Ruhen der elterlichen Sorge nach § 1674 a BGB

  • Hallo.

    Ein Kollege hat erstmals einen Fall des § 1674a BGB. Die Mutter hat gem. §§ 25, 26 SchKG vertraulich entbunden. Der Vater ist nicht bekannt (Vergewaltigung). Das Jugendamt bittet nun, das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen und das Jugendamt als Vormund zu bestellen.
    Wir hatten jetzt überlegt, ob überhaupt ein Beschluss notwendig ist. Denn die elterliche Sorge ruht ja Kraft Gesetzes (§ 1674a BGB), sodass Amtsvormundschaft nach § 1791 c BGB eingetreten sein müsste. Oder?
    Eine Kommentierung oder Rechtsprechung zu diesem neuen Problem ist ja noch nicht vorhanden.

  • Habe auch die FamRZ-Fundstelle gelesen, denke aber, dass trotzdem ein Fall von § 1791c Abs 1 S 1 BGB vorliegen sollte: "Mit der Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind und das eines Vormunds bedarf, wird das Jugendamt Vormund, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat". Das trifft m.E: alles zu.

    Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas (Ovid, röm. Dichter, 43 v.Chr. - 17 n.Chr.)

  • Habe auch die FamRZ-Fundstelle gelesen, denke aber, dass trotzdem ein Fall von § 1791c Abs 1 S 1 BGB vorliegen sollte: "Mit der Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind und das eines Vormunds bedarf, wird das Jugendamt Vormund, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat". Das trifft m.E: alles zu.

    Genau das haben wir uns das auch gedacht. Die Voraussetzungen dürften vorliegen.
    Der Kollege ist grade im Urlaub und will sich die FamRZ-Fundstelle danach mal ansehen (müssen dafür extra in die Bibliothek).

  • Also, der Kollege hat sich die FamRZ-Fundstelle angesehen. Dass ein Vormund gem. § 1773 BGB zu bestellen ist, steht zwar drin, aber keinerlei Begründung. Der Kollege hat sich daher für die Übersendung einer Bescheinigung an das JA ohne Beschluss entschieden.
    Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass § 1791 c BGB Anwendung findet.

  • Ich habe diese Woche auch das erste Mal eine solche Sache auf dem Tisch gehabt und sehe es so, dass kein Vormund bestellt werden muss, sondern eine Amtsvormundschaft vorliegt.

  • Kann die Amtsvormundschaft nach § 1791c BGB nicht nur dann eintreten, wenn das Kind bei der Geburt eines Vormundes bedarf (Regelfall: minderjährige Mutter) und auch nur dann, wenn nicht bereits vor der Geburt ein Vormund bestellt ist (§ 1774 Satz 2 BGB)?

    Hintergrund: ein minderjähriges Kind braucht mit der Geburt einen gesetzlichen Vertreter und bekommt daher das Jugendamt als Amtsvormund (wenn nicht bereits vorher ein Vormund bestellt wurde).

    Zum vorliegenden Fall:
    mit der Geburt hat das Kind einen gesetzlichen Vertreter (die Mutter), es sei denn sie ist minderjährig (dann Amtsvormundschaft nach § 1791c BGB).

    Im Fall des § 1674a BGB hat das Kind aber -Voraussetzung: volljährige Mutter- einen gesetzlichen Vertreter. Die elterliche Sorge ruht aber nur. Es muss -wie immer, wenn die elterliche Sorge ruht- nach Festellung des Ruhens eine gerichtliche Entscheidung (Anordnung Vormundschaft, Anordnung Pflegschaft) erfolgen.

    Problem: Ohne Anordnungsbeschluss in diesem Fall keine Vormundschaft. Eine bestellte Amtsvormundschaft im Sinne des § 1781 b BGB bedarf immer eines Anordnungsbeschlusses.

    Das Jungendamt ist auch dann nicht bestellter Amtsvormund, wenn ihm eine Amtsbescheinigung erteilt wird (es fehlt der Anordnungsbeschluss). Der bestellte Amtsvormund nach § 1791b BGB weist sich immer durch den Anordnungsbeschluss aus.

    Der bestellte Vormund erhält grundsätzlich eine Bestallung (§ 1791 BGB, außer derbestellte Amtsvormund über § 1791b Absatz 2 BGB). Der bestellte Amtsvormund erhält aber keine Amtsbescheinigung (diese ist nur geregelt in § 1791c BGB für den gesetzlichen Amtsvormund). Der gesetzliche Amtsvormund erhält nur eine Amtsbescheinigung (§ 1791c Absatz 3 BGB), der bestellte Amtsvormund aber nicht (§ 1791 b Absatz 2 BGB).

  • Ich bin der Meinung, dass kein Feststellungsbeschluss über das Ruhen der elterlichen Sorge und daher auch kein Beschluss über die Anordnung der Vormundschaft notwendig ist.

  • Systematisch sehe ich auch § 1791c BGB (+). KM nicht verheiratet, eS steht ihr allein zu, aber ruht kraft Gesetzes seit Geburt, also genau wie der Standardfall der Minderjährigkeit.

    In der Begründung zu § 168a FamFG, KLICK, könnte man auch auf den Gedanken kommen, dass bestellt werden müsste, mir scheint das aber zu weit hergeholt, zu § 1674a BGB findet sich gar nichts zum Prob.. Alle anderen Drs., KLICK, habe ich mir aber nicht durchgelesen.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ich habe hier jetzt auch einen Fall mit einer vertraulichen Geburt. Es liegen keine Angaben vor, ob die Kindesmutter verheiratet ist, so dass möglicherweise der Vater ebenfalls sorgeberechtigt sein könnte. Ich komme also nicht zwingend zur Anwendung von § 1791c.

    Würdet Ihr jetzt eine Feststellung gem. § 1674 BGB bezüglich des Vaters treffen? Die Voraussetzungen dürften vorliegen, der Vater wird in der jetzigen Lage kaum Entscheidungen für das Kind treffen können. Andererseits ist unklar, ob es überhaupt einen rechtlichen Vater gibt, so dass die Feststellung, dass er das Sorgerecht nicht ausüben kann, zumindest seltsam erscheint.

  • wo ist denn in judica/tsj die verfügung mit der bescheinigung nach § 1791c Abs. 3?
    oder kann mir jmd eine vfg dazu einstellen?

    be water my friend

    Ich kann nicht ständig die SuFu nutzen- ich muss auch mal was arbeiten :akten

  • Mangels einer anderen gesetzlichen Regelung wird das auch so sein. Mein Kollegin hatte während meines Urlaubs einen Beschluss erlassen, wonach sie feststellte, dass die elterliche Sorge ruht, und zudem Vormundschaft anordnete und das JA zum Vormund bestellte. Den zweiten Teil hätte ich genauso gemacht, der erste Teil war natürlich überflüssig, weil die eSo bereits kraft Gesetzes ruhte. Zwecks Rechtssicherheit sollte man nicht einfach davon ausgehen, dass 1791c analog anzuwenden sei, weil der Fall ja ähnlich liegt.

  • Ich denke auch, dass es eines Beschlusses über die Anordnung der Vormundschaft bedarf. Auch wenn das Ruhen der elterlichen Sorge der Mutter kraft Gesetzes erfolgt, heißt dass ja noch lange nicht, dass eine Vormundschaft erforderlich ist (es ruht lediglich die elterliche Sorge der Mutter). Diesen Punkt muss man ja sonst auch klären, wenn das Ruhen durch Beschluss festgestellt wird. Man prüft doch dann auch, ob es einen anderen sorgeberechtigten Elternteil gibt, der die elterliche Sorge dann allein ausüben kann oder ob ebend niemand anderes da ist und eine Vormundschaft erforderlich wird. Da hätte man die Vorschrift lieber ähnlich dem § 1751 BGB formulieren sollen (wäre eindeutiger).

  • Ich habe heute eine Kollegin anrufen müssen - weil mein Programm (ForumStar) mich geärgert hat.

    Quintessenz: Ich ordne nicht an - ich bestelle einfach.
    Aber für die die anordnen (bedankt euch bei FS für die dumme Frage):
    Seid ihr denn zuständig? Ich (FS) frage (fragt) wegen § 14 I Nr. 10 RPflG https://dejure.org/gesetze/RPflG/14.html .

    Wie stellt ihr die Nationalität fest? Ich meine, ja okay, Geburt ist offensichtlich in Deutschland, aber wenn auch nur auch eine weitere Nationalität mit im Spiel ist, ist der Richter zuständig. Und wir wissen ja gerade nicht, wer die Eltern sind.

  • Mangels anderer Erkenntnisse werden wir wohl vom gesetzlichen Normalfall ausgehen müssen, dass die Eltern Deutsche sind und das Kind es daher auch ist.

    Wer auch immer gegen die Entscheidung des Rechtspflegers vorgehen will, weil sie richtig vom Richter hätte ergehen müssen, dürfte ein Problem mit der Begründung haben.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

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