Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • Ein Insolvenzverwalter ist nur insoweit berechtigt, die Haftung eines Kommanditisten nach § 171 Abs. 2 HGB einzufordern, als die Inanspruchnahme des Kommanditisten für die Befriedigung von Insolvenzgläubigern benötigt wird.

    Für die Kosten des Insolvenzverfahrens sowie für sonstige Masseverbindlichkeiten i.S.d. §§ 54, 55 InsO haftet die Kommanditistin nicht, weil die von einem Kommanditisten geleisteten Rückerstattung als vorweg abzuwickelnde "Sondermasse" zu behandeln sind.


    LG Offenburg, Urt. v. 16. 1. 2018 - 2 O 26/18

  • Wird eine Forderung gegen eine insolvente KG zur Tabelle festgestellt, so wirkt die Feststellung gem. § 161 Abs. 2 HGB i.V.m. § 129 Abs. 1 HGB mittelbar auch gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern. Die Rechtskraftwirkung der Insolvenztabelle gem. § 201 Abs. 2 InsO greift zulasten eines Kommanditisten dann ein, wenn diese auch zulasten eines Komplementärs wirkt.

    Die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit fortbestehende Verwaltungs- und Verwertungspflicht als Insolvenzverwalters erstreckt sich gem. § 208 Abs. 3 InsO nur noch auf die Masse (§ 80 Abs. 1 InsO). Dazu gehört allein das Gesellschaftsvermögen, nicht das Privatvermögen der Gesellschafter. Durch die Geltendmachung der persönlichen Gesellschafterhaftung i.S.d. §§ 171, 172 HGB wird die nach § 209 InsO zu verteilende Masse nicht vergrößert.


    LG Traunstein, Urt. v. 16. 3. 2018 - 5 O 589/17

  • In Fällen extern hinzugezogener (professioneller) Sanierungsberatung fehlt dem Schuldner jedenfalls dann bereits die eine Vorsatzanfechtung der geleisteten Honorare begründende Gläubigerbenachteiligungsabsicht, wenn der eingeleitete Sanierungsversuch für ihn zwar erkennbar mit Risiken belastet war, die Bemühungen um die Rettung des Unternehmens jedoch ganz im Vordergrund stand und ihm aufgrund konkret benennbarer Umstände eine positive Prognose nachvollziehbar und vertretbar erschien (im Anschluss an: BGH, Urt. v. 12.11.1992 - IX ZR 236/91).

    Die Frage der Schlüssigkeit/Tauglichkeit eines Sanierungskonzepts ist keine Rechts-, sondern Tatsachenfrage. Im Honorar-Anfechtungsprozess obliegt dem Sanierungsberater hierzu die Darlegungs- und Beweislast (vgl. OLG Celle, Urt. v. 8.10.2015 - 16 U 17/15, ZInsO 2015, 2444).

    Auf Vorkasse zu bestehen, ist in der Sanierungsberatung weder üblich noch notwendig.


    LG Würzburg, (End-)Urt. v. 6. 2. 2018 - 71 O 1592/16 Ins

  • Die Befugnis des Finanzamts zur Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer gemäß § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG setzt voraus, dass dem leistenden Unternehmer gegen den Leistungsempfänger ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrages zusteht.

    Ein derartiger Anspruch steht dem Leistenden aus einer ergänzenden Auslegung des mit dem Leistungsempfänger geschlossenen Bauwerkvertrages zu.

    Dieser Anspruch ist auch dann abtretbar, wenn über das Vermögen des leistenden Unternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Dem steht nicht entgegen, dass die Abtretung regelmäßig zu einer Gläubigerbenachteiligung führen würde. Zum einen begründet eine Gläubigerbenachteiligung rechtlich kein Veräußerungsverbot und zum anderen besteht kein Schutzbedürfnis des Insolvenzschuldners und der Gläubiger, wenn der Insolvenzverwalter sich gegen die rechtlich mögliche Abtretung entscheidet, um einerseits die Zahlung des Leistungsempfängers in voller Höhe zur Masse zu ziehen und andererseits die Umsatzsteuerforderung des Finanzamtes nur in Höhe der Insolvenzquote befriedigen zu müssen.


    FG Hamburg, Urt. v. 18. 1. 2018 - 3 K 209/17

  • Da ein Sonderinsolvenzverwalter aufgrund seiner Bestellung selbstständig und nicht lediglich Gehilfe oder Vertreter des Insolvenzverwalters ist, bemisst sich grds. auch dessen Vergütung - systemkonform u.a. mit dem Insolvenzverwalter - nach Maßgabe der entsprechend anzuwendenden §§ 63 - 65 InsO und der InsVV. Die Festsetzung der Vergütung anhand der RVG kommt nur dann infrage, wenn es für die Tätigkeit seines Einsatzes besonderer anwaltlicher Sachkunde i.S.v. § 5 InsVV bedarf (im Anschluss an: BGH, Beschl. v. 26.3.2015 - IX ZB 62/13, ZInsO 2015, 1031).

    Zur Frage, wann der Sonderinsolvenzverwalter eine Regel- oder eine sich nach dem RVG richtende (delegierbare) Sonderaufgabe i.S.d. § 5 InsVV wahrnimmt (vgl. BGH, Beschl. v. 8.3.2012 - IX ZB 162/11, ZInsO 2012, 753).

    Berechnungsgrundlage für die Vergütung nach InsVV (bzw. den Gebührenwert nach RVG) ist das der Verwaltung/Überprüfung unterliegende Vermögen. Bei einer Forderungsprüfung ist für die Regelvergütung die Höhe der zu erwartenden Quote maßgeblich.

    Zur Angemessenheit einer Vergütung von (nur) 1.000 € (= 1 % der Regelvergütung).


    LG Münster, Beschl. v. 14. 3. 2018 - 5 T 448/17

  • Der nach Aufnahme (§ 180 Abs. 2 InsO) des aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des ursprünglichen Beklagten unterbrochenen Rechtsstreits verklagte Insolvenzverwalter, der sich in einem Prozessvergleich zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits verpflichtet, hat dem Kläger alle notwendigen Kosten zu erstatten, und zwar unabhängig davon, ob diese vor oder nach der Aufnahme angefallen sind.

    OLG Saarbrücken, Beschl. v. 14. 12. 2017 - 9 W 18/17

  • Es ist nicht ausreichend, um die durch die Eintragung entstandene Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, dass am Tag der mündlichen Verhandlung alle Einträge im Schuldnerverzeichnis löschungsfähig sind. Aus einem solchen Nachweis getilgte Forderungen und der dadurch bewirkten Löschung der Eintragung ergibt sich nicht automatisch, dass der Steuerberater wieder in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Es können weiterhin Schulden vorhanden sein, die (noch) nicht zu einer Eintragung in das Register geführt haben.

    Die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls ist unter Berücksichtigung der dem Steuerberater obliegenden Darlegung seiner Vermögensverhältnisse nicht widerlegt worden, wenn das Gericht nicht zweifelsfrei feststellen kann, dass der Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung wieder in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt (vgl. auch BFH, Beschl. v. 22.8.2017 - VII B 23/17, BFH/NV 2017, 1633).


    FG Hamburg, Urt. v. 14. 2. 2018 - 6 K 199/17

  • Der Insolvenzverwalter kann von der Finanzverwaltung Berlin Akteneinsicht in die Vollstreckungsakte des Schuldners nach § 3 Abs. 1 ungeachtet dessen verlangen, dass er mit den daraus gewonnenen Erkenntnissen beabsichtigt, einen insolvenzrechtlichen Anfechtungsanspruch gegen das Land Berlin geltend zu machen.

    Die Vorschrift des § 30 AO zum Steuergeheimnis, die den Datenschutz im Steuerrecht regelt, steht dem nicht entgegen.

    Soweit der Anwendungserlass des BMF v. 31.4.2014 zu § 251 AO (AEAO, Nr. 4.5) oder Verfügungen der OFD ein solches Vorgehen von zusätzlich Voraussetzungen abhängig machen (wollen), kommt diesen behördeninternen Vorgaben keine Rechtsnormqualität zu und sind deshalb auch für die Gerichte nicht bindend.


    VG Berlin, Urt. v. 1. 2. 2018 - 2 K 614.15

  • Die GmbH hat gegen den Gesellschafter, der eigenmächtig eine Zahlung von dem Gesellschaftskonto auf sein Privatkonto veranlasst, einen Anspruch auf Rückzahlung nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB. Dies gilt auch dann, wenn die Umbuchung unter dem Vorwand der Sicherung der finanziellen Mittel in der Liquidation der GmbH erfolgt.

    OLG München, (End-)Urt. v. 9. 11. 2017 - 23 U 239/17

  • BGH, Beschluss vom 26. April 2018 - IX ZB 49/17

    Ein wesentlicher Verfahrensverstoß liegt vor, wenn es sich um einen Mangel handelt, der Einfluss aufdie Annahme des Insolvenzplans gehabt haben kann. Es muss nicht feststehen, sondern lediglich ernsthaft in Betracht kommen, dass der Mangel tatsächlich Einfluss auf die Annahme des Plans hatte.

    Ein Insolvenzplan kann dem Insolvenzverwalter nicht die Befugnis verleihen, nach rechtskräftiger Bestätigungdes Insolvenzplans und Verfahrensaufhebung eine Insolvenzanfechtungsklage zu erheben.

    Ein Insolvenzplan kann nicht vorsehen, dass ein anwaltlicher Treuhänder nach Verfahrensaufhebung eine Masseforderung zum Zwecke einer Nachtragsverteilung zugunsten der Gläubigergesamtheit einzieht.

    Der darstellende Teil des Insolvenzplans leidet an einem erheblichen Mangel, wenn die Vergleichsrechnung mit mehreren Fehlern behaftet ist, die für die Gläubigerbefriedigung von Bedeutung sind.

    Ein Insolvenzplan entbehrt möglicherweise der erforderlichen Klarheit und Widerspruchsfreiheit, wennzwar eine feste Insolvenzquote bestimmt wird, ihre Fälligkeit aber von aufschiebenden Bedingungen abhängt, die tatsächlich nicht eintreten können und die gebotene Vollstreckungsfähigkeit in Fragestellen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 - II ZR 272/16

    Zur substantiierten Darlegung einer Forderung gegen den Kommanditisten nach§ 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4 HGB ist es ausreichend, wenn der Insolvenzverwalterdie Insolvenztabelle mit festgestellten Forderungen vorlegt, die nicht aus der Insolvenzmassebefriedigt werden können.

    Die mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO folgende Rechtskraftwirkung der widerspruchsloserfolgten Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle nimmt gemäߧ 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB auch dem Kommanditisten die der Gesellschaftabgesprochenen Einwendungen gegen die Gläubigerforderungen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Stellt der Schuldner bei einem bereits vorliegenden Fremdantrag nachträglich einen Eigenantrag, bleibt er ungeachtet dessen nach Maßgabe der § 13 Satz 3 - 7 InsO zu eigenen Angaben verpflichtet. Das Gesetz macht die dort normierten Verpflichtungen nicht davon abhängig, ob das Gericht die erforderlichen Informationen bereits anderweitig erlangt hat.

    Bei der Erklärung nach § 13 Abs. 1 Satz 7 InsO handelt es sich um eine höchstpersönliche Willenserklärung, deren Abgabe einer Vertretung nicht zugänglich ist


    LG Düsseldorf, Beschl. v. 27. 4. 2018 - 25 T 46/18

  • Sind die Kosten eines Sachverständigen in einem Insolvenzverfahren ausschließlich aufgrund einer um 2 Wochen verspätet erklärten Erledigungserklärung eingetreten, können diese der Gläubigerin auferlegt werden.

    AG Fürth, Beschl. v. 12. 4. 2018 - IN 93/18 (n. rkr.)

  • Im Rahmen der Kommanditistenhaftung infolge eines Darlehensrückzahlungsanspruchs gegenüber der Gesellschaft trifft den Darlehensgeber grundsätzlich keine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf Tilgungsleistungen der Gesellschaft. Der Kommanditist (im hiesigen Fall: die Erben der Kommanditistin) hat die Möglichkeit, sich die entsprechenden Kenntnisse durch Geltendmachung seiner Auskunfts- und Informationsrechte über § 161 Abs. 3 HGB selbst zu verschaffen (vgl. OLG Bremen, Urt. v. 24.11.2017 - 2 U 62/16).

    Eine Vereinbarung zwischen der Kommanditgesellschaft und ihren Gläubigern dahingehend, dass die Gläubiger die Forderung nicht ernsthaft einfordern und die Gläubiger vorrangig Haftungsansprüche gegenüber den Kommanditisten zu ihrer Befriedigung verfolgen führt, jedenfalls wenn im Rahmen der Vereinbarung ausdrücklich an § 17 InsO angeknüpft wird, weder zu einer Stundungseinrede der Gesellschaft noch über §§ 161 Abs. 1, 129 HGB zu einer solchen der Kommanditisten (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 12.7.2017 - 9 U 133/16, Rn. 25 ff.; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 6.11.2017 - 23 U 177/16; OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.10.2016 - 9 U 28/16).


    LG Detmold, Beschl. v. 18. 4. 2018 - 9 O 246/16

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