Ergänzungspfleger für familiengerichtliche Genehmigungen (zu BGH XII ZB 592/12)

  • Für den Wirkungskreis "Aussage bei der StA" habe ich einen Standardanwalt, den ich vorher fernmündlich frage, ob er bereit ist die Sache zu übernehmen. Und da gab es schon reichlich Gelegenheit. Ist dann das persönliche Erscheinen vor Gericht verzichtbar? Eigentlich kommt er nur rein, nimmt die Bestallung in Empfang und ist wieder draußen. Belehren muss ich ihn nicht mehr. Ach ja, ich verabschiede Pfleger und Vormünder mit Handschlag. Aber deswegen das ganze Brimborium? :gruebel:

  • So hatte ich den Fall bisher noch nicht:

    Bisher habe ich Kinder > 14 Jahre in Genehmigungsverfahren der Vermögenssorge mind. schriftlich / häufig persönlich zum Genehmigungsersuchen des gesetzl. Vertreters angehört.
    Für Kinder < 14 Jahren habe ich einen "Verfahrensergänzungspfleger" bestellt mit der vom BGH postulierten Ausnahme für die Erbausschlagung.

    Hier im Fall ( Verkauf der geerbten Eigentumswohnung durch den Vormund ) ist mein Kind älter als 14 Jahre und zudem aber geistig behindert.
    Wie wird dieses nun im Verfahren vertreten ?

    M.E. bleibt auch in dem Fall nur die Bestellung eines Ergänzungspflegers , weil das Kind seine Verfahrensrechte nach FamFG wie

    a.) Anhörungsrecht
    b.) Bekanntgaberecht
    c.) Rechtsmittelrecht

    nicht ausreichend selbst wahrnehmen kann.
    Wie seht ihr das ?

  • Geistige Behinderung führt ja noch lange nicht zur Verfahrensunfähigkeit. Insoweit solltest Du Dich schon davon überzeugen, dass der Mündel nicht im Stande ist, seine Verfahrensrechte zu wahren, vgl. § 9 FamFG.

    Darüber hinaus - nicht so ungeduldig, es gibt auch Threads, die sind noch nicht in meinem Abbonement :teufel:

  • Für die Praxis erfreulich, aus dogmatischer Sicht bedauerlich:

    BGH, Beschluss vom 03.04.2019 - XII ZB 359/17
    http://juris.bundesgerichtshof.de/cg...66&Blank=1.pdf

    GG Art. 6 Abs. 2; BGB §§ 1629 Abs. 1, 1643 Abs. 1, 1795, 1796, 1822 Nr. 5; FamFG § 41 Abs. 3

    a) Im Verfahren über die familiengerichtliche Genehmigung eines von Eltern als gesetzlichen Vertretern ihres minderjährigen Kindes abzuschließenden Vertrages bedarf es zur Vertretung des nicht verfahrensfähigen Kindes im Verfahren und für die Bekanntgabe der die Genehmigung aussprechenden Entscheidung keines Ergänzungspflegers (Fortführung von Senatsbeschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 592/12FamRZ 2014, 640).

    b) Etwas anderes gilt nur, wenn und soweit die Eltern nach § 1795 BGB kraft Gesetzes von der Vertretung ausgeschlossen sind oder ihnen die Vertretung wegen einer bestehenden Interessenkollision nach § 1796 BGB durch gerichtliche Entscheidung entzogen worden ist (im Anschluss an Senatsbeschlüsse BGHZ 191, 48 = FamRZ 2011, 1788 und vom 27. Juni 2018 – XII ZB 46/18FamRZ 2018, 1512).

    Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas (Ovid, röm. Dichter, 43 v.Chr. - 17 n.Chr.)

  • In der Tat eine schwer verdauliche Grundsatzentscheidung , die erstmals die verfahrensrechtliche Vertretungsfrage von Kindern unter 14 Jahren bei Abschluss zweiseitiger Rechtsgeschäfte behandelt.
    Mit der Problematik des § 41 III FamFG setzt sich der BGH kaum auseinander :gruebel:.

    Für die Praxis wichtig ist allerdings die Entscheidung im Tenor Ziff. 2 , dass bei Vertretungsausschluss der Eltern beim Rechtsgeschäft , neben einem Ergänzungspfleger für das Rechtsgeschäft nun wohl ein zweiter Ergänzungspfleger für das Verfahren bestellt werden muss.
    Bisher war ja strittig , ob bei Vertretungsausschluss der Eltern fürs Rechtsgeschäft , diese das Kind wenigstens im Verfahren vertreten konnten.

    Allemal bannich wichtig diese Entscheidung !

  • Wie der vorliegende Fall zeigt, kommt es durchaus vor, dass sowohl das Amtsgericht und das OLG als auch der BGH etwas nicht begreifen.

    Nach dem Sachverhalt ging es überhaupt nicht um die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Vertretung des Minderjährigen im Genehmigungsverfahren, sondern um die Bestellung eines Ergänzungspflegers, um das genehmigungspflichtige Rechtsgeschäft als solches abzuschließen. Das war natürlich verfehlt, weil Mutter und Kind auf der gleichen (Verpächter-)Seite des Vertrags standen und somit weder ein Vertretungsausschluss i.S. des § 1795 BGB noch eine Interessenkollision i.S. des § 1796 BGB ersichtlich war.

    Das OLG machte daraus - fehlgeleitet durch eine mit dem Tenor in keiner Weise übereinstimmende Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung - eine Pflegerbestellung (nur) für das Genehmigungsverfahren, obwohl eine solche überhaupt nicht erfolgt war, und argumentierte somit völlig an der Sache vorbei. Und das merkte das höchste deutsche Gericht nicht einmal und es merkte außerdem nicht, dass die - an sich zutreffenden - Ausführungen Rn. 10 der Entscheidung die eigenen vorherigen Begründungen "totschlagen".

    Eine einzige Katastrophe.

    Dass dann auch noch die Ausführungen zur Pflegerbestellung im Genehmigungsverfahren unzutreffend sind, rundet die Sache nur noch im negativen Sinne ab.

    "Entlarvend" ist dabei folgender Satz in Rn. 9 der Entscheidung:

    "Der gesetzliche Vertreter wird in Fällen der vorliegenden Art schließlich bereits durch das Gericht kontrolliert."

    Besser (oder schlechter) kann man nicht zum Ausdruck bringen, dass man nichts begriffen hat. Der gesetzliche Vertreter handelt, das Gericht prüft und der nicht verfahrensfähige Beteiligte wird überhaupt nicht beteiligt. - Bravo!


  • Besser (oder schlechter) kann man nicht zum Ausdruck bringen, dass man nichts begriffen hat. Der gesetzliche Vertreter handelt, das Gericht prüft und der nicht verfahrensfähige Beteiligte wird überhaupt nicht beteiligt. - Bravo!

    In dem zweiten Fall ( Ziff. 2 des Tenors ) offenbar dann doch.
    Danach muss in den Fällen der § 1795,1796 BGB für die Vertretung des Kindes unter 14 Jahren im Genehmigungsverfahren ein zweiter ( ! ) Ergänzungspfleger bestellt werden.

  • "Der gesetzliche Vertreter wird in Fällen der vorliegenden Art schließlich bereits durch das Gericht kontrolliert."


    Da frage ich mich, wozu wir uns die Arbeit mit Ergänzungspflegern überhaupt noch machen, wenn doch am Ende das Gericht eh alles kontrolliert.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

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