Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Im Fall der Betriebsfortführung durch den Insolvenzverwalter bestimmt sich der Wert der Insolvenzmasse i.S.v. § 58 Abs. 1 Satz 1 GKG (allein) nach dem gesamten Umsatz aus diesem Zeitraum und nicht (nur) nach dem nach Abzug der Geschäftsausgaben verbleibenden Einnahmeüberschuss, also dem Gewinn oder Reinerlös.

    OLG München, Beschl. v. 25. 4. 2017 - 21 W 2/17

  • Der Anspruch auf Informationszugang wird nicht durch andere Normen betreffend den Informationszugang ausgeschlossen. In § 1 Abs. 3 Satz 2 IFG M-V ist geregelt, dass besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht unberührt bleiben. Der Gesetzgeber hat damit festgeschrieben, dass grundsätzlich die Normen über den Informationszugang nebeneinander gelten sollen.

    Der Grundsatz, dass allgemeinere Gesetze subsidiär gegenüber speziellen Gesetzen sind, kann nur dann Anwendung finden, wenn sich das speziellere Gesetz als abschließende Regelung begreift. Dies ist bei den Regelungen zum Zugang zu Fahrzeug- und Halterdaten in der StVG nicht der Fall.

    Die Insolvenzschuldnerin und damit auch der Beklagte können sich gegenüber dem Kläger nicht auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berufen. Denn mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangt der Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§ 80 Abs. 1 InsO) und hat gegenüber dem Insolvenzschuldner einen Anspruch auf Auskunft über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse (§ 987 Abs. 1 Satz 1 InsO), mithin auch über alle Umstände, die für die Beurteilung von Gläubigerforderungen bedeutsam sein können.


    VG Greifswald, Urt. v. 23. 8. 2017 - 6 A 1248/14

  • VG Stuttgart vom 27.07.2017, 10 K 2902/16 n.r.

    1. Mit Eintritt der Rechtskraft eines Insolvenzplans verdrängen die Wirkungen des Plans, insbesondere die hieraus entstehende Folge des § 390 BGB, die Aufrechnungsmöglichkeit des § 95 I S. 1 InsO.

    2. Der Insolvenzgläubiger, dem ein Aufrechnungsrecht nach § 95 I S. 1 InsO zusteht, hat keine mit § 94 InsO vergleichbare gesicherte Rechtsposition, die ihn durch ein Insolvenzplanverfahren trägt.

    anders noch BGH vom 19.05.2011, IX ZR 222/08 wg. § 390 BGB a.F.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Die Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Finanzamt ist grds. ermessensfehlerhaft, wenn es von weniger einschneidenden Vollstreckungsmaßnahmen keinen Gebrauch macht. In diesem Sinne ermessensfehlerhaft verhält sich das Finanzamt nicht, wenn es einem Ratenzahlungsbegehren des Steuerpflichtigen entgegenhält, dass bei Annahme der Ratenzahlungen ein erhebliches Insolvenzanfechtungsrisiko (§§ 129 ff. InsO) bestünde und dabei auf die im Zuge der eingereichten Einkommens- und Vermögensübersicht erlangte eigene Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und Existenz weiterer Gläubiger verweist.

    Entscheidend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des vom Finanzamt gestellten Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist der Zeitpunkt der abschließenden gerichtlichen Beratung über den Antrag auf einstweilige Anordnung. Bis zu diesem Schluss des Verfahrens beim FG kann das Finanzamt deshalb auch seine Ermessenserwägungen nicht nur ergänzen, sondern sein Ermessen auch völlig neu ausüben.


    FG Hamburg, Beschl. v. 18. 5. 2017 - 2 V 117/17

  • Wird die Forderung des antragstellenden Sozialversicherungsträgers nach Stellung des Insolvenzantrags erfüllt, entfällt das Rechtsschutzinteresse dieses Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn der Schuldner das Arbeitsverhältnis des bei dem Gläubiger versicherten Arbeitnehmers gekündigt und die Betriebsstätte geschlossen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 12.7.2012 - IX ZB 18/12, ZInsO 2012, 1565 f.).

    AG Köln, Beschl. v. 14. 6. 2017 - 73 IN 74/17

  • Eine Jahresgratifikation ist nicht insolvenzgeldfähig, wenn hierauf kein Rechtsanspruch aus betrieblicher Übung oder aus Arbeitsvertrag vorliegt.

    Unregelmäßige und in unterschiedlicher Höhe erfolgte Gratifikationen rechtfertigen nicht die Annahme betrieblicher Übung.

    Ein in Bezug auf die Zahlung von Gratifikationen arbeitsvertraglich vereinbarter Freiwilligkeitsvorbehalt wird durch eine Verknüpfung mit einem Widerrufsvorbehalt nicht unklar oder missverständlich, wenn er mit einem weiteren Hinweis, dass durch die Zahlung kein Rechtsanspruch für die kommenden Jahre begründet wird, verknüpft wird.


    LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 20. 3. 2017 - L 3 AL 3482/16

  • Nach § 1 des Gesetzes über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlungen (AAG) "erstatten" die Krankenkassen als Einzugsstellen dem Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen das an den Arbeitnehmer "fortgezahlte" Arbeitsentgelt nebst der darauf entfallenen Beiträge. Eine solche Erstattung scheidet dabei aber per se aus, wenn der Arbeitgeber insoweit keine Lohnfortzahlung zugunsten des Arbeitnehmers vorgenommen hat (vgl. BSG, Urt. v. 31.5.2016 - B 1 KR 38/15 R, BSGE 121, 194 ff. = ZInsO 2016, 1853 f.). Ob er hierzu ggf. gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit überhaupt verpflichtet war, ist ohne Belang. Entscheidend ist allein die tatsächliche Zahlung.

    LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22. 6. 2017 - L 6 KR 2/16

  • Der sog. Sanierungserlass des BMF vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009, BStBl I 2010, 18) verstößt gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Anschluss an den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28. November 2016 GrS 1/15, BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393 [BFH 28.11.2016 - GrS 1/15] = ZInsO 2017, 340).

    Die im BMF-Schreiben vom 27. April 2017 (BStBl I 2017, 741) vorgesehene Anwendung des sog. Sanierungserlasses auf alle Fälle, in denen der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zum 8. Februar 2017 endgültig vollzogen worden ist (Altfälle), ist ebenfalls nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbar.


    BFH, Urt. v. 23. 8. 2017 - I R 52/14

  • Wenn ein Sanierungsgewinn dadurch entstanden ist, dass die Schulden vor dem 9. Februar 2017 erlassen worden sind, kommt weder eine Einkommensteuerbefreiung dieses Sanierungsgewinns nach § 3a EStG n.F. noch eine Billigkeitsmaßnahme nach den BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) oder vom 27. April 2017 (BStBl I 2017, 741) in Betracht.

    BFH, Urt. v. 23. 8. 2017 - X R 38/15

  • Ist der Vollstreckungsschuldner nicht Allein-, sondern lediglich Miteigentümer eines fremdvermieteten, inzwischen der Zwangsverwaltung unterliegenden Grundstücks und gerät er sodann in die Insolvenz, ist der Treuhänder/Insolvenzverwalter Entrichtungsschuldner der auf das Grundstück entfallenden Einkommensteuer (im Anschluss an: BFH, Urteil vom 9.12.2014 - X R 12/12, ZInsO 2015, 1159 sowie in Abgrenzung zu: BFH, Urteil vom 10.2.2015 - IX ZR 23/14, ZInsO 2015, 1265).

    FG Düsseldorf, Urt. v. 3. 5. 2017 - 15 K 2669/15, 15 K 2669/15 E

  • Gem. § 3 Abs. 1b), 2. Alt. InsVV ist eine den Regelsatz übersteigende Vergütung festzusetzen, wenn der (Insolvenz-)Verwalter Häuser verwaltet und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist. Hierunter fällt auch die Durchführung einer "kalten oder stillen Zwangsverwaltung", bei welcher der Insolvenzverwalter die eigentliche Hausverwaltung an einen Dritten delegiert (vgl. BGH, Beschl. v. 14.7.2016 - IX ZB 31/14, ZInsO 2016, 1693).

    Hat sich die Berechnungsgrundlage dabei durch Gewinne der "stillen Zwangsverwaltung" erhöht, ist zu prüfen, ob trotz der Erhöhung der Regelvergütung ein (Ausgleichs-)Zuschlag zu gewähren ist, weil sich die Vergütung ohne Massemehrung bei angemessenem Zuschlag stärker erhöht hätte. Hierbei ist maßgeblich, in welchem Maße der Insolvenzverwalter stärker als in Insolvenzverfahren vergleichbaren Zuschnitts ohne diese Tätigkeit in Anspruch genommen worden wäre, also der real gestiegene Arbeitsaufwand. Ferner muss berücksichtigt werden, in welchem Umfang bereits für einen sich mit der hier fraglichen Tätigkeit überschneidenden Tatbestand ein Zuschlag gewährt worden ist, wie dies typischerweise bei der Bearbeitung von Absonderungsrechten der Fall ist. Bei der Vergleichsberechnung für die Angemessenheit eines Zuschlags für eine stille Zwangsverwaltung kann auch die Vergütung des Zwangsverwalters nach § 18 ZwVwV Berücksichtigung finden. Die Bemessung des Zuschlags muss dazu führen, dass der durch die stille Zwangsverwaltung der Masse zufließende Betrag angemessen zwischen Masse und Verwalter verteilt wird.

    Zum Vorliegen einer i.S.d. § 3 Abs. 1b), 2. Alt. InsVV zuschlagsfähigen Immobilienverwaltung bzw. Immobilienbewirtschaftung.


    LG Frankfurt/O., Beschl. v. 24. 5. 2017 - 13 T 20/16

  • BGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 - IX ZR 288/14

    Ein in einem Grundstückskaufvertrag zugunsten des Verkäufers vereinbartes Rücktrittsrecht für den Insolvenzfall ist nicht gläubigerbenachteiligend, wenn das Rücktrittsrecht von vornherein Bestandteil des gegenseitigen Vertrags ist, der Schuldner Rechte an der Sache ausschließlich aufgrund dieses Vertrags erworben hat, die Rücktrittsklausel den Berechtigten in den Stand setzt, einen Zugriff der Gläubiger auf die Sache jederzeit abwehren zu können, und die Rücktrittsklausel freie Verfügungen des Schuldners zugunsten einzelner Gläubiger ausschließt.

    Die Verpflichtung des Schuldners in einem Grundstückskaufvertrag zur unentgeltlichen Rückübertragung im Fall des Rücktritts ist gläubigerbenachteiligend. Der Verwalter kann in diesem Fall verlangen, dass die Masse so gestellt wird, wie wenn dem Schuldner die gesetzlichen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis zustünden.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Unter den Begriff der Gewinnausschüttung des § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB fällt auch eine gesellschaftsvertraglich vereinbarte Garantieausschüttung - unabhängig davon, ob ein Gewinn im Sinne eines handelsrechtlichen Jahresüberschusses erwirtschaftet wurde oder nicht. Dies gilt auch für Zahlungen unter sonstigen Bezeichnungen, da Sinn und Zweck des § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB die Kapitalerhaltung ist.

    Sind Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet und festgestellt worden, so greift die Rechtskraftwirkung des § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO ein. Diese wirkt im Einzelfall auch gegenüber dem Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin.


    LG Ansbach, Endurt. v. 30. 9. 2016 - 1 S 14/16

  • Aus der Regelung des § 97 Abs. 1 InsO folgt, dass die Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen wie z.B. eine Durchsuchung oder Beschlagnahme nicht auf einen Verdacht gestützt werden kann, der sich auf Auskünfte des Schuldners gründet, die aufgrund des dort geregelten Offenbarungszwangs erlangt wurden.

    Die gilt auch für Auskünfte, zu denen der Schuldner aufgrund eines gerichtlichen Beschluss gegenüber einem Sachverständigen verpflichtet worden ist. Für diesen Fall findet insoweit § 97 Abs. 1 InsO analog Anwendung.

    Unterfallen Angaben des Beschuldigten im Insolvenzverfahren dem Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO, so können sie nicht - wie hier geschehen - zur Begründung eines Anfangsverdachts herangezogen werden können.


    LG Münster, Beschl. v. 31. 8. 2017 - 12 Qs-45 Js 916/16-25/17

  • Zur Bestimmung des Kollisionsrechts bei Überweisung von kaufvertraglich geschuldeten Zahlbeträgen durch inländische Insolvenzschuldnerin an in den Niederlanden ansässige Vertragspartnerin.

    Zur Anfechtbarkeit einer Ratenzahlungsvereinbarung wegen Gläubigerbenachteiligung nach niederländischem Insolvenzgesetz (Faillissementswet - Fw).


    LG Potsdam, Urt. v. 6. 10. 2017 - 6 O 346/16

  • Da der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, bei Zweifeln am Bestand der angemeldeten Forderungen Widerspruch zu erheben, kann seine diesbezüglich pflichtwidrige Säumnis im Hinblick auf die Auswirkung auf den Verfahrensablauf und die Interessen der Beteiligten es gerechtfertigt erscheinen lassen, ihn wegen Schlechterfüllung seiner Pflichten aus dem Amt des Insolvenzverwalters zu entlassen.

    Die von einem Insolvenzverwalter hinsichtlich einer angemeldeten Forderung zu ihrem Bestand anzulegende Prüfungstiefe zum Bestand einer angemeldeten Forderung ist dabei abhängig vom Einzelfall. Je mehr Indizien ihn am Bestand der Forderung zweifeln lassen, desto eher muss er dann in eine tiefergehende inhaltliche Prüfung einsteigen.

    Ein Verschulden des mit der Forderungsanmeldung betrauten Sachbearbeiters muss sich der Insolvenzverwalter dabei als eigenes zurechnen lassen.


    LG Stendal, Beschl. v. 12. 10. 2017 - 25 T 13/17

  • Allein aus dem Umstand, dass die Beklagte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleitete/einleiten musste, um ihre Forderung durchzusetzen, lässt nicht den für eine Verurteilung erforderlichen Schluss zu, dass eine finanzielle Schieflage des Schuldners bestand und somit die Befriedigung aller Gläubiger nicht mehr gewährleistet werden konnte.

    AG Gummersbach, Urt. v. 18. 10. 2017 - 16 C 121/17 (rkr.)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!