Vorzeitiger Erbausgleich - Erbrecht erloschen?

  • Hallo liebe Kollegen,

    Dieses Mal stelle ich das Problem einer Kollegin ein, die mich darum bat. Folgender Sachverhalt liegt ihr vor:

    "Der Erblasser ist 2014 verstorben. Er hinterlässt neben weiteren gesetzlichen Erben ein nichteheliches Kind, das 1964 geboren ist. Es geht um die Frage, ob das Erbrecht des Kindes durch vorzeitigen Erbausgleich erloschen ist. Nach Artikel 227 EGBGB ist dafür Voraussetzung, dass über den Erbausgleich eine wirksame Vereinbarung getroffen wurde (m.E. ist das nur in notarieller Urkunde möglich) oder der Erbausgleich durch rechtskräftiges Urteil zuerkannt wurde. Im vorliegenden Falle wurde 1986 vor dem Landgericht ein Vergleich zwischen dem klagenden Kind und dem beklagten Erblasser geschlossen „Auf Vorschlag des Gerichts verglichen sich die Parteien wie folgt: … Beklagter zahlt an Kläger die Summe X. Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit der Zahlung des Vergleichs sämtliche Ansprüche auf vorzeitigen Erbausgleich erledigt sind. Außerdem enthält der Vergleich noch ein Widerrufsrecht. Die Akte ist vernichtet. M.E. wurde kein wirksamer vorzeitiger Erbausgleich vereinbart. "

    Sie würde sich über Antworten freuen. Danke im Voraus. :)

  • Ich sehe es wie Cromwell. Allerdings würde ich trotzdem dem ne. Kind rechtliches Gehör beim Erbscheinsantrag gewähren.

  • Danksagung der Kollegin :daumenrau:

    "Besten Dank an Cromwell und Cofür die schnelle Beratung; den 127 a BGB hatte ich leider nicht auf dem Schirmund Palandt 227 EGBGB hat mich leider nicht zu ihm geführt.Aber ich habe wieder dazugelernt. Viele Grüße von der Elefantenmücke."


  • M.E. Nein. Auch ein Erbverzichtender ist nicht mehr Beteiligter des Nachlassverfahrens. Dasselbe gilt auch für ein neKi, das seinen vorzeitigen Erbausgleich rechtswirksam erhalten hat. Es ist nicht mehr gesetzlicher Erbe.

  • So sehe ich das auch.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • M.E. Nein. Auch ein Erbverzichtender ist nicht mehr Beteiligter des Nachlassverfahrens. Dasselbe gilt auch für ein neKi, das seinen vorzeitigen Erbausgleich rechtswirksam erhalten hat. Es ist nicht mehr gesetzlicher Erbe.


    Sehe ich nicht ganz so. Es gibt Fälle, wo die Verträge aufgehoben wurden und das Nachlassgericht erfährt nichts davon. Daher bekommen bei mir die Verzichtenden eine Mitteilung, dass auf Grund des vorliegenden ... davon ausgegangen wird, dass sie keine Beteiligten in der Nachlasssache ... sind. Falls die Ermittlungen des Nachlassgericht unrichtig sein sollten, mögen sie sich bitte sofort melden.

    Im Ausgangsfall, wo die Anschrift unbekannt ist, würde ich allerdings auch nicht extra ermitteln.

  • Der Wegfall des Erben ist vom Erbscheinsantragsteller anzugeben und durch öffentliche Urkunde zu belegen. Zudem ist darüber im Rahmen des ESAntrages die EV darüber abgegeben. Das reicht. Es geht den so weggefallenen Erben streng genommen noch nichtmal an, dass der Erbfall eingetreten ist. Sonst müsstest du ja in Konsequenz auch den ESA und sogar ggf. letztwillige Verfügungen zur Kenntnis geben. Das aber und insbesondere der Inhalt des ESA geht den weggefallenen Erben nichts an. Er ist schlicht nicht Beteiligter des Nachlassverfahrens. Das was du da grundlos machst ist m.E. nicht richtig.

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  • Der Wegfall des Erben ist vom Erbscheinsantragsteller anzugeben und durch öffentliche Urkunde zu belegen. Zudem ist darüber im Rahmen des ESAntrages die EV darüber abgegeben. Das reicht. Es geht den so weggefallenen Erben streng genommen noch nichtmal an, dass der Erbfall eingetreten ist. Sonst müsstest du ja in Konsequenz auch den ESA und sogar ggf. letztwillige Verfügungen zur Kenntnis geben. Das aber und insbesondere der Inhalt des ESA geht den weggefallenen Erben nichts an. Er ist schlicht nicht Beteiligter des Nachlassverfahrens. Das was du da grundlos machst ist m.E. nicht richtig.

    "Grundlos" - und das einem Richter ...

  • Der Wegfall des Erben ist vom Erbscheinsantragsteller anzugeben und durch öffentliche Urkunde zu belegen. Zudem ist darüber im Rahmen des ESAntrages die EV darüber abgegeben. Das reicht. Es geht den so weggefallenen Erben streng genommen noch nichtmal an, dass der Erbfall eingetreten ist. Sonst müsstest du ja in Konsequenz auch den ESA und sogar ggf. letztwillige Verfügungen zur Kenntnis geben. Das aber und insbesondere der Inhalt des ESA geht den weggefallenen Erben nichts an. Er ist schlicht nicht Beteiligter des Nachlassverfahrens. Das was du da grundlos machst ist m.E. nicht richtig.

    Bin von deiner Argumentation nicht überzeugt und mache weiter, was ich für richtig halte.

  • Na dann...

    Wenn jemand aufgrund einer Wegadoption weggefallen ist und dir dies durch eine damals ausgestellte Personenstandsurkunde nachgewiesen ist, fragst du dann auch ohne Grund bei dem Wegadoptierten in der von dir dargestellten Art nach? Schließlich könnte ja auch die Adoption rückgängig gemacht/aufgehoben worden sein...

    Was du machst ist rechtlich betrachtet einen Nichtbeteiligten fragen, ob er zum Beteiligten gemacht werden will. Das kannst und darfst du machen. Sicher. Aber ob es wegen der theoretischen Möglichkeit, dass der Vertrag über den vorzeitigen Erbausgleich ggf. nachträglich aufgehoben wurde, sinnvoll ist, musst du entscheiden bzw. hast du ja entschieden.

    Mich überzeugt halt auch dein Argument (die urkundlich belegten Angaben des Antragstellers könnten evtl. falsch seln) nicht. Genauso könnte man überspitzt gesagt in jedem Fall eine Öffentliche Aufforderung machen, ob der Erblasser ggf. neben den vom Erbscheinsantragsteller genannten Verwandten nicht noch weitere erbberechtigte Verwandte hatte. Vollständige Sicherheit gibt es einfach nicht. Warum also im Ausgangsfall den urkundlich belegten und eidesstattlich versicherten Angaben des Antragstellers misstrauen und grundlos den weggefallenen Erben informieren?

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    3 Mal editiert, zuletzt von TL (5. September 2015 um 23:04)

  • Manchmal gebietet es sich eben, im Wege der Amtsermittlungspflicht Leute anzuhören, auch wenn diese rein formal keine Beteiligten (mehr) sind. Es dient einfach der Aufklärung von Sachverhalten.

    ganz aktuelles Beispiel von uns:
    Von einer Erblasserin wurde im Jahre 1948 ein Kind "wegadoptiert". Wir haben es zum beantragten Erbschein dennoch angehört; das (mittlerweile längst volljährige) Kind hat im Internet recherchiert und herausgefunden, dass bei einer Adoption im Jahre 1948 als minderjähriges Kind wohl nicht die verwandtschaftlichen Verhältnisse erloschen sind. Das gab uns Grund zu einer genaueren Beschäftigung damit und wir fanden zunächst heraus (war uns so nicht mehr bewusst), dass dieses Erlöschen bei minderjährigen Kindern erst im Jahre 1977 im BGB eingeführt wurde, allerdings nur für Adoptionen und Erbfälle ab 1977. Nach diesem Stand wäre dieses Kind also weiterhin Erbe geworden. Da es sich um einen Ost-Fall handelte (Erblasserin und dieses Kind haben die ganze Zeit in der DDR gewohnt), gab uns das Anlass, uns nochmals mit den Verordnungen in der DDR, dem FGB der DDR und mit dem Einigungsvertrag zu beschäftigen. Im Ergebnis dieser Auseinandersetzung kamen wir dann doch zu dem Schluss, dass im konkreten Fall die Verwandtschaftsverhältnisse als erloschen gelten und die betreffende Person nicht Erbe geworden ist.

    Was ich damit sagen will: Lieber mal einen mehr angehört als zu wenig. Manchmal bringen Anhörungen doch etwas. Und dies ist auch im hier diskutierten Fall nicht völlig ausgeschlossen, wobei natürlich durchaus akzeptabel ist, wenn die Meinung besteht, dass die Versicherung an Eides Statt durch die Übrigen Erben, dass diese Person durch den Erbverzicht endgültig weggefallen ist, ausreicht.

  • Du willst mir also sagen, dass man deswegen lieber mal Unbeteiligte anhört, weil man als Gericht damit ggf. vom so "Beteiligten" sein Unvermögen aufgezeigt bekommt? Nur weil ihr am Gericht das anzuwendende Recht nicht kanntet sollen also nun alle anderen Gerichte sicherheitshalber mal lieber überall rumfragen und Anhörungen verschicken? Es ist doch eure Aufgabe zu prüfen, was im Erbscheinsantrag steht und ob aufgrund dessen der Erbschein so erteilt werden kann? Peinlich, wenn der "Angehörte" dem Gericht die Rechtslage erklären muss.

    Du willst mir jetzt nicht sagen, dass ihr die Übergangsvorschriften zur Adoption (Stichwort: volljährig am 01.01.1977) nicht kanntet?

    Ich fall´ gleich um....

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    3 Mal editiert, zuletzt von TL (15. September 2015 um 16:43)

  • Na dann...

    Wenn jemand aufgrund einer Wegadoption weggefallen ist und dir dies durch eine damals ausgestellte Personenstandsurkunde nachgewiesen ist, fragst du dann auch ohne Grund bei dem Wegadoptierten in der von dir dargestellten Art nach? Schließlich könnte ja auch die Adoption rückgängig gemacht/aufgehoben worden sein...

    In meinem ganzen Berufsleben hatte ich einen Fall, wo eine Adoption aufgehoben wurde, Aufhebung von Erbverzichten etc. habe ich beurkundet und auch als Nachlassgericht des Öfteren.

  • Ach Uschi...wie oft war es dann bei der Aufhebung des Erbverzichts bei der gesetzlichen Erbfolge geblieben? Da wurde doch dann fast immer auch gleich neu testiert etc.

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