Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1.Untersagen die Gesellschafter bei drohenderZahlungsunfähigkeit die Insolvenzantragstellung, so hat der Geschäftsführer vondiesem Zeitpunkt an einen Anspruch auf Freistellung von Haftung.

    2.Der Anspruch auf Haftungsfreistellung ist Ausgleich für diepermanent schwebende Gefahr der Haftungsinanspruchnahme gem. § 64 GmbHG, wenndie drohende in eine eingetretene Zahlungsunfähigkeit umschlägt.

    3.Bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass dieGesellschafter selbst nur beschränkt haften, nämlich mit ihrer ggf. bereitsgeleisteten Einlage, die Geschäftsführung jedoch bei eingetretenerZahlungsunfähigkeit nach oben unbeschränkt mit dem vollen eigenen Vermögen.

    LG München I, Endurt. v. 22. 5. 2015 - 14 HK O 867/14

  • 1.Der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, derseine Pflicht verletzt, Steuern bzw. die steuerlichen Nebenleistungen aus denMitteln zu entrichten, die er verwaltet, handelt i.d.R. grob fahrlässig.

    2.Reichen die vorhandenen Mittel nicht aus, um alle Schulden zubezahlen, müssen die im Zeitpunkt der Fälligkeit vorhandenen Mittel lediglichanteilig zur Befriedigung des Steuergläubigers und der übrigen Gläubigereingesetzt werden.

    VG Arnsberg, Urt. v. 16. 4. 2015 - 5 K 482/15

  • 1.Der Richter kann das Verfahren auch nach Eröffnung desVerfahrens im Wege des Evokationsrechtes an sich ziehen.

    2.Haben keine Gläubiger Forderungen angemeldet, so kann dieRestschuldbefreiung sofort erteilt werden. Voraussetzung ist nicht, dass dieVerfahrenskosten beglichen sind (a.A. BGH ZInsO 2005, 597 = NZI 2005, 399 mitAnmerkung Ahrens).

    3.Diese zu den vor dem 1.7.2014 beantragten Verfahrenentwickelte Rechtsprechung (AG Göttingen, Beschl. v. 27.5.2008 - 74 IK 282/07,ZVI 2008, 358 = Rpfleger 2008, 475) gilt auch für die Neufassung des § 300 Abs.1 InsO.

    AG Göttingen, Beschl. v. 29. 4. 2015 - 71 IK 99/14 NOM

  • Pressemitteilung

    Urteil vom 23. Juni 2015 – XI ZR 536/14
    Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids nicht berufen kann, wer im Mahnverfahren bewusst falsche Angaben macht.

    Der Kläger des Ausgangsverfahrens erwarb im Jahr 1992 Wohnungseigentum. Den Kaufpreis finanzierte er über Darlehen der Beklagten. Spätestens im Jahr 2005 erfuhr der Kläger von möglichen Ansprüchen gegen die Beklagte aus dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung. Er hat daraufhin am 30. Dezember 2008 durch seinen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, mit dem er in der Hauptsache Zahlung von "großem" Schadensersatz geltend gemacht hat. In dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids hat er erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung nicht abhänge, obwohl der für ihn handelnde Prozessbevollmächtigte wusste, dass die Beklagte "großen" Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums schuldete. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten im Januar 2009 zugestellt worden. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe an das Landgericht hat der Kläger seinen Anspruch unter dem 6. Mai 2010 begründet.
    Die Klage auf Leistung von "großem" Schadensersatz, der die Beklagte die Einrede der Verjährung entgegengehalten hat, ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zurückgewiesen, wobei er sich im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt hat:
    Nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO* findet das Mahnverfahren nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängt. Wer den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, muss nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO** erklären, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist. Gibt der Antragsteller im Mahnverfahren in Kenntnis der Rechtslage bewusst eine sachlich unrichtige Erklärung ab, weil er "großen" Schadensersatz nur Zug um Zug gegen einen im Zusammenhang mit der Schädigung erlangten Vorteil – hier die Eigentumswohnung – verlangen kann, im Antrag aber behauptet, der Anspruch sei von einer Gegenleistung nicht abhängig, wird die Verjährung zwar nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB*** gehemmt. Die Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes stellt in diesem Fall aber einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar. Dieser Missbrauch verwehrt es dem Antragsteller nach § 242 BGB**** grundsätzlich, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen. Unter diesen Umständen ist es ihm im Regelfall auch versagt, sich wenigstens auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des "kleinen" Schadensersatzes zu berufen. Deshalb musste sich auch der Kläger, nachdem die Verjährungsfrist ohne Zustellung des Mahnbescheids abgelaufen wäre, so behandeln lassen, als sei sein Anspruch verjährt.

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  • BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - IX ZR 110/13


    Steht dem Anfechtungsgegner ein anfechtungsfest begründetes Absonderungsrecht an einer abgetretenen Forderung zu, das die objektive Gläubigerbenachteiligung ausschließt, muss der Insolvenzverwalter eine nachträgliche Wertschöpfung, die erst zur Werthaltigkeit des Absonderungsrechts geführt hat, darlegen und beweisen.

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    Einmal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (9. Juli 2015 um 10:10)

  • BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - IX ZB 50/14

    Ist dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder das Zustellungswesen übertragen, können die ihm dadurch entstehenden personellen Mehrkosten durch die Erstattung eines Betrags von 1,80 € je Zustellung gedeckt sein.

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  • BGH, Urteil vom 25.06.2015, IX ZR 142/13, ohne Leitsatz

    1. Es stellt eine Pflichtverletzung des Gläubigerausschusses dar, Kassenprüfungen nur in langen Prüfungsintervallen (hier über ein Jahr) durchzuführen.

    2. Der Schaden bestimmt sich nach § 71 InsO in Höhe der Quotendifferenz ohne das schädigende Ereignis. Hierbei stellt die Schadenersatzleistung eine Sondermasse dar, aus der vorab die Kosten der Bildung und Verteilung zu befriedigen sind.

    3. Den Ausschussmitgliedern können nach Erfüllung des Anspruchs ihre Rechte gegen den Insolvenzverwalter weiter verfolgen.

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  • BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - IX ZB 76/13


    Eine Aufschlüsselung der Forderung nach Arbeitnehmern ist bei einem Eröffnungsantrag eines Sozialversicherungsträgers zur Darlegung und Glaubhaftmachung der Forderung entbehrlich, wenn von dem Schuldner gefertigte Datensätze (sogenannte softcopys) vorgelegt werden (Aufgabe von BGH, Beschluss vom 5. Februar 2004 - IX ZB 29/03, WM 2004, 1686).

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  • InsO § 63 Abs. 1, § 313 Abs. 1 Satz 3 aF; InsVV § 1 Abs. 1, §§ 10, 13 Abs. 1 Satz 1 aF
    InsO § 63 Abs. 1, § 313 Abs. 1 Satz 3 aF; InsVV § 1 Abs. 1, § 10; ZPO § 852 Abs. 1

    Wird ein Insolvenzverwalter oder Treuhänder vorzeitig aus seinem Amt entlassen, berechnet sich seine Vergütung nach dem Schätzwert der Insolvenzmasse zum Zeitpunkt seines Ausscheidens (Anschluss an BGH, WM 2006, 141).
    Ein Pflichtteilsanspruch, zu dessen Verfolgung der Schuldner den Treuhänder oder Insolvenzverwalter ermächtigt hat, erhöht die Berechnungsgrundlage für dessen Vergütung, auch wenn der Anspruch noch nicht durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist.

    BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 - IX ZB 18/13

  • BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - II ZR 366/13

    a) Der Einzug von Forderungen, die an die Bank zur Sicherheit abgetreten waren, auf einem debitorischen Konto der GmbH und die anschließende Verrechnung mit dem Sollsaldo ist grundsätzlich keine vom Geschäftsführer einer GmbH veranlasste masseschmälernde Zahlung im Sinn von § 64 GmbHG, wenn vor Insolvenzreife die Sicherungsabtretung vereinbart und die Forderung der Gesellschaft entstanden und werthaltig geworden ist.

    b) Eine Zahlung kann auch ausscheiden, soweit infolge der Verminderung des Debetsaldos durch die Einziehung und Verrechnung einer Forderung weitere sicherungsabgetretene Forderungen frei werden.

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  • BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - IX ZR 207/13


    Die Zahlung eines Schuldners auf ein debitorisch geführtes Girokonto seines Gläubigers ist in der Insolvenz des Schuldners nur dann als - mittelbare - unentgeltliche Leistung gegenüber der Bank anfechtbar, wenn der Wille des Schuldners erkennbar darauf gerichtet ist, die Zahlung im Endergebnis der Bank zuzuwenden. Dass der Schuldner in Kenntnis der Kontoüberziehung zahlt, genügt hierfür nicht.

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  • BGH, Urteil vom 19. Mai 2015 - II ZR 291/14

    Ein Gesellschafter, der vor Fälligkeit der Einlageschuld auf den Geschäftsanteil eines Mitgesellschafters aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, haftet, soweit die (später fällig gewordene und nicht erfüllte) Stammeinlage auf den Geschäftsanteil des Mitgesellschafters nach dessen Ausschluss im Wege der Kaduzierung weder von den Zahlungspflichtigen noch durch Verkauf des Geschäftsanteils gedeckt werden kann, grundsätzlich für diese Fehlbeträge nicht; dies gilt auch, wenn er durch Übertragung seines Geschäftsanteils auf den später mit seinem eigenen Geschäftsanteil kaduzierten Mitgesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist.

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  • BGH, Urteil vom 6. Juli 2015 - AnwZ (Brfg) 24/14

    Das Verbot, ohne die Einwilligung des Rechtsanwalts eines anderen Beteiligten mit diesem unmittelbar Verbindung aufzunehmen oder zu verhandeln, gilt auch für einen Rechtsanwalt, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist und für die verwaltete Masse eine Forderung geltend macht.

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  • AG Charlottenburg vom 16.03.2015 – 36a IN 891/15
    1. Gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO kann zur Verhütung einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage der Schuldnerin angeordnet werden, dass Forderungen, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 Abs. 2 InsO erfasst würden, nicht vom jeweiligen Gläubiger, sondern vom vorläufigen Insolvenzverwalter eingezogen werden dürfen.


    2. Außerhalb des laufenden Geschäftsbetriebs darf die Ermächtigung jedoch nur erfolgen, wenn die Verjährung oder Uneinbringlichkeit der Forderungen droht (vgl. BGH ZIP 2012, 737 = NZI 2012, 365, Rz. 11). Dem steht gleich, wenn der Geschäftsbetrieb zwar noch läuft, die eingezogenen Gelder jedoch nicht für dessen Aufrechterhaltung verwendet werden dürfen.


    3. Die Gelder sind zu separieren und nach Klärung der Wirksamkeit der Abtretungen ggf. zeitnah auszukehren

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  • BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - III ZR 384/12

    a) Die Aufnahme des Rechtsstreits ist auch möglich, wenn der Rechtsstreit zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Revisionsinstanz anhängig war (Bestätigung von BGH, Beschlüsse vom 31. Oktober 2012 - III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 und vom 29. April 2004 - IX ZR 265/03, BGHR InsO § 180 Abs. 2 - Aufnahme 1).

    b) Zug um Zug-Forderungen können nicht zur Insolvenztabelle angemeldet werden (Bestätigung von BGH, Urteile vom 17. Juli 2014 - III ZR 218/13, WM 2014, 1667; vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, WM 2013, 1597 und vom 1. März 2011 - II ZR 297/08, DStR 2011, 1327).

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