Anfechtung und Gläubigerbenachteiligung, §§ 133 Abs. 1, 129 Abs. 1 InsO

  • Und wieder benötige ich Nachhilfe in Sachen Insolvenzanfechtung :oops::

    Bislang habe ich die §§ 129 ff. InsO so verstanden, dass für eine Anfechtung (Hier: Nach § 133 Abs. 1 InsO) eine Gläubigerbenachteiligung i. S d. § 129 InsO vorliegen muss.
    Ferner habe ich bislang angenommen (und so die Kommentierung zu § 129 verstanden), dass eine Gläubigerbenachteiligung nicht vorliegt, wenn die angefochtenen Zahlungen aus dem unpfändbaren Einkommen des Schuldners stammen (Zahlung aus geduldeter Kontoüberziehung etc. pp. mal außen vor gelassen, das wäre vielleicht noch gesondert zu betrachten).
    Und wenn keine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, kommt es auf die weiteren Gesichtspunkte wie Benachteiligungsvorsatz, Zahlungsunfähigkeit und Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gar nicht mehr an.

    Bin ich mit diesen Annahmen auf dem Holzweg? :oops:

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Ich fürchte schon, jedenfalls hab ich Herrn Frind am Freitag so verstanden. Es kommt nicht drauf an, ob´s aus dem Unpfändbaren gezahlt wurde oder nicht. Weil die meisten Schuldner ja irgendwie "in der Krise" alles aus dem Unpfändbaren bezahlen. "Die meisten haben doch eh nichts Pfändbares" - so ungefähr war die Zusammenfassung. :)

    Es gibt auch BGH-Rechtsprechung dazu - recht neu. Hab den Ordner aber im Büro gelassen, kann erst morgen reinschauen.


    PS: ZInsO 2014, 2424 - 2427 (Ausgabe 49 v. 04.12.2014)

    Einmal editiert, zuletzt von Jamie (15. Dezember 2014 um 18:19) aus folgendem Grund: Literaturtipp nachgereicht.

  • Und wieder benötige ich Nachhilfe in Sachen Insolvenzanfechtung :oops::

    Bislang habe ich die §§ 129 ff. InsO so verstanden, dass für eine Anfechtung (Hier: Nach § 133 Abs. 1 InsO) eine Gläubigerbenachteiligung i. S d. § 129 InsO vorliegen muss.
    Ferner habe ich bislang angenommen (und so die Kommentierung zu § 129 verstanden), dass eine Gläubigerbenachteiligung nicht vorliegt, wenn die angefochtenen Zahlungen aus dem unpfändbaren Einkommen des Schuldners stammen (Zahlung aus geduldeter Kontoüberziehung etc. pp. mal außen vor gelassen, das wäre vielleicht noch gesondert zu betrachten).
    Und wenn keine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, kommt es auf die weiteren Gesichtspunkte wie Benachteiligungsvorsatz, Zahlungsunfähigkeit und Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gar nicht mehr an.

    Bin ich mit diesen Annahmen auf dem Holzweg? :oops:

    Haben wir erst kürzlich in einem anderes Thread diskutiert. Ergebnis: Solche Zahlungen aus dem unpfändbaren Vermögen sind nicht anfechtbar, es sei denn, sie werden dazwischen anfecgtbar, z.B. weil sie über ein pfändbares Konto geleitet werden. Unter welchen Bedingungen eine solche Pfändbarkeit entsteht, ist allerdings unstritten.

    Im Grundsatz ist Dein Verständnis also richtig gewesen.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Belas Annahmen

    Bislang habe ich die §§ 129 ff. InsO so verstanden, dass für eine Anfechtung (Hier: Nach § 133 Abs. 1 InsO) eine Gläubigerbenachteiligung i. S d. § 129 InsO vorliegen muss.
    (...)
    Und wenn keine Gläubigerbenachteiligung vorliegt, kommt es auf die weiteren Gesichtspunkte wie Benachteiligungsvorsatz, Zahlungsunfähigkeit und Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gar nicht mehr an.

    sind zutreffend (wobei man korrekterweise auch noch zwischen unmittelbarer und mittelbarer Gläubigerbenachteiligung unterscheiden muss).

    Die dazwischenstehende Frage, ob bei Zahlungen aus dem Unpfändbaren eine solche Gläubigerbenachteiligung vorliegt, ist noch nicht abschließend geklärt. Zu Herrn Frind muss man leider, aber ehrlicherweise anmerken, dass er nicht die ganz herrschende Auffassung vertritt...:cool:

    Zum Einlesen in das Thema empfehle ich den von AndreasH angesprochenen Thread "Gläubigerbenachteiligung bei Zahlungen aus unpfändbarem Vermögen".

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Zu dem Aufsatz aus der ZInsO 2014, 2424 muss man leider sagen, dass Personenkreise davon beseelt sind, durch die jetzige Erstarkung der Anfechtungsmöglichkeiten im IK-Verfahren zumindest eine Verfahrenskostendeckung, wenn nicht sogar eine Quote hinzuzaubern. Wahrscheinlich wird es in manchen Gerichtsbezirken deswegen auch keine Verfahrenskostenstundung mehr geben, da, so Huber, "Dem Schuldner die Gläubigerbenachteiligung mit in die Wiege gelegt worden ist", man also nur die 10 Jahre retour genau prüfen muss, da wird schon was bei rumkommen.

    Wenn der BGH mit den Entscheidungen IX ZR 280/13, Rn. 12 ausführt, dass: " Da die Zugriffslage wiederhergestellt werden soll, die ohne die anfechtbare Handlung bestanden hätte, scheidet eine Anfechtung aus, wenn der veräußerte Gegenstand nicht der Zwangsvollstreckung unterlag und darum gemäß § 36 InsO nicht in die Insolvenzmasse gefallen wäre" und für die Zeit nach Eröffnung, IX ZR 93/09, Rn. 6: ...weil die Zahlung an den Beklagten mit Mitteln erfolgte, die nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 36 InsO gehörten und deshalb nicht der Verfügungsbefugnis der Klägerin nach § 80 InsO unterlagen", so ist der Rahmen mE ausgeschöpft.


    Ich kann da nur sagen: "Epimetheus, lass die Büchse zu". Wenn, wird es wohl hauptsächlich um Ansprüche gehen, die man nur über § 133 InsO beitreiben kann und der Bargeschäftseinwand nicht greift. Als Einzelposten fällt da die Miete auf und die Versorgungs-/Medienträger. Eine Störung im Zahlungsverkehr wird es da sicher auch einmal gegeben haben und eins, zwei, drei haben wir eine Änderung des § 133 InsO, gegen die man sich so stemmt, weil mE der Bogen hiermit eindeutig überspannt wird.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

    2 Mal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (16. Dezember 2014 um 09:28)

  • Zu dem Aufsatz aus der ZInsO 2014, 2424 muss man leider sagen, dass Personenkreise davon beseelt sind, durch die jetzige Erstarkung der Anfechtungsmöglichkeiten im IK-Verfahren zumindest eine Verfahrenskostendeckung, wenn nicht sogar eine Quote hinzuzaubern. Wahrscheinlich wird es in manchen Gerichtsbezirken deswegen auch keine Verfahrenskostenstundung mehr geben, da, so Huber, "Dem Schuldner die Gläubigerbenachteiligung mit in die Wiege gelegt worden ist", man also nur die 10 Jahre retour genau prüfen muss, da wird schon was bei rumkommen.

    So krass war der Dozent nun nicht drauf. :)

    Ich bin jedenfalls nach dem Seminar sicher, dass sich in meinen Verfahren nicht allzu viel ändern wird.

  • Mein gesamten Esprit habe ich auf "Epimetheus" verpulvert und keiner greift das auf, :heul:

    Finger wech von der Büchse des Epimetheus ! Entlastet die PKH-Kasse, bringt in der Sache nix und würde hinsichtlich der wirklich spannenden Sachen nur noch den Gesetzgeber erneut auf den Plan rufen (da liegt ja zum Thema Anfechtung schon wieder genug).
    Mittlerweile geht ja schon die Kunde, von formularmäßig (= Ansammlung von Textbausteinenen ohne Fallspezialität) qua Flächenbombardement an alle irgendwie in Betracht kommenden Zahlungsempfänger herausgehender "Anfechtungen" schlimmenstenfalls noch an andere Anwaltskanzleien outgesourcter Brieflein......

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Mein gesamten Esprit habe ich auf "Epimetheus" verpulvert und keiner greift das auf, :heul:

    Erstmal vielen Dank an alle :) - es beruhigt mich, dass ich mein bisheriges Verständnis doch nicht völlig über den Haufen werfen muss.
    Ich wurde durch den Vortrag des IV "... dass die Zahlungen aus dem pfändungsfreien Vermögen geleistet worden seien, ist insoweit unerheblich, weil der Sinn und Zweck der Anfechtungsvorschriften der InsO auf eine einheitliche Befriedigung der Gläubigergesamtheit gerichtet ist. Ob aus unpfändbarem oder pfändbarem Vermögen Leistungen der Insolvenzschuldnerin in Ihr Vermögen übergegangen sind, ist daher unbeachtlich." aber doch irritiert.
    Wir reden über rund 500,00 €, die per monatlicher Ratenzahlung iHv 10,00 € bei dargelegter (Alters)Rente iHv 970 €, später 990,00 € ausgeglichen wurden. Die letzte Rate wurde rund 1 1/2 Jahre vor der Insolvenzeröffnung geleistet.

    @ La Flor de Cano: Sorry - ich bin in der griechischen Mythologie nicht soo fit - heute morgen hab ich's aber gleich gegockelt :) und der Ausspruch "Epimetheus, lass die Büchse zu" passt natürlich hervorragend :daumenrau !

    Den ZInso-Artikel und den alten fred werde ich mir nachher zu Gemüte führen.

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • @ La Flor de Cano: Sorry - ich bin in der griechischen Mythologie nicht soo fit - heute morgen hab ich's aber gleich gegockelt :) und der Ausspruch "Epimetheus, lass die Büchse zu" passt natürlich hervorragend :daumenrau !

    Da schließe ich mich an, hab eben grad Herrn Gockel befragt. Man lernt ja niemals nicht aus.

    Der Vortrag des Verwalters klingt echt nach "Ich war grad bei F. auf ´m Seminar" bzw. "Ich hab die ZInsO gelesen". Das macht langsam keinen Spaß mehr, wenn man meint, etwas verstanden zu haben und es dann wieder um die Ohren zu kriegen. Aber egal, vielleicht hilft ja aussitzen...

  • So - nachdem ich mich durch :(

    Frind, Anfechtungen im Verbraucherinsolvenzverfahren (ZInsO 2014, 1739 ff.)
    Vallender, Die originäre Anfechtungsbefugnis des Insolvenzverwalters im reformierten Verbraucherinsolvenzverfahren (NZI 2014, 535 ff.)
    Emmert/Ludwig, Gezielte Bevorzugung einzelner Gläubiger durch freiwillige Leistungen des Schuldners aus unpfändbaren Mitteln - scheitert die Insolvenzanfechtung an der Gläubigerbenachteiligung? (ZInsO 2014, 2424 ff.)
    Ahrens, Anfechtungen in der Insolvenz natürlicher Personen (NJW-Spezial 2014, 341 ff.) und
    Schmerbach/Semmelbeck, Zwölf offene Fragen zur Reform der Privatinsolvenzen (NZI 2014, 547 ff., aber nur Abschnitt II :strecker)

    gekämpft und mir auch

    OLG Zweibrücken, Urt. v. 17.05.2013 - 2 U 86/12 (ZInsO 2013, 2061 ff.)
    BGH, Urt. v. 20.07.2010 - IX ZR 37/09 sowie schlussendlich
    BGH, Urt. v. 10.07.2014, IX ZR 280/13

    zu Gemüte geführt habe, habe ich mich Vallender und Ahrens sowie dem Rechtsgedanken des BGH aus dem Urteil vom 20.07.2010, Rn. 23, angeschlossen und den Anfechtungsanspruch zurückgewiesen.
    Ich werde berichten, wie's weitergeht.

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

    2 Mal editiert, zuletzt von Bela (23. Dezember 2014 um 14:48) aus folgendem Grund: Formatierung

  • Angesichts Deiner ausgiebigen Rechtsprechungs- und Literaturrecherche bist Du ja jetzt voll im Bilde. Deine Entscheidung ist auf jeden Fall vertretbar.

    Mich würde auch interessieren, ob und wie sich die Angelegenheit bei Dir weiter entwickelt.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Kurze Zwischeninfo an den interessierten Leser: Bislang hat sich der IV auf mein letztes Schreiben nicht wieder gemeldet (und ich werde mich hüten, nachzufragen!). Sollte noch was kommen, melde ich mich :).

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Wenn der Insolvenzverwalter den nächsten Bericht an das Insolvenzgericht erstatten muss, wird er sich schon wieder bei Dir melden :teufel:.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Na, den Satz "Der Anfechtungsanspruch gegen die Landeshauptkasse xy hat sich nach nochmaliger Überprüfung der Sach- und Rechtlage als nicht stichhaltig erwiesen" wird er doch alleine hinkriegen, oder? :)

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • :daumenrau

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