zu § 2100 BGB).

    Ob und ggf. welche Auswirkung diese unwirksame Nacherbeneinsetzung auf die Erbfolge hat, kann abschließend nur in einem Erbscheinsverfahren geklärt werden.

    Der Erbscheinsantrag des Notars der Ehefrau sagt nur folgendes: Aufgrund des not. Testaments ist die Ehefrau zur alleinigen befreiten Vorerbin eingesetzt. Nacherben - hinsichtlich des Grundbesitzes - sind : Sohn und Tochter zu je 1/2 Anteil.

    Die Wiederverheiratungsklausel wurde vergessen.

    M.E. ist die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes nicht richtig, da ja aufgrund der Wiederverheiratungsklausel auf jeden Fall Vor- und Nacherbfolge angeordnet wurde. Da der Erbscheinsantrag zu unkonkret ist, muss ich diese noch beanstanden, bin mir aber nicht sicher, wie der Erbschein zum Schluss tatsächlich lauten muss und was alles mit hinein muss.

    Vielleicht kann mir jemand helfen. Danke!

  • Guck mal, ob die hier angestellten Überlegungen Dir helfen können.

    Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihre Justizbehörde

  • Ein typisches notarielles Katastrophentestament, das auslegungsbedürftig ist, obwohl es dies nicht sein sollte und auch nicht müsste, wenn man in rechtlicher Hinsicht zutreffend formuliert und nicht auch noch die Frage der Ersatznacherbfolge und der Schlusserbeneinsetzung außen vor gelassen hätte.

    Die Rechtsauffassung des Grundbuchamts ist allerdings auch nicht zutreffend, weil sich eine gegenständlich beschränkte Nacherbfolge im Ergebnis auf dem in § 2110 Abs. 2 BGB vorgesehenen Wege erreichen lässt, indem der gesamte bewegliche Nachlass dem alleinigen Vorerben als Vorausvermächtnis zugewandt wird (was allerdings zum Problem wird, falls der Erblasser als Mitglied einer Erbengemeinschaft am Nachlass eines Dritten an Grundbesitz beteiligt war, da ein Erbanteil bewegliches Vermögen ist, die Vorausvermächtnisanordnung im Wege der Auslegung dann aber wohl für den gesamten Erbteil nicht gelten soll - also nachsehen, welche Eigentumsverhältnisse lt. Grundbuch bestehen!).

    Für welchen Erbteil die Nacherbfolge im Falle der Wiederverheiratung der Vorerbin eintritt, hängt von dem in der Ehe der Testierenden geltenden Güterstand ab. In der nachfolgenden Formulierung ist vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft ausgegangen worden (also 1/2-Erbteil neben den Kindern). Außerdem wurde von der üblichen, aber ebenso üblich "vergessenen" Ersatznacherbenregelung i. S. des § 2069 BGB ausgegangen.

    Auslegungsbedürftig ist auch die Bestimmung in § 3 des Testaments. Ich gehe aber davon aus, dass der Vorerbin hier - und zwar schon wegen der Wiederverheiratungsklausel - nicht die Befugnis zukommen soll, die Nacherbfolge durch eigene anderweitige Testierung außer Kraft zu setzen, sondern dass sich der dort geregelte Vorbehalt nur auf die Testierung für den nicht von der Nacherbfolge umfassten Eigennachlass der Vorerbin bezieht. Folgt man dem, haben die Bestimmungen in § 3 des Testaments keinen Einfluss auf den Erbscheinsinhalt. Ebenso wenig hat es Einfluss auf den Erbscheinsinhalt im Hinblick auf den Nachlass des Ehemannes, ob das Testament auch eine Schlusserbeneinsetzung enthält (vgl. § 2102 Abs. 1 BGB). Auch diese Frage hätte natürlich ausdrücklich geregelt gehört, auch wenn sich ihre (bejahende) Beantwortung unter Umständen aus der hier vertretenen Reichweite der in § 3 des Testaments enthaltenen Bestimmungen ergibt.

    Nach den bisherigen Ausführungen hätte ein Erbschein folgenden Inhalt:

    Alleinerbe des ... ist ... (Ehefrau).

    Nacherbfolge ist angeordnet, die

    a) für den Fall, dass die Vorerbin nicht wieder heiratet, mit dem Ableben der Vorerbin im Hinblick auf
    deren Alleinerbschaft oder
    b) im Falle der Wiederverheiratung der Vorerbin im Hinblick auf einen 1/2-Erbanteil mit der Wiederverheiratung der Vorerbin und für den anderen 1/2-Erbanteil mit dem Ableben der Vorerbin eintritt.

    Die Nacherbfolge erstreckt sich infolge der Anordnung von Vorausvermächtnissen nicht auf den gesamten beweglichen Nachlass des Erblassers.

    Die Vorerbin ist - soweit gesetzlich zulässig - von den gesetzlichen Beschränkungen der Vorerbschaft befreit.

    Nacherben sind jeweils
    - Sohn ... und
    - Tochter ...
    zu gleichen Anteilen. Ersatznacherben für jeden Nacherben sind die Abkömmlinge des jeweiligen Nacherben zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

  • Ich hatte mich noch gefragt, ob das Vorausvermächtnis in § 1 bei der Wiederheirat (ggf. teilweise) entfällt. Müsste das dann nicht auch im Erbschein mit auftauchen, weil die Gegenstände dann wieder der Nacherbfolge unterliegen?

  • Vielen Dank erst einmal für die Hinweise und besonders für die ausführlichen Darlegungen!

    Ich habe mir gerade mal die Grundbücher angesehen. Insgesamt sind 4 Grundstücke betroffen. Eins davon steht im Alleineigentum des Erblassers. Bei den weiteren 3 Grundstücken ist der Erblasser mit einer 3. Person in Erbengemeinschaft eingetragen.

    Was nun?

  • Zunächst zur Frage der Vorausvermächtnisse:
    Ich denke nicht, dass diese im Fall der Wiederverheiratung der Vorerbin entfallen, weil sich die Nacherbfolge nach § 1 des Testaments ganz allgemein nicht auf den beweglichen Nachlass erstrecken soll (zum Erbanteil des Erblassers am Drittnachlass, der zum beweglichen Nachlass des Erblassers zählt, sogleich nachfolgend).

    Als wenn ich es geahnt hätte, war der Erblasser auch erbengemeinschaftlicher Miteigentümer von Grundbesitz. Da ich nicht davon ausgehe, dass der Notar vor der Beurkundung des Testaments das Grundbuch eingesehen und er das Problem daraufhin erkannt hat - ganz abgesehen davon, dass das Testament ohnehin eine Katastrophe ist -, bedarf das Testament nunmehr auch insoweit der Auslegung. Insoweit dürfte davon auszugehen sein, dass der Erblasser als rechtlicher Laie mit "unbeweglich" auch den Grundbesitz meinte, soweit er an ihm nur erbengemeinschaftlich beteiligt ist (ob dann - wie nicht - an den erbengemeinschaftlichen Grundstücken auch insoweit ein Nacherbenvermerk einzutragen ist, ist eine ganz andere Frage). Wenn die besagten drei Grundstücke - wie häufig - die letzten noch nicht auseinandergesetzten Nachlassgegenstände im Drittnachlass sind, erscheint diese Auslegung ohnehin nahezu zwingend. Ich würde mir insoweit aber in jedem Falle die Nachlassakten im Hinblick auf den besagten Drittnachlass beizeihen und Nachschau halten, wie sich dieser Drittnachlass nach dem dort eingereichten Nachlassverzeichnis zusammensetzte.

    Kommt man zum Ergebnis, dass auch der Erbteil des Erblassers am Drittnachlass der Nacherbfolge unterliegen soll (eine Beschränkung auf die im Drittnachlass befindlichen unbeweglichen Nachlassgegenstände ist insoweit nicht möglich), wäre mein ursprünglicher Formulierungsvorschlag wie folgt zu erweitern (Erweiterung in roter Schrift):

    Alleinerbe des ... ist ... (Ehefrau).

    Nacherbfolge ist angeordnet, die

    a) für den Fall, dass die Vorerbin nicht wieder heiratet, mit dem Ableben der Vorerbin im Hinblick auf
    deren Alleinerbschaft oder
    b) im Falle der Wiederverheiratung der Vorerbin im Hinblick auf einen 1/2-Erbanteil mit der Wiederverheiratung der Vorerbin und für den anderen 1/2-Erbanteil mit dem Ableben der Vorerbin eintritt.

    Die Nacherbfolge erstreckt sich infolge der Anordnung von Vorausvermächtnissen mit Ausnahme des xx/Erbteils [Höhe der Erbquote] des Erblassers am Nachlass des (der) am ... in ... verstorbenen ... (Az. VI .../.. AG ...) [Nachlassgericht] nicht auf den gesamten übrigen beweglichen Nachlass des Erblassers.

    Die Vorerbin ist - soweit gesetzlich zulässig - von den gesetzlichen Beschränkungen der Vorerbschaft befreit.

    Nacherben sind jeweils
    - Sohn ... und
    - Tochter ...
    zu gleichen Anteilen. Ersatznacherben für jeden Nacherben sind die Abkömmlinge des jeweiligen Nacherben zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

  • Vielen Dank für die Antwort!

    Ich habe den Notar jetzt angeschrieben, malsehn, was er antwortet. Es ist nämlich der gleiche Notar, der auch das Testament beurkundet hat.

    :)

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