Testamentsauslegung, Bedingung

  • Habe hier ein Testament:
    Der Mann soll Alleinerbe werden.
    Sollte er allerdings wieder heiraten, so steht der Nachlass soweit es sich um Haus- und Grundbesitz handelt nur dem gemeinsamen Sohn zu.
    Weiter: Sollte vom Sohn oder dessen Abkömmlingen der Pflichtteil verlangt werden, so wird er vom Erbe ausgeschlossen und erhält höchsten den gesetzlichen Pflichtteil NACH dem Tod des Alleinerben (Ehemann)

    Wie mach ich das mit dem Grundbesitz? Der Mann ist Ende 60. Könnte also durchaus nochmal auf den Gedanken Ehe kommen. Könnte das sowas wie in den notariellen Testamenten (Berliner Testament) sein, dass wenn der Ehegatte nochmal heiratet, die Kinder dann einen Ausgleichsanspruch haben? Aber der ist ja in Geld und nicht als Grundbesitz.

    Und man kann doch den Erhalt des Pflichtteils nach dem Zuerstversterbenden nicht zurückstellen bis zum Tod vom Zweiten?

    Hab von Nachlass leider (noch) keine Ahnung.

    lg

  • Wie gliedert sich der Nachlass denn auf?
    Also das summenmäßige Verhältnis zwischen Grundbesitz und Restnachlass?

    Wenn der Grundbesitz den weit überwiegenden Anteil am Nachlass ausmacht, könnte man auf die Idee einer bedingten Vor- und Nacherbfolge (Bedingungseintritt ist dabei nur die Wiederheirat) mit Zuwendung des beweglichen Nachlasses an den Ehemann als Vorausvermächtnis kommen. Der Ehemann ist Vorerbe, der Sohn Nacherbe. Ersatznacherben ggf. die Abkömmlinge des Sohnes.

    Der Vorerbe dürfte von Verfügungsbeschränkungen - soweit nach dem Gesetz zulässig - befreit sein.

    Vertretbar?

  • Sehr vertretbar!

    Im Einzelnen:

    Der Ehemann ist Alleinerbe.

    Bedingte Nacherbfolge ist angeordnet, die mit der Wiederverheiratung des Vorerben eintritt.
    Die bedingte Nacherbfolge beschränkt sich aufgrund der Anordnung von Vorausvermächtnissen (§ 2110 Abs. 2 BGB) auf den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz (Grundbuch, Blattstelle, ggf. nur Miteigentumsanteil). Der Vorerbe ist - soweit gesetzlich - zulässig - von den gesetzlichen Beschränkungen der Vorerbschaft befreit (bei bedingten Nacherbfolgen für den Fall der Wiederverheiratung in der Regel anzunehmen).

    Die bedingte Nacherbfolge ist dadurch auflösend bedingt, dass der Sohn seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht.

    Nacherbe ist der Sohn, ersatzweise dessen Abkömmlinge zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

    Über den künftigen Pflichtteilsanspruch des Sohnes nach dem überlebenden Ehemann kann die Ehefrau in ihrem einseitigen Testament nichts rechtsverbindlich bestimmen. Dies kann sie in Form der Pflichtteilsstrafklausel nur im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch des Sohnes an ihrem eigenen Nachlass, ohne diesen aber durch ein zeitliches Hinausschieben beschränken zu können.

    Es ist umstritten, ob der Sohn den Pflichtteilsanspruch am Nachlass der Mutter nur geltend machen kann, wenn er die bedingte Nacherbfolge ausschlägt (§ 2306 Abs. 2 BGB; vgl. Staudinger/Haas § 2306 Rn. 18-22a einerseits - Ausschlagung erforderlich - und Bestelmeyer Rpfleger 2007, 1 andererseits - keine Ausschlagung erforderlich - jeweils m. w. N.). Im Ergebnis kommt es hier auf diese Streitfrage aber nicht an, weil die Pflichtteilsstrafklausel verbundene Sanktion, die sich hier auf den Verlust der bedingten Nacherbeneinsetzung des Sohnes bezieht, auch eintreten soll, wenn der Sohn den Pflichtteil verlangt, ohne vorher die Nacherbschaft ausgeschlagen zu haben.

    Der Vollständigkeit halber: Der Sohn muss sich schon wegen der drohenden Verjährung des Pflichtteilsanspruchs überlegen, ob er die bedingte Nacherbschaft beizeiten ausschlägt. (§ 2332 Abs. 2 BGB!).

  • Cromwell: Nacherbe ist der Sohn, ersatzweise dessen Abkömmlinge zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.

    Ich sehe im Testament auch die weitere Bedingung, dass der Sohn (bzw. seine Abkömmlinge) nur Nacherben sind, wenn er seinen Pflichtteil am Nachlass der Mutter nicht geltend macht.

  • Und wenn der Sohn seinen Pflichtteil geltend macht, kann der Ehemann danach ungestraft heiraten, weil die Nacherbenstellung des Sohnes entfallen ist? Ob das im Interesse der Erblasserin liegt? :gruebel:

    Kommt eben darauf an, wer als erster dem Erblasserwillen zuwiderhandelt. Handelt der Ehemann nicht zuwider, bleibt der Vollerbe und handelt er zuwider, verliert er die Erbschaft. Handelt demgegenüber der Sohn zuwider, verliert er (samt seinen Abkömmlingen) die Nacherbschaft und der Ehemann ist in seinen Entscheidungen frei, weil die Nacherbfolge nur im Interesse des Sohnes angeordnet war, der sich aber selbst "herausgeschossen" hat.

    Anmerkung: Bei der Bearbeitung eines Beitrags gibt es oft "Buchstabensalat", vor allem bei Umlauten.

  • Und wenn der Sohn seinen Pflichtteil geltend macht, kann der Ehemann danach "ungestraft" heiraten, weil die Nacherbenstellung des Sohnes entfallen ist?

    Ob das im Interesse der Erblasserin liegt? :gruebel:


    Typischerweise schon.
    In erster Linie sollen die Kinder den überlebenden Ehegatten in Frieden lassen (wenn nicht: es gibt nur den Pflichtteil).
    Nur in zweiter Linie soll der Überlebende nicht mehr heiraten. Der frühere Sinn dieser Klauseln - nämlich ein angemesses lebenslanges Trauern ohne neue Beziehung ("nach mir soll auch kein anderer ran") zu erzwingen - ist, seit man sich auch ohne verheiratet zu sein legal eine neue bessere Hälfte anlachen kann, m.E. weggefallen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

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