Härtefall bei nachträglicher, doppelter Pfändung

  • Leider ist mir kein griffiger Titel eingefallen. Folgende Konstellation: Insolvenzeröffnung am 11.6.2014, der Arbeitgeber wird auch vom IV angeschrieben, führt aber im Juni noch keine pfändbaren Beträge ab, sondern zahlt das volle Gehalt an den Schuldner aus. Im Juli dann führt der Arbeitgeber allerdings nicht nur die pfändbaren Lohnbestandteile für Juli, sondern auch nachträglich für Juni an den IV ab, so dass der Schuldner gerade einmal 400 € ausbezahlt bekommt und jetzt keine Miete zahlen kann. Kann der Schuldner hier einen Antrag gem. § 765a ZPO stellen? An sich stünden für den Juni ja die pfändbaren Bestandteile der Masse zu, die Abführung im Juli war aber nicht richtig.

  • Dass er zu viel bekommen hat, hätte der Schuldner ja auch irgendwie bemerken müssen. Er wusste vom Insolvenzverfahren und dass die pfdb. Beträge eigentlich hätten abgeführt werden müssen. Da muss man dann auch halt mal den einen oder anderen €uro zurückbehalten. Ich verstehe diese Nachlässigkeiten einfach nicht. :mad:

    Denke aber auch, dass hier ein Problem zwischen AN und AG besteht, in dass sich der IV nicht einmischen braucht.

  • Leider ist mir kein griffiger Titel eingefallen. Folgende Konstellation: Insolvenzeröffnung am 11.6.2014, der Arbeitgeber wird auch vom IV angeschrieben, führt aber im Juni noch keine pfändbaren Beträge ab, sondern zahlt das volle Gehalt an den Schuldner aus. Im Juli dann führt der Arbeitgeber allerdings nicht nur die pfändbaren Lohnbestandteile für Juli, sondern auch nachträglich für Juni an den IV ab, so dass der Schuldner gerade einmal 400 € ausbezahlt bekommt und jetzt keine Miete zahlen kann. Kann der Schuldner hier einen Antrag gem. § 765a ZPO stellen? An sich stünden für den Juni ja die pfändbaren Bestandteile der Masse zu, die Abführung im Juli war aber nicht richtig.

    Der Arbeitgeber hat seinem Arbeitnehmer nicht den unpfändbaren Teil des Julieinkommens überwiesen, also muss sich der AN an seinen AG wenden.

    Wann wurde die Eröffnung denn dem Arbeitgeber angezeigt?

    Warum hat der TH denn nicht die Bank über die Eröffnung unterrichtet?

  • Danke für das Feedback. Die Verrechnung des Arbeitgebers im Juli im Verhältnis zum Arbeitnehmer halte ich so auch nicht für richtig; dass der Schuldner dagegen vorgehen könnte denke ich auch. Der Eröffnungsbeschluss (11.6.) wurde erst am 16.6. ausgefertigt, die Akte selbst ging am 20.6. hier ein. Am gleichen Tag wurden sowohl der Arbeitgeber al auch die Bank angeschrieben. Der Schuldner erhält seinen Lohn wohl immer am 15. eines Monats, so dass der Juni seitens des Arbeitgebers schon ausbezahlt und überwiesen war und laut Bankauskunft der Freibetrag des § 850k ZPO auf dem Konto jedenfalls zum Zeitpunkt des Erhalts unseres Schreibens nicht (mehr) überschritten war. Insofern war da seitens der Bank nichts zu separieren.

  • Hinterher ist das Geheule immer groß und es sind immer alle Schuld außer dem Schuldner selbst.

    Was war so schwer daran, dass zuviel ausgezahlte Geld bis zum nächsten Monat zurückzuhalten, wie Jamie schon schrieb? Jetzt muss er dass seinem AG erklären, warum er von diesem seinen pfändungsfreien Betrag für diesen Monat voll ausgezahlt haben will, den pfändbaren Betrag vom letzten Monat aber zugleich aber auch nicht mehr hat. Der Chef wird begeistert sein. Soll mal der die Suppe schön auslöffeln, der sie sich eingebrockt hat. Das lernt gleich für die Nachinsolvenzzeit.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • ME ist der AG da raus, da er, wie aus der Historie zu entnehmen ist, gutgläubig war, § 82 S. 1 InsO. Daraus folgt, dass er dann aber auch keine Doppelabrechnung für Juli + Juli durchführen darf.

    Lehne mich mal an die Entscheidungen IX ZR 62/09 und 6 AZR 642/12 an.

    NB: Diese Formulierung des BAG habe ich in mein kleines Herzchen geschlossen:

    1. Die organisatorische Aufspaltung von Zuständigkeiten der Arbeitnehmer einer juristischen Person und ihrer Organe kann dazu führen, dass der Vertragspartner einer juristischen Person schlechter als der Vertragspartner einer natürlichen Person gestellt ist. Dieser Nachteil wird dadurch ausgeglichen, dass der juristischen Person das Wissen auch der Arbeitnehmer zuzurechnen ist, das bei ordnungsgemäßer Organisation in den Akten festzuhalten, weiterzugeben und abzufragen ist (vgl. BGH 13. Oktober 2000 - V ZR 349/99 - zu II 3 b der Gründe). Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation ist verpflichtet, Informationen verkehrsgerecht zu verwalten. Ordnungsgemäß zugegangene Informationen sind innerhalb der Organisation weiterzugeben (vgl. BGH 15. April 2010 - IX ZR 62/09 - Rn. 11). Die einer solchen Organisation ordnungsgemäß zugegangenen rechtserheblichen Informationen müssen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Die Organisation muss es deswegen so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten. Erkenntnisse, die von einzelnen Arbeitnehmern gewonnen werden, aber auch für andere Arbeitnehmer oder Entscheidungsträger und spätere Geschäftsvorgänge erheblich sind, müssen die erforderliche Breitenwirkung erzielen. Dazu kann ein Informationsfluss von unten nach oben notwendig sein. Die Organisation hat entsprechende organisatorische Maßnahmen zu treffen. Jedenfalls dann, wenn derartige organisatorische Maßnahmen fehlen, muss sich die juristische Person das Wissen einzelner Arbeitnehmer unabhängig davon zurechnen lassen, auf welcher Ebene sie angesiedelt sind. Die juristische Person hat darzulegen, welche Organisationsstrukturen sie geschaffen hat, um rechtserhebliche Informationen aufzunehmen und intern weiterzugeben (vgl. BGH 15. Dezember 2005 - IX ZR 227/04 - Rn. 13 f.; s. auch OLG Hamm 25. November 2009 - 31 U 15/04, I-31 U 15/04 - zu B 4. 5 der Gründe).

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Der Arbeitgeber hat den unpfändbaren Anteil des Arbeitseinkommens auszuzahlen. Da gibt es nichts zu deuteln. Warum der Schuldner im Vormonat den ganzen Anteil, den er bekam, ausgab, wäre für diese rechtliche Frage nicht von Bedeutung. (Der Arbeitgeber darf auch nicht mit Handykosten oder Schadensersatzansprüchen aufrechnen, auch wenn diese berechtigt sind; nur der pfändbare Teil steht hierfür zur verfügung)

    Was allerdings für den Schuldner die Frage ist: will er sich mit seinem Arbeitgeber anlegen und somit sein Arbeitsklima wesentlich verschlechtern...?

  • Danke für das Feedback. Die Verrechnung des Arbeitgebers im Juli im Verhältnis zum Arbeitnehmer halte ich so auch nicht für richtig; dass der Schuldner dagegen vorgehen könnte denke ich auch. Der Eröffnungsbeschluss (11.6.) wurde erst am 16.6. ausgefertigt, die Akte selbst ging am 20.6. hier ein. Am gleichen Tag wurden sowohl der Arbeitgeber al auch die Bank angeschrieben. Der Schuldner erhält seinen Lohn wohl immer am 15. eines Monats, so dass der Juni seitens des Arbeitgebers schon ausbezahlt und überwiesen war und laut Bankauskunft der Freibetrag des § 850k ZPO auf dem Konto jedenfalls zum Zeitpunkt des Erhalts unseres Schreibens nicht (mehr) überschritten war. Insofern war da seitens der Bank nichts zu separieren.

    Also hatte der AG keinen Grund den pfändbaren Teil für Juni zusätzlich auszubezahlen, weil er am 15. bereits schuldbefreiend gezahlt hat.

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