Reise und Übernachtungskosten eines Vormundes für eine Reise ins Ausland

  • Liebe Kollegen,

    als frisch geprüfte Rechtspflegerin habe ich unter anderem Familiensachen, inklusive Vormundschaftssachen als Pensum bekommen.
    Nun habe ich hier diese Vormundschaftssache liegen und sitze hier wie Ochs vorm Berg :confused:

    Folgendes:

    Das Mündel ist aufgrund Verhaltensauffälligkeiten nun für ein Jahr in Lettland bei einer Jugendhilfemaßnahme.
    Der Vormund (eine Rechtsanwältin) fragt nun an, ob sie die Kosten für die Besuchskontakte, die ja dann zwangsläufig in Lettland stattfinden müssten, aus der Staatskasse erstattet bekommt. Konkret würden hier ja Reise- und Übernachtungskosten anfallen.

    Hatte jemand diesen Fall eventuell schon einmal und könnte mir eine Norm, Entscheidung oder Ähnliches aufzeigen, an der ich mich orientieren kann?

    Lieben Dank im Voraus,

    Nis:)

  • Interessant. Wer hat das Mündel nur so weit weg geschickt? Ist aber jetzt egal. Bei uns habe ich so was noch nicht gehört und ich habe auch keine entsprechenden Entscheidungen gelesen. Aber mal aus dem Bauch raus: Ich hätte keine Bedenken, die Reisekosten aus der Staaskasse zu erstatten. Allerdings muss der Vormund die Reise schon bissel planen und schauen, dass die Kosten möglichst günstig gehalten werden.
    Irgendwer hat das Mündel nach Lettland geschickt zu dieser Jugenhilfemaßnahme. Das Gericht hat eine hiesige Anwältin zum Vormund bestellt. Der Vormund ist verpflichtet, Kontakt zum Mündel zu halten. Die technischen Möglichkeiten gibt es auch aus der Ferne. Allerdings sollten auch schon mal persönliche Kontakte stattfinden, um sich ein wirkliches Bild zu machen. Das Gericht erwartet ja einen korrekten und vollständigen Bericht. Und die Anwältin wird sicher nicht jeden Monat nach Lettland fliegen wollen. Aus der eigenen Tasche kann und soll sie diese Kosten jedenfalls nicht aufbringen. Also bleibt nur die Staatskasse.

  • In dem Fall würde ich auch kein Problem darin sehen, den Regelkontakt als Vormund von 12 x jährlich nicht einhalten zu wollen.:cool:

  • beldel & Steinkauz: :daumenrau

    Wir hatten hier schon einen Fall, in dem für das Mündel eine Hilfemaßnahme in Spanien angedacht war. Hierzu kam es dann zwar nicht, aber es war mit der Vormundin bereits abgesprochen, dass die notwendigen Kosten (Hotel, Flug pp.) für halb- bis vierteljährliche Besuche aus der Landeskasse übernommen worden wären.

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Interessant. Wer hat das Mündel nur so weit weg geschickt? ...


    Es dürfte sich um einen der klassischen "letzten Versuche" handeln. Wenn die inländischen Erziehungshilfemaßnahmen nicht mehr fruchten, dann versucht man oft, die Kinder/Jugendlichen auf ausländische Spezialmaßnahmen zu schicken, z.B. Segeltörns, Waldcampaufenthalte etc. Dabei wird der Versuch unternommen, die Kinder/Jugendliche in eine Art Notgemeinschaften mit Extremerfahrungen zu integrieren, bei denen jeder auf die Mithilfe der übrigen Teilnehmer angewiesen ist, damit es der Gruppe insgesamt akzeptabel geht. So soll das Verantwortungsbewusstsein und die Empathie für andere geweckt werden und zugleich das Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass sie selbst durchaus etwas leisten können. Aggression gegen sich und andere soll dadurch verringert werden.
    Mal zeigen solche Maßnahmen Erfolge, mal nicht. Sie sind oft im Ausland angesiedelt, weil dort zum einen die räumlichen Gegebenheiten für solche Extremerfahrungen noch leichter herzustellen sind als bei uns, zum anderen die dortigen Kosten oft deutlich niedriger sind.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Sehr schöner Quervermerk, gehört eigentlich in Sachen zum Lachen.

    Das Dschungelcamp richtete sich - m.E. - an eine andere Klientel. Zwar auch aufmerksamkeitsbedürftig und möglicherweise sogar verhaltensauffällig, aber eher nicht wegen auf aggressivem Verhalten beruhenden ständiger Bereitschaft zur Begehung von Straftaten o.ä.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Sehr schöner Quervermerk, gehört eigentlich in Sachen zum Lachen.

    Das Dschungelcamp richtete sich - m.E. - an eine andere Klientel. Zwar auch aufmerksamkeitsbedürftig und möglicherweise sogar verhaltensauffällig, aber eher nicht wegen auf aggressivem Verhalten beruhenden ständiger Bereitschaft zur Begehung von Straftaten o.ä.

    Ich glaube, gemeint waren "Die strengsten Eltern der Welt". ;)

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Ich kenne zugegebenermaßen beides nicht - bzw. ersteres nur aus Presseberichten über diese Sendungen. Möglich, dass ich das falsch zugeordnet habe. :oops:

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Ja, ja - und zu McDonalds geht auch keiner. Oder NUR, weil die Kinder es unbedingt wollen. :strecker

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Liebe Kollegen,
    Nun habe ich hier diese Vormundschaftssache liegen und sitze hier wie Ochs vorm Berg :confused:

    Na dann werden wir künftig gemeinsam dafür sorgen, dass die diversen Ochsen auch über den Berg kommen.:)

  • Danke für eure Antworten :)

    Ich bin auch der Meinung, dass die Reise- und Übernachtungskosten aus der Staatskasse zu erstatten sind.
    Denn es ist nunmal die Pflicht des Vormunds persönliche Kontakte zu dem Kind zu halten.
    Habe dem Vormund nun mitgeteilt, dass gegen Besuchskontakte in Lettland keine Bedenken bestehen, soweit diese nicht häufiger als vierteljährlich persönlich und ansonsten fernmündlich erfolgen. Bei Bedarf eines weiteren persönlichen Kontaktes kann der Vormund dies ja mitteilen.

    Ich hoffe mal das das so Ok ist :hoffebete:hoffebete:hoffebete:hoffebete:hoffebete:hoffebete:hoffebete

    Und danke für den amüsanten Vergleich mit dem Dschungelcamp. Ich schmunzle :grin:

    Allen einen schönen Feierabend!

  • Wie die Vorredner. So eine Maßnahme à la "Die strengsten Eltern der Welt" oder "Letzter Ausweg Wilder Westen" wird hier auch gerade für eine Jugendliche als grobe Vorüberlegung ins Spiel gebracht ... und wie sollen Pfleger/Vormund sonst Kontakt halten, wenn die Maßnahme länger als eine RTL-Staffel dauert?

    (Bzw. da könnte er als Bericht ja einfach die aufgenommenen Sendungen reinschicken ...)

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Ich würde ja vermuten, wenn jemand eine solche Maßnahme "verordnet" bekommt wegen Verhaltensmaßnahmen, dann wäre es vielleicht sogar gerechtfertigt, wenn der Kontakt zwischen Mündel und Vormund HÄUFIGER als gewöhnlich wäre. Aber das ist ja nicht einmal das Thema, sondern eine reduzierte Anzahl von persönlichen Kontakten. Da sähe ich auch kein Problem, die Reisekosten dafür aus der Staatskasse zu erstatten.

    Mal interessehalber: Wer zahlt die Maßnahme im Ausland? Hat das Jugendamt da einen Topf?


    _________________________________________________________________________________



    Alles hat einmal ein Ende.

    Sogar der Montag! :S

  • Meines Wissens, allerdings nur Zeitungswissen, wird das aus dem Topf der Jugendfürsorge bezahlt. Es kann da durchaus um sechsstellige Beträge gehen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Die Kosten für die Jugendhilfe für "Auslandsprojekte" sind nicht außergewöhnlich hoch, zumindest nicht bei den Klassikern Türkei, Kirgisien, Kasachien, Litauen, Rumänien, früher Ukraine, aktuell Portugal und wieder aktuell Spanien. Die Personalkosten und Unterhaltskosten richten sich nach den landestypischen Sätzen. Von den teuren Maßnahmen in Finnland oder Norditalien hört man in letzter Zeit wenig.

    "Unsere" Träger haben alle im Leistungsangebot die Durchführung von Elternbesuchen, da das JA diese mit den Eltern unmittelbar nur schlecht abrechnen könnte. Bei Amtsvormundschaften ist geregelt, dass die Sachkosten vom Träger bezahlt werden, zumal deren Transportmittel und Logistik genutzt werden. Das JA trägt die Personalkosten.

  • Nun wäre die Frage, was "nicht außergewöhnlich hoch" so bedeutet.

    Zur Klarstellung: Ich habe nicht behauptet, dass die Kosten für solche Auslandsmaßnahmen unangemessen hoch sind, zumal sie aus dem Interventionsbaukasten des JA wohl so ziemlich das letzte Mittel sind. Und wenn man den Jugendlichen nach der Begehung allfälliger Straftaten stattdessen ins Gefängnis bringen müsste, würden dort auch erhebliche Kosten entstehen. Meinen etwas veralteten Informationen nach lag vor ein paar Jahren der billigste Tagessatz einer bayerischen JVA knapp unter 100,- Euro, der höchste bei nahe 300,- (und unsere Gefängnisse sind bekanntlich eher zu schlecht ausgestattet mit Personal etc. als zu gut).

    Jedenfalls legt z.B. folgender Artikel (dessen Wahrheitsgehalt ich natürlich nicht beurteilen kann) nahe, dass es auch bei den Auslandsaufenthalten um eher bedeutende Kosten geht:

    http://www.jugendhilfe-pilger.de/szeitung.php


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Guten Morgen,

    Selbst die im Link erwähnt hohen Sätze in Kirgisien kommen in die Nähe der Heimerziehung 60.000 € / 11 Jugendliche /30 Tage bedeuten ca. 180 € Tagessatz.

    In NRW gibt es mehrere "Intensivgruppen für Jugendliche ab 14 Jahren zur U-Haftvermeidung und Haftverkürzung auf der Grundlage der §§ 71/72 JGG"
    Die Tagessätze in diesen Gruppen liegen in vergleichbarer Größenordnung, sind teils quer subventioniert, wenn Heim-Förderschulen oder Werkstätten angeschlossen sind. Die von hier beauftragten Träger haben Tagessätze unter 160 €, vergleichbar mit einer Intensivgruppe. Normale Heimerziehung liegt bei 130 €, Tagesgruppen bei 110 €. Ein Tag in der Kinder-und Jugendpsychiatrie kostet 622 €.

    Eine Pflegefamilie erhält je nach Alter zwischen 20 und 30, in einer Profifamilie bekommt die Familie ca 40 € täglich. Hinzu kommen hierbei erheblich Kosten für den Beratungsdienst.

    Die inhaltliche Kritik des Artikels teile ich übrigens voll und ganz. Mit mir als Vormund gab und gibt es kein Auslandsprojekt.

  • Aus gegebenem Anlass: Gibt es inzwischen Praxiserfahrungen für die Führung einer Vormundschaft oder Pflegschaft, bei der der Mündel/Pflegling eine individualpädagogische Jugendmaßnahme im Ausland (hier: Rumänien) durchläuft? Die jüngsten Berichte zu einem Jugendprojekt in Rumänien scheinen ja Anlass zu geben, dass der Vormund/Pfleger durchaus persönlich den Mündel besucht und sich nicht auf die Angaben der Betreuenden vor Ort verlässt. Welche zeitlichen Abstände für die Pflege des persönlichen Kontakts statt des Kontakts über soziale Medien erscheinen geboten? (Klar, Einzelfallfrage, aber an welchen Eigenarten des Einzelfalls festzumachen?)

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