Grundbucheinsicht durch Pflichtteilsberechtigten

  • Der Erblasser hat in seinem notariellen Testament seinen Sohn A zum Alleinerben eingesetzt und seinem weiteren Sohn B den Pflichtteil entzogen. Über die Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung ist ein Rechtsstreit anhängig.

    Jetzt verlangt B Einsicht in das Grundbuch des Erblassers, welches zwischenzeitlich auf den A umgeschrieben ist, nebst Abschriften aller Veräußerungsverträgen, die seit dem Tod des Erblassers erfolgt sind.

    Hat B dieses Recht ?

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  • Helfen Dir diese beiden Entscheidungen ? Solange über die Berechtigung zur Pflichtteilsentziehung nicht rechtskräftig entschieden ist, würde ich den Sohn B als Pflichtteilsberechtigten ansehen wollen.
    ..
    2. Wird die Grundbucheinsicht von einem pflichtteilsberechtigten Angehörigen zum Zwecke der Prüfung und Geltendmachung etwaiger Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche beantragt, so kann sie nicht von der Vorlage eines Erbscheines oder dem Nachweis abhängig gemacht werden, dass gegen den eingetragenen Eigentümer bereits ein Prozess geführt werde oder dieser Vollmacht zur Einsichtnahme erteilt habe.

    OLG Frankfurt 20. Zivilsenat, Beschluss vom 17.02.2011, 20 W 72/11

    http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal…&doc.id=KORE216


    oder

    Grundbucheinsichtsrecht eines pflichtteilsberechtigten Angehörigen, der Miterbe ist, zur Feststellung etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche.

    OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 07.11.2012, 34 Wx 360/12

    http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal…true#focuspoint


    Aus den Gründen: „Es ist allgemein anerkannt, dass nach Eintritt des Erbfalls ein Pflichtteilsberechtigter - wozu die Beteiligte als Tochter des Erblassers zählt (§ 2303 Abs. 1 BGB) - in aller Regel ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht zur Regelung der erbrechtlichen Ansprüche und insbesondere zur Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen hat (vgl. hierzu KG NJW 2004, 1316; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 525 m.w.N.; Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. § 12 Rn. 60). Dabei kann das Interesse sich nicht nur auf die Frage erstrecken, in welcher Höhe mögliche Ansprüche gegen Miterben bestehen. Können Pflichtteilsergänzungsansprüche entstanden sein, so ergibt sich das berechtigte Interesse an der Einsicht in Grundbuchblätter auch ehemaligen Grundeigentums des Erblassers allein schon zur Klärung, ob solche Ansprüche tatsächlich entstanden sind. Das Interesse umfasst auch die Einsicht in die Abteilungen II und III (OLG Düsseldorf FGPrax 2011, 58).“

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  • Solange über die Berechtigung zur Pflichtteilsentziehung nicht rechtskräftig entschieden ist, würde ich den Sohn B als Pflichtteilsberechtigten ansehen wollen.

    Ich würde spontan genau umgekehrt argumentieren. Dem Sohn wurde vom Erblasser doch gerade der Pflichtteil entzogen. Bevor nicht festgestellt wurde, dass er doch pflichtteilsberechtigt ist, hat er meiner Meinung nach auch kein Einsichtsrecht. Jedenfalls nicht aus der Position des Pflichtteilsberechtigten heraus. Wenn er bei der Begründung, warum er die begehrte GB-Einsicht braucht noch etwas Butter bei die Fische tut (z.B. im Hinblick auf den laufenden Rechtsstreit), könnte man natürlich trotzdem zu einem Einsichtsrecht kommen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • M. E. hätte B ein Einsichtsrecht insoweit, als es erforderlich ist, um abschätzen zu können, ob sich ein Rechtsstreit wegen des Pflichtteilsrechts überhaupt lohnt (wenn er das so begründet). Das kann dann aber noch keine Einzelheiten betreffen, dazu reicht es zu wissen, dass überhaupt nennenswerte Erbmasse da ist. Das ist ja der Fall, das scheint er auch zu wissen, und damit hat es sich erst einmal. Umso mehr, als der Rechtsstreit ohnehin schon läuft.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Solange über die Berechtigung zur Pflichtteilsentziehung nicht rechtskräftig entschieden ist, würde ich den Sohn B als Pflichtteilsberechtigten ansehen wollen.

    Ich würde spontan genau umgekehrt argumentieren. Dem Sohn wurde vom Erblasser doch gerade der Pflichtteil entzogen. Bevor nicht festgestellt wurde, dass er doch pflichtteilsberechtigt ist, hat er meiner Meinung nach auch kein Einsichtsrecht. Jedenfalls nicht aus der Position des Pflichtteilsberechtigten heraus. Wenn er bei der Begründung, warum er die begehrte GB-Einsicht braucht noch etwas Butter bei die Fische tut (z.B. im Hinblick auf den laufenden Rechtsstreit), könnte man natürlich trotzdem zu einem Einsichtsrecht kommen.

    Wenn ich aber nach der Beweislastregel des § 2336 Absatz 3 BGB gehe, muss der Erbe als Schuldner des Pflichtteilsanspruchs, im Falle von § 2329 BGB der Beschenkte, den Beweis unter anderem dafür führen, dass der Pflichtteilsberechtigte weder gerechtfertigt noch schuldlos gehandelt hat. Auch wenn der Pflichtteilsberechtigte bei § 2333 Abs. 1 Nr. 2 eine Notwehrlage behauptet, muss der Erbe beweisen, dass die Voraussetzungen des Notwehrrechts nicht vorgelegen haben (siehe Lange im Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 2336 RN 14 mwN). Und erst mit der wirksamen Entziehung des Pflichtteils entfallen sämtliche Ansprüche, die das Pflichtteilsrecht dem betroffenen Abkömmling in den §§ 2303 ff. gewährt (MüKo/Lange, § 2336 BGB RN 17)

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  • Wenn ich aber nach der Beweislastregel des § 2336 Absatz 3 BGB gehe, muss der Erbe als Schuldner des Pflichtteilsanspruchs, im Falle von § 2329 BGB der Beschenkte, den Beweis unter anderem dafür führen, dass der Pflichtteilsberechtigte weder gerechtfertigt noch schuldlos gehandelt hat. Auch wenn der Pflichtteilsberechtigte bei § 2333 Abs. 1 Nr. 2 eine Notwehrlage behauptet, muss der Erbe beweisen, dass die Voraussetzungen des Notwehrrechts nicht vorgelegen haben (siehe Lange im Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2013, § 2336 RN 14 mwN). Und erst mit der wirksamen Entziehung des Pflichtteils entfallen sämtliche Ansprüche, die das Pflichtteilsrecht dem betroffenen Abkömmling in den §§ 2303 ff. gewährt (MüKo/Lange, § 2336 BGB RN 17)

    Mmmh, die Argumentation kann ich nachvollziehen.
    Aber ich sehe irgendwie immer noch keinen Grund, WARUM tatsächlich Grundbucheinsicht erfolgen soll. Hat er denn nichts dazu vorgetragen, wozu die Auskünfte benötigt werden? Beruft sich der B nur darauf, dass er Pflichtteilsberechtigter ist und das deshalb darf? Das wäre mir zu dünne.

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    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • #1 wird dahin berichtigt, dass über die Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung kein Rechtsstreit anhängig ist, sonderen es geht - wie jetzt bekannt wurde - um etwas anderes:

    Der Rechtsanwalt des Pflichtteilsberechtigten hat zwar die Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung gegenüber dem Alleinerben bestritten, da Verzeihung erfolgt sei. Allerdings habe der Rechtsanwalt dann weiter nichts mehr unternommen und der evtl. Pflichtteil sei zwischenzeitlich verjährt.
    Der Pflichtteilsberechtigte hat jetzt seinen früheren Rechtsanwalt auf Schadensersatz verklagt und möchte deshalb zum Nachweis seines Schadens Einsicht in das Grundbuch des Erblassers bzw. dessen Rechtsnachfolger, dem Alleinerben.

  • Für die Berechnung des (entgangenen) Pflichtteilsanspruchs sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich. Ich sehe daher nicht, welche Bedeutung die etwaigen nach dem Erbfall erfolgten Veräußerungen für diese Berechnung haben sollten.

  • Wenn die Veräußerung zeitnah erfolgt ist, wäre der Verkauferlös für den Schadensersatzanspruch von Bedeutung. In diesem Fall würde ich allerdings lediglich eine Auskunft über den erzielten Verkaufserlös erteilen wollen. Für die Einsicht in das Grundbuch, insbesondere in Abt. II und III, schiene mir dann ein berechtigtes Interesse nicht gegeben.

    Ist hingegen bislang lediglich die Grundbuchberichtigung auf den Alleinerben A erfolgt, dürfte der für den Schadensersatzanspruch maßgebende Grundstückswert auch von den Belastungen nach Abt. II und III abhängen, so dass ich dem Einsichtsbegehren entsprechen würde.

    Allerdings müsste ja wohl zunächst einmal der UdG entscheiden.

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  • "Mein" UdG hat im Moment einen Einsichtsantrag eines Pflichtteilsberechtigten in Übertragungsverträge bezgl. des früheren Grundbesitzes seines jüngst Vaters. Der Grundbesitz wurde aber bereits vor über 40 Jahren auf seine Schwester übertragen. Hat er dennoch ein Einsichtsrecht in die Verträge?

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • "Mein" UdG hat im Moment einen Einsichtsantrag eines Pflichtteilsberechtigten in Übertragungsverträge bezgl. des früheren Grundbesitzes seines jüngst Vaters. Der Grundbesitz wurde aber bereits vor über 40 Jahren auf seine Schwester übertragen. Hat er dennoch ein Einsichtsrecht in die Verträge?

    Ergänzung (war natürlich wieder alles suuuuper eilig heute): Ich wäre bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach § 2325 BGB zutraulich gewesen, wenn wir da nicht so weit außerhalb der 10-Jahres-Frist wären. Was anderes habe ich nicht zu Tage gefördert und bin daher zu dem Schluss gekommen, dass der Antragsteller da noch ein bisschen Butter bei die Fische tun muss.
    Ggf. melde ich mich also irgendwann nochmal ;)

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • "Mein" UdG hat im Moment einen Einsichtsantrag eines Pflichtteilsberechtigten in Übertragungsverträge bezgl. des früheren Grundbesitzes seines jüngst Vaters. Der Grundbesitz wurde aber bereits vor über 40 Jahren auf seine Schwester übertragen. Hat er dennoch ein Einsichtsrecht in die Verträge?

    Ergänzung (war natürlich wieder alles suuuuper eilig heute): Ich wäre bei Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach § 2325 BGB zutraulich gewesen, wenn wir da nicht so weit außerhalb der 10-Jahres-Frist wären. Was anderes habe ich nicht zu Tage gefördert und bin daher zu dem Schluss gekommen, dass der Antragsteller da noch ein bisschen Butter bei die Fische tun muss.
    Ggf. melde ich mich also irgendwann nochmal ;)

    Nur weil bereits 40 Jahre vergangen sind, heißt das noch lange nicht, dass der Vorgang nicht pflichtteilsergänzungsrechtlich zu berücksichtigen wäre. So läuft die 10-Jahresfrist z. B. bei einem vorbehaltenen Nießbrauch des Übergebers nicht an.


  • Nur weil bereits 40 Jahre vergangen sind, heißt das noch lange nicht, dass der Vorgang nicht pflichtteilsergänzungsrechtlich zu berücksichtigen wäre. So läuft die 10-Jahresfrist z. B. bei einem vorbehaltenen Nießbrauch des Übergebers nicht an.

    Ein Nießbrauch war in der Tat vereinbart, ist aber ebenfalls bereits seit über 10 Jahren gelöscht.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

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