Pfandfreier Betrag bei Einkommen aus selbständiger Tätigkeit

  • Hallo liebe Kollegen!

    Habe folgendes Problem:

    Gepfändet wird nach § 850 c ZPO Arbeitseinkommen des Schuldners. Der Schuldner bezieht vom jeweiligen Drittschuldner jedoch kein typisches Arbeitseinkommen, sondern ist dort als "selbständiger" freier Mitarbeiter tätig, bekommt also als Einkommen eine Bruttosumme gezahlt, von der er noch Steuern, Versicherungen und betriebliche Kosten bestreiten muss.
    Der Drittschuldner zahlt momentan gar nichts aus; er weiß gar nicht wie er einen pfändbaren Betrag ermitteln soll.
    Der Schuldner stellt Antrag, dass ihm aufgrund seiner monatlichen Kosten der gesamte Betrag zu verbleiben hat.

    Dass die Beträge, die der Schuldner als Steuern und ihm Rahmen der gesetzlichen Versicherungen abführen muss, neben dem notwendigen Lebensunterhalt verbleiben müssen, ist gesetzlich festgelegt. Aber wie sieht es mit den betrieblichen Aufwendungen aus?
    Nach seiner Aussage leistet er für diese Auslagen vor und bekommt sie dann - zusammen mit seinem monatlichen Einkommen - erstattet. Sind diese Aufwendungen als unpfändbar zu berücksichtigen?

  • Traut sich wohl keiner, weil alle das Problem kennen. Zum Glück tritt der Fall nur selten auf (im Hinblick auf die "ich-AGs" Tendenz steigend). Die Vorschriften übers Arbeitseinkommen passen alle nicht richtig, aber ist denn überhaupt nur Arbeitseinkommen gepfändet? Werklohn würde es eher treffen. Ein Einstieg ist wohl 850 i, diese "Selbstsändigen" rechnen meist nach Aufwand ab, und das ist dann nicht wiederkehrend/regelmässig. Über 850f könnte man einen monatlichen Betrag bestimmen. Und nun schlagt mich.

  • @Ralf Zeigermann : Warum schlagen ?- der Fall ist doch nicht unüblich (hatte ich schon ca. 3x - und das bei unserem kleinen Gericht )

    @moachekibschen : Die Vorschriften der §§ 850 ff. ZPO gelten gem. § 850 ZPO auch für "sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen "

    Somit stellen die Einkünfte aus der (Schein-?) Selbständigkeit des Schuldners Arbeitseinkommen im Sinne der Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO dar und hier liegt ein Antrag nach § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO auf Höhersetzung des pfandfreien Betrags aufgrund beruflicher Aufwendungen vor.

    Wie bei einem Arbeitnehmer auch sind die Sozialversicherungsabgaben schon gem. § 850e Nr. 1 ZPO als unpfändbar zu bestimmen.

    Die zur Aufrechterhaltung des "Gewerbebetriebs" (also der selbständigen Tätigkeit des Schuldners) notwendigen beruflichen Unkosten können im Verfahren nach § 850f ZPO geltend gemacht und nach Gläubigeranhörung ggf. als unpfändbar freigegeben werden.

    Ich habe das regelmäßig so gelöst, dass ich mir die notwendigen Kosten des letzten Jahres vor Antrag habe nachweisen lassen und dann den monatlichen Durchschnittswert als unpfändbar bestimmt habe (passt aber vielleicht nicht immer).

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  • Hallo allerseits,

    in der InsO trifft man immer häufiger auf diesen Fall. Lösung so wie von bishop dargelegt, zumindest dann wenn das sog. "Vereinbarungsmodell" vom InsVerw gewählt wird. Leitsatz des BGH (Beschluss vom 20.03.03 - IX ZB 388/02) hierzu:

    "Einkünfte, die ein selbständig tätiger Schuldner nach der Insolvenzeröffnung erzielt, gehören in vollem Umfange ohne einen Abzug für beruflich bedingte Ausgaben zur Insolvenzmasse. Er kann jedoch gem. § 850i ZPO beantragen, dass ihm von seinen durch Vergütungsansprüche gegen Dritte erzielten Einkünften ein pfandfreier Betrag belassen wird."

    In der Zwangsvollstreckung habe ich es früher genauso gehandhabt. Die Beträge derer der Schuldner zur Aufrechterhaltung seines wie auch immer gearteten Geschäftsbetriebes bedarf erhielt/erhält er von mir nach § 850f ZPO. Hierzu: Stöber, Forderungspfändung, 12. Aufl. (uralt - ich weiß!) Rdn 1178 mit dem typischen "Zahnarztfall" (BGH in JurBüro 1986,551).

    Wenn's gar zu unübersichtlich wird (hatte einen Allgemeinmediziner mit großer Praxis) kann man ja auch ein Gutachten über die Notwendigkeit der geltend gemachten Praxisaufwendungen (Betriebsausgaben) einholen.

    Gruß

    HuBo

  • Ich lass mir von den Schuldnern zumindest die Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen des laufenden Jahres und des Vorjahres vorlegen und ermittle dann die Beträge, die der Schuldner zum Aufrechterhalten des Gewerbebetriebes benötigt und belasse es ihm pfandfrei. Gute Erfahrungen habe ich dabei, daß ich den ermittelten Betrag einstweilen freigebe und per Zwischenverfügung die Berechnung zur Anhörung an beide Parteien gebe.

  • @rüpfel : ups... einstweilen ? Bei § 850f ZPO ? Dann lass dich mal nicht von einem bösen Gläubigervertreter beißen. Ich musste mich mal von unserem LG belehren lassen, dass es bei einem Verfahren nach § 850f Abs. 1 ZPO keine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gibt (und somit dürfte es ohne Gläubigeranhörung m.E. auch keine einstweiligen Entscheidungen geben...) oder deklarierst du das Begehren als Erinnerung nach § 766 ZPO und verfährts nach § 732 II ZPO ?!? :)

    the bishop :kardinal:

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  • Wie kann ich denn als "Laie" einschätzen, welche Kosten zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig sind und welche nicht? Ein Gutachten einzuholen scheint mir da sehr aufwendig, schießt man da nicht mit Kanonen auf Spatzen????

  • @moachekibschen:
    Ich glaube, mit

    Zitat von HugoBossi


    Wenn's gar zu unübersichtlich wird (hatte einen Allgemeinmediziner mit großer Praxis) kann man ja auch ein Gutachten über die Notwendigkeit der geltend gemachten Praxisaufwendungen (Betriebsausgaben) einholen



    war nur ein ganz problematischer Fall, in dem man keinen monatlichen Durschnittswert aus dem letzten Jahr bilden kann und/oder bei dem man als normaler Laien-Rechtspfleger die Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten (ominöse Beztriebsausgaben etc.) nicht beurteilen kann (=Wirtschaftsprüfer-Tätigkeit) gemeint. In einem solchen Fall würde ich auch die Einschaltung eines Wirtschaftsprüfers in Erwägung ziehen.

    Ich denke, bei weit über 90% der Fälle können wir uns aber mit dem gesunden Menschenverstand (z.B. fallen mir als notwendige Betriebsausgaben aus meinen bisherigen Fällen ein : Büromiete, Telefon- und Faxkosten, Software-Lizenzkosten, Steuerberatungskosten, Autokosten (Leasing-, Vers.- und Wartungskosten), ...) und der Durchschnittswert-Methode ganz gut selbst behelfen.

    Ich kündige i.d.R. beiden Parteien die beabsichtigte Verfahrensweise an und warte ab, ob ernstzunehmende Einwendungen erfolgen (was bisher noch nicht vorgekommen ist, da weder Schuldner noch Gläubiger Bock haben, sich jeden Monat mit einem neuen Vollstreckungsschutzantrag herumzuplagen, was die Alternative wäre).

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