Anhörung unbekannter Nacherben

  • Sachverhalt:
    Der befreite Vorerbe verkauft ein Grundstück an die Gemeinde. Die Entgeltlichkeit ist nachgewiesen. Das Grundbuch wird unrichtig.
    Der Nacherbfall tritt ein, wenn der Vorerbe ohne Hinterlassung von ehelichen Abkömmlingen verstirbt. Nacherben sind die Schwestern des Erblassers, an Stelle einer verstorbenen Schwester treten deren Abkömmlinge.

    Der Erblasser hat das Testament im Jahre 1938 verfasst und ist kurz darauf verstorben. Seine Schwestern sind schon lange verstorben.

    Ich habe nun bei meiner Betreuungsabteilung die Anordnung einer Verfahrenspflegschaft für die unbekannten Nacherben angeregt.

    Die zuständige Kollegin ist der Meinung das sei nicht erforderlich, ich müsste die Ersatznacherben ermitteln - was aber meiner Meinung nicht möglich ist, denn Ersatznacherben sind die Abkömmlinge (darunter verstehe ich alle Abkömmlinge, auch Enkel und Urenkel) die im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls noch leben.

    Mein Problem ist nun, wenn sie keine Verfahrenspflegschaft anordnet kann ich den Nacherbenvermerk nicht löschen, aber gegen ihre Ablehnung kann ich auch nichts unternehmen. Ich muss den Antrag auf Löschung zurückweisen und der Notar hat meiner Meinung nach keine Möglichkeit hiergegen Erinnerung einzulegen, da die Zurückweisung ja zu Recht erfolgt (ich kann nicht entgegen dem Grundgesetz ohne Anhörung ein Recht für einen Beteiligten löschen).

    Hat jemand eine Idee, wie man die Kuh vom Eis bekommt???

  • Meiner Meinung nach liegt die Kollegin falsch. Man weiß erst zum Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls, wer Nacherbe ist. Das können andere Personen sein als diejenigen, die zum Zeitpunkt der Anhörung zu Nacherben berufen wären. Daher sind die Nacherben zur Zeit insgesamt unbekannt.

    Life is short... eat dessert first!

  • ganz Recht Cromwell.
    Ich hatte gebeten für die unbekannten Nacherben einen Pfleger für das Anhörungsverfahren zu bestellen

  • Das ist auch meine Meinung, aber leider nicht die der Betreuungsrechtspflegerin und ich befürchte einen Stillstand der Rechtspflege wenn sie keinen Pfleger bestellt, denn wer soll gegen die Ablehnung vorgehen? Ich darf es nicht und der Notar kann nicht

  • Dann soll der Notar eben anregen und ggf. gegen eine Ablehnung vorgehen. Wäre das nicht ein Weg (wenigstens zu einer Entscheidung)?

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Ich werfe mal einen pragmatischen Ansatz ins Feld (ja, ich weiß, dies entspricht nicht 100%ig den Buchstaben des Gesetzes):
    Der Rechtspfleger hat die (volle) Entgeldlichkeit geprüft und bejaht. Mit einer Umschreibung wird das GB hinsichtlich des NE-Vermerkes unrichtig;
    der Vermerk kann nach § 22 GBO gelöscht werden.
    Aus Gründen des fairen Verfahrens gem. Art. 103 GG soll ich die NE vorher anhören. Wenn ich es nicht tue (z.B. weil ich sie nicht kenne), wird meine Eintragung dadurch unrichtig?
    Nein! Die Nicht-Anhörung begründet lediglich einen Verfahrensfehler, der aber nur dann zum Tragen kommt (= Schadensersatz auslöst)
    wenn sich herausstellt, dass ich vorher falsch oder unzureichend geprüft habe.
    Daher unterlasse ich im Einzelfall bei unbekannten Nacherben auch mal die Anhörung als untunlich.
    Aber nur wenn ich mir ganz sicher bin, dass alle anderen Eintragungs-Voraussetzungen vorliegen!

    Und es gibt noch einen weiteren Gesichtspunkt: wo kein Kläger, da kein Richter!
    Es ist recht unwahrscheinlich, dass die potentiellen Nacherben, die irgendein entfernter Verwandter Anno Tuck als Erbe eingesetzt hat,
    sich beim Grundbuchamt melden und beweisen (!) können, dass das fragliche Grundstück unter Wert verkauft wurde.
    Wem diese Unsicherheit zu groß erscheint, mag den dornigen Weg über die Pflegerbestellung gehen.

    Niemand ist unersetzbar. Die Friedhöfe liegen voll von Leuten, die sich für unersetzbar hielten (H.-J. Watzke). :cool:

    2 Mal editiert, zuletzt von Spaltenmuckel (24. Juli 2014 um 16:02)

  • Im Übrigen: was soll der angehörte Pfleger an Erkenntnisgewinn zum Grundbuchverfahren beitragen?
    Er wird sich in aller Regel die gleichen Urkunden ansehen, wie der Rechtspfleger im GBA auch
    und er muss sich nicht einmal äussern; die Tatsache des Zugangs des Anhörungsschreibens und der Gelegenheit zur Äusserung reicht aus.

    Wie man meinen Ausführungen wohl entnehmen kann, bin ich kein Freund von "pro forma"-Pflegerbestellungen,
    die nur dazu dienen, dass der zuständige Rechtspfleger hinterher besser schlafen kann.

    Niemand ist unersetzbar. Die Friedhöfe liegen voll von Leuten, die sich für unersetzbar hielten (H.-J. Watzke). :cool:

  • Dein Ansinnen entspricht nicht nur "nicht 100%ig dem Buchstaben des Gesetzes", sondern er entspricht überhaupt nicht den gesetzlichen Vorgaben. Ich habe dies im Forum schon an anderer Stelle dargelegt und möchte mich daher insoweit nicht wiederholen.


  • Wie man meinen Ausführungen wohl entnehmen kann, bin ich kein Freund von "pro forma"-Pflegerbestellungen,
    die nur dazu dienen, dass der zuständige Rechtspfleger hinterher besser schlafen kann.

    Ja, ja, ja, da haben wir sie wieder: die Unfehlbarkeit der Richter/Rechtspfleger.

    Wie während meiner Studienpraxis vor zig Jahren. Der damalige Nachlassrichter bzw. Vormundschaftsrichter sagte: 'Ich weis, was für die Betroffenen gut ist'.
    Und wir in BW waren so gut, dass wir bei Grundbucheintragungen sogar auf die zweite Unterschrift verzichtet haben. Und wie wurden wir wegen dieses Verstoßes gegen das 4-Augenprinzip bundesweit gescholten.

    Und jetzt, wo auch wir das 4-Augenprinzip -zumindest in Nachlass- und Betreuungsverfahrens- wiedereingeführt haben, sollen wir darauf wieder verzichten. Unverständlich.

    Nein, das 4-Augenprinzip ist der Rechtsstaatlichkeit geschuldet. Jeder Beteiligte -auch die noch unbekannten Nacherben- sollen fair am Verfahren beteiligt werden und brauchen deshalb einen Vertreter.

    Denn zumindest ich weiß nicht, was für die Beteiligten gut ist. Auch ich bin fehlbar und muss ggf. - eben durch den Pfleger- qua Beschwerde korrigiert werden.

    Sonst könnte ich mir jeden Verfahrenspfleger, z.B. in Betreuungsverfahrens, sparen, denn ich weis ja, was für den Betroffenen gut ist.

    Deshalb steht ich voll bei Cromwell.

    Für uns kann gerade nicht gelten: wo kein Kläger, auch kein Richter. Wir sind nicht im Straf- bzw. im Zivilprozess. Wir sind in FGG-Verfahren. Und da gelten andere Regeln.

  • Ich nehme keineswegs für mich (oder die Rechtspflegerschaft im Allgemeinen) in Anspruch unfehlbar zu sein.
    Allerdings gehe ich erst einmal davon aus, dass meine Entscheidungen richtig sind.
    Das der Rechtspfleger in Fällen, in denen er keine Anhörung vornimmt, BESONDERS gründlich prüfen sollte,
    hatte ich schon erwähnt.

    Bei der hier vorliegenden Fallkonstellation frage ich mich nach Sinn einer Pflegerbestellung.
    Wenn dieser nur den Aufgabenkreis "Vertretung der unbekannten Nacherben bei der Anhörung" hat,
    welche neuen/anderen Erkenntnisse kann er in das Grundbuchverfahren einbringen?
    Der Pfleger ist auf genau die selben Angaben der Beteiligten angewiesen, die das Grundbuchamt auch hat.
    Soll er nun gutachterlich die Arbeit des Rechtspflegers überprüfen?
    Nach meiner Auffassung wäre das nur "Schwarzer-Peter-Spielen":
    Ich habe evtl. einen Fehler gemacht, aber der Pfleger hat es nicht bemerkt, daher bin ich raus aus dem Regreß.

    Und das Cromwell als Vertreter der "reinen Lehre" mir nicht zustimmen wird, war mir klar.

    Niemand ist unersetzbar. Die Friedhöfe liegen voll von Leuten, die sich für unersetzbar hielten (H.-J. Watzke). :cool:

  • Der von Dir vermisste "Sinn" liegt schlicht und einfach im verfassungsrechtlichen Gebot der Verfahrensbeteiligung. Ob sich in der Sache aufgrund der Anhörung etwas ändert, ist nicht von Belang. Und demzufolge ist es auch verfehlt, bei "völlig klaren" Dingen die Anhörung unterlassen zu wollen, weil es auf die Klarheit oder Unklarheit der Dinge gar nicht ankommt.

  • Fragen zu einem ähnlichen Fall:
    Die befreite Vorerbin V veräußert unter Maklerbeteiligung an Dritten, von voller Entgeltlichkeit ist auszugehen. Vor Löschung des Nacherbenvermerks ist rechtliches Gehör zu gewähren, ich habe dies dem Notar vorsorglich bei Eintragung der AV für den Käufer mitgeteilt. Folge: der Notar fällt aus allen Wolken und die Beteiligten bombardieren mich mit Anrufen.
    Im maßgeblichen Erbschein ist wie folgt formuliert: "Nacherben sind die gesetzlichen Erben des Erblassers und der Vorerbin, zur Zeit A und B. Ersatznacherben sind die Abkömmlinge der jeweiligen Nacherben. Die Vererblichkeit des Nacherbenrechts ist ausgeschlossen. Die Vorerbin ist von den gesetzlichen Beschränkungen, soweit zulässig, befreit." Lt. Mitteilung der Vorerbin ist A (einziger Sohn des Erblassers aus früherer Ehe) ohne Abkömmlinge nach dem Erblasser verstorben. B (Bruder der Vorerbin) lebt noch. Die Formulierung im Erbschein ist mir nicht ganz klar. Die gesetzlichen Erben des Erblassers standen mit dem Erbfall ja fest (Sohn A und Ehefrau = Vorerbin V). Nachdem aber formuliert wurde "zur Zeit" könnte auch gemeint sein, dass die Personen erben sollen, welche zum Zeitpunkt des Nacherbfalls als gesetzliche Erben des Erblassers in Frage kämen. Dem widerspricht aber wieder die Ersatznacherbeneinsetzung.
    Wenn derzeit nur B als Nacherbe in Betracht kommt, ist die Anhörung unproblematisch. Wenn aber auch die gesetzlichen Erben des Erblassers in Betracht kämen, müsste ein Pfleger bestellt und angehört werden (die Vorlage eines berichtigten Erbscheines für den Vorerben kann wohl nicht verlangt werden?).
    Bin wieder mal für Ratschläge dankbar.

  • Auslegungsfrage, ob mit "die gesetzlichen Erben" eventuell "die Kinder" gemeint waren.

    Wenn ja -> neuer Erbschein, B anhören, Ende.

    Wenn nein -> hat der Erblasser Geschwister? Wenn ja: anhören, wenn nein: Ehefrau (ist das die Vorerbin? hört sich ein bißchen so an...) ist alleinige gesetzliche Erbin, § 1931 Abs 2 BGB

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Fragen zu einem ähnlichen Fall:
    Die befreite Vorerbin V veräußert unter Maklerbeteiligung an Dritten, von voller Entgeltlichkeit ist auszugehen. Vor Löschung des Nacherbenvermerks ist rechtliches Gehör zu gewähren, ich habe dies dem Notar vorsorglich bei Eintragung der AV für den Käufer mitgeteilt. Folge: der Notar fällt aus allen Wolken und die Beteiligten bombardieren mich mit Anrufen.
    Im maßgeblichen Erbschein ist wie folgt formuliert: "Nacherben sind die gesetzlichen Erben des Erblassers und der Vorerbin, zur Zeit A und B. Ersatznacherben sind die Abkömmlinge der jeweiligen Nacherben. Die Vererblichkeit des Nacherbenrechts ist ausgeschlossen. Die Vorerbin ist von den gesetzlichen Beschränkungen, soweit zulässig, befreit." Lt. Mitteilung der Vorerbin ist A (einziger Sohn des Erblassers aus früherer Ehe) ohne Abkömmlinge nach dem Erblasser verstorben. B (Bruder der Vorerbin) lebt noch. Die Formulierung im Erbschein ist mir nicht ganz klar. Die gesetzlichen Erben des Erblassers standen mit dem Erbfall ja fest (Sohn A und Ehefrau = Vorerbin V). Nachdem aber formuliert wurde "zur Zeit" könnte auch gemeint sein, dass die Personen erben sollen, welche zum Zeitpunkt des Nacherbfalls als gesetzliche Erben des Erblassers in Frage kämen. Dem widerspricht aber wieder die Ersatznacherbeneinsetzung.
    Wenn derzeit nur B als Nacherbe in Betracht kommt, ist die Anhörung unproblematisch. Wenn aber auch die gesetzlichen Erben des Erblassers in Betracht kämen, müsste ein Pfleger bestellt und angehört werden (die Vorlage eines berichtigten Erbscheines für den Vorerben kann wohl nicht verlangt werden?).
    Bin wieder mal für Ratschläge dankbar.

    Dies wurde völlig zutreffend erkannt.

    Ich würde mir zunächst einmal die Nachlassakten anfordern, um zu klären, ob für den Kreis der gesetzlichen Erben auf den Eintritt des Nacherbfalls abzustellen ist ("zur Zeit"). Da es hier um die beiderseitigen gesetzlichen Erben beider (!) Ehegatten geht, gehe davon aus, dass es sich tatsächlich so verhält und dann ist der Vermerk über die Ersatznacherbfolge in der Tat sinnlos. Damit stünde zugleich fest, dass ein Fall des § 1913 BGB (unbekannte Nacherben) vorliegt, so dass zum Zweck der Anhörung der Nacherben (hier: zur Entgeltlichkeit der Verfügung der befreiten Vorerbin) vom Betreuungsgericht ein Pfleger zu bestellen wäre.

    Es erscheint bedenklich, dass der Notar bei der Ankündigung, dass die Nacherben anzuhören sind, aus allen Wolken fällt. Denn dass die Nacherben anzuhören sind, ist ja nun eher eine relativ profane rechtliche Erkenntnis. Es fragt sich eben nur, ob die Nacherben bekannt oder unbekannt sind. Aber auch wenn sie bekannt wären, ist die bloße Behauptung, dass ein Nacherbe ohne Hinterlassung von Abkömmlingen verstorben sei, natürlich nicht ausreichend.

    Im Übrigen: Wären die Nacherben wirklich bekannt und wäre A deshalb in persona Nacherbe gewesen, dann muss der Erbschein infolge Wegfalls des A eingezogen und - natürlich auf Antrag - mit den sich hieraus ergebenden "neuen" Nacherben neu erteilt werden.

  • Vielen Dank für die Beiträge, ich werde zunächst die Nachlassakte anfordern. Unangenehm wird die Angelegenheit, weil der Käufer nun verunsichert ist und ggfs. vor Klärung der Angelegenheit der Kaufpreis nicht fällig gestellt werden kann. Die Dauer des Verfahrens ist kaum abschätzbar (ggfs. Einziehung des Erbscheines, Pflegerbestellung), und dies den Beteiligten zu erklären nicht ganz so einfach. Ich habe den Eindruck, dass die Notwendigkeit der Anhörung vielfach nicht bekannt ist (egal ob bei Notar oder GBA) oder aber der Einfachheit halber ignoriert wird. Das führt natürlich dazu, dass derjenige, der die Anhörung fordert, als übergenauer Korinthenkacker gesehen wird, der mangels Entscheidungsfreude einen (tatsächlich nicht vorhandenen) Ermessensspielraum nicht nutzen will.

  • Unangenehm ist die Sache geworden, weil der Notar die Dinge nicht rechtlich hinterfragt hat, obwohl der innere Widerspruch ("zur Zeit" einerseits und "Ersatznacherben" anderseits) aus dem Erbschein und aus dem Nacherbenvermerk - und damit aus dem Grundbuch selbst- ersichtlich ist.

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