Behandlung loser Testamentsseiten

  • Hallo ich brauche mal eure Hilfe.
    Ich habe heute zwecks Eröffnung einen Erbvertrag aus unserer Verwahrung geholt. Er befand sich in einem vom Notar verschlossenen und gesiegelten Umschlag. Beim Öffnen sind mit fünf lose Seiten entgegengeflattert. Ich frage mich jetzt ob das eine ordnungsgemäße Beurkundung darstellt. Nach § 44 BeurkG soll eine Urkunde aus mehreren Blättern ja mit Schnur und Siegel verbunden werden. So bestünde ja theoretisch die Gefahr, dass Seiten wahllos ausgetauscht werden könnten. Oder besteht die Gefahr aufgrund des vom Notar verschlossenen Umschlags faktisch nicht und mir ist es egal.
    Verbinde ich die Seiten jetzt und wenn ja wie? Einfach tackern oder Ecke umknicken und siegeln?
    Ich bin etwas ratlos...

  • An einer wirksamen Beurkundung hätte ich (noch) keine Zweifel, wenn "nur" vergessen wurde, das Testament zu siegeln. Ich erwähne diese Auffälligkeit allerdings im Eröffnungsprotokoll. Zusammensiegeln würde ich die Blätter nicht. Was machst Du, wenn 5 privatschriftliche Schnipsel bei der Eröffnung aus einen Briefumschlag rausfallen? Genau so würde ich jetzt mit den Seiten verfahren.

  • Der 44 ist nur Sollvorschrift und ein Verstoss dagegen nicht schlimm. Lies doch mal den § 2232 BGB ganz genau durch und du wirst staunen wie sogar einfache Schriftstücke des Testators alleine durch den "notariellen Umschlag" zum öffentlichen Testament werden.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Ein Verstoss gegen § 44 BeurkG führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Urkunde, kann jedoch ggf. deren Beweiswert mindern oder erschweren.

    Vgl.

    26 T 178/07 LG Darmstadt vom 29.11.2007 (dort unter Nr. 4 der Gründe)


    V ZB 143/10 BGH vom 11.11.2010 daraus:

    Gemäß § 44 BeurkG sollen Urkunden, die aus mehreren Blättern be- stehen, ebenso wie der Niederschrift beigefügte Schriftstücke, Karten, Zeich- nungen und Abbildungen mit Schnur und Prägesiegel verbunden werden. Unter Verweis hierauf sieht § 30 DONot vor, dass jede Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift, die mehr als einen Bogen oder ein Blatt umfasst, zu hef- ten und der Heftfaden anzusiegeln ist. Ferner sind gemäß § 29 Abs. 1 DONot Urschriften, Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften notarieller Urkunden so herzustellen, dass sie gut lesbar, dauerhaft und fälschungssicher sind. 11 12 13 14 Die Heftung und Siegelung soll unter Erhaltung der Lesbarkeit sowohl gewährleisten, dass die Urkunde vollständig bleibt, als auch verhindern, dass andere Schriftstücke nachträglich eingefügt werden. Wird die Sollvorschrift des § 44 BeurkG nicht eingehalten, kann dies unter Umständen den Beweiswert der Urkunde mindern (Preuß in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG - DONot, 5. Aufl., § 44 BeurkG Rn. 6; Winkler, BeurkG, 16. Aufl., § 44 Rn. 11).

    Das alles spielt jedoch m.E. in dem genannten Fall (Erbvertrag in gesiegeltem Notarbriefumschlag) keine Rolle, da hier nicht von einer dritten Person unbemerkt Seiten ausgetauscht oder ergänzt werden konnten. Die Urkunde ist m.E. als letztwillige Verfügung einwandfrei durch das Gericht bewertbar.

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (9. Oktober 2014 um 12:10)

  • Ich hab jetzt einen kleinen Absatz dazu im Eröffnungsprotokoll geschrieben und den Erbvertrag nachträglich zusammengetackert, sodass die Gefahr auch für die Zukunft ausgeschlossen ist. Das schien mir am sichersten. Und über die Beweiskraft muss sich, zumindest bei uns in NRW, dann der Richter Gedanken machen :D

  • Das Tackern hättest du dir auch sparen können. Was in der Nachlassakte ist, ist drinnen und wenn du drei verschiedene Testamente mit der Post bekommst, tackerst du die ja auch nicht zusammen weil du Angst hast, jemand könnte eines davon aus der Nachlassakte nehmen und durch ein anderes Testament ersetzen....

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  • Testamente sind zur Akte zu nehmen und werden nicht immer wie "rohe Eier" behandelt.

    Und nochmals: Ob fünf einzelne Testamente aus der Folie fallen oder die 5 unverbundenen Seiten eines einzelnen Testaments, macht doch keinen Unterschied. Warum also dann unbedingt die 5 Seiten zusammentackern?

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  • Ich kenne nur wenige Gerichte, die Testamente in Klarsichtfolie zur Akte nehmen. Oft ist das nur der Fall, wenn durch eine Einheftung in die Akte (mittels Locher oder badischer Heftung http://de.wikipedia.org/wiki/Badische_Aktenheftung -wird in Baden tatsächlich so noch gemacht!) ein Teil des Testaments unleserlich würde oder nicht mehr ordentlich kopiert werden kann. In allen anderen Fällen wird es wie jeder andere Aktenbestandteil einfach in die Akte abgelegt.

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  • Da lob ich mir die württembergische Variante: Nix geheftet, nix gelocht, nix gefädelt, nix in Folie und die Akte ist trotzdem vollständig!
    Allerdings gibts bei uns auch Akteneinsicht nur bei Gericht:teufel:

  • Das ist egal, denn bei Versendung der Akte (egal ob an einen Anwalt oder an ein Rechtshilfegericht) ist ein Retent anzulegen und die Originale der letztwilligen Verfügungen darin aufzubewahren. Es werden dann nur gerichtsbeglaubigte Kopien des Retents mit der Akte mitverschickt.

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    Einmal editiert, zuletzt von TL (9. Oktober 2014 um 22:10)

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