Notwendigkeit zweier Anwälte nebeneinander, wenn Partei eine Versicherung ist

  • Ich wünsche zunächst ein frohes neues Jahr!!!

    Zu meinem folgenden Fall habe ich nichts entdecken können, allerdings war es stichwortmäßig doof zu suchen. Wenn ich was übersehen hab: sorry und thx für den Hinweis!


    Mein Fall:
    Es geht in dem Verfahren um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.
    Beklagte ist eine Versicherung.
    Kostenentscheidung: K 30 %, B 70 %.

    Mein Problem:
    Für die Beklagte haben sich nebeneinander zwei Rechtsanwälte bestellt - auch beide im Rubrum aufgeführt. Die Begründung lautet: An dem Verkehrsunfall waren drei Personen beteiligt: der Kläger und Person X und Person Y. X und Y sind beide bei der Beklagten versichert, weshalb auch nur die Beklagte angeklagt wurde und nicht X und Y persönlich. X und Y seien unterschiedlich an dem Unfall beteiligt gewesen, daher Interessenskonflikt, daher 2 Anwälte - so die Beklagtenvertreter.

    - Ich hoffe das Ganze ist nicht allzu unverständlich. -

    Ich bin mir da gerade nicht sicher. Beide Seiten tragen schlüssiges vor. Ich könnte für beide Seiten argumentieren. Finde aber nichts zur Bekräftigung.

    Meinung A:
    Beklagte ist die Versicherung und nicht X oder Y. Eine Partei = ein Anwalt.

    Meinung B:
    Seitens der Klägerseite wurden zum entsprechenden Zeitpunkt keinerlei Einwende gegen die Beauftragung eines weiteren Rechtsanwalts erhoben.


    Ich bin momentan mehr bei Meinung A.

    Was meint ihr?

  • Hier geht es doch ausschließlich um das Verhältnis zwischen Kläger und Beklagtem. Der Beklagte kann doch in einem Verfahren nicht gegensätzliche Ansichten gegenüber dem Kläger vertreten. Was der Beklagte außergerichtlich mit X und Y macht, ist hier ohne Belang, weil ja X und Y gerade nicht am Verfahren beteiligt sind. Deswegen sehe ich hier auch keinen Interessenkonflikt im Verfahren und deshalb sehe ich auch keine Notwendigkeit für die Beauftragung von zwei Anwälten auf der Beklagtenseite in diesem Verfahren.

  • Zugegebenermaßen sehe ich es nicht ganz so einfach. Es geht wohl um den Haftpflicht-Direktanspruch des Geschädigten gegen die vermeintlichen Verursacher. Demnach kann die Versicherung als Versicherung von X dazu verpflichtet sein, eine Haftung des X zu bestreiten und vorzutragen, schuld am Unfall sei der Kläger alleine oder der Kläger und Y. Und als Versicherung des Y müsste sie vortragen können, dass Schuld am Unfall der Kläger alleine oder der Kläger und X sind. Zu entsprechendem Vortrag kann die Versicherung aufgrund ihrer Interessenwahrnehmungspflicht aus dem jeweiligen Haftpflichtversicherungsvertrag gezwungen sein, denn nach der Rechtsprechung des BGH besteht eine Kardinalpflicht der Haftpflichtversicherung darin, die Haftung des eigenen Versicherungsnehmers abzuwenden. Diese Pflicht ist vorrangig vor der Pflicht, im Haftungsfall dann zu bezahlen.

    Ich würde in dieser besonderen Konstellation daher über die ausnahmsweise Anerkennung zweier Anwälte nachdenken.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Dann verstehe ich aber nicht, wieso die Personen X und Y nicht auch Verfahrensbeteiligte waren. Die Versicherung (Beklagte) hatte doch im genannten Verfahren die Interessen von X und Y ausschließlich gegenüber dem Kläger zu vertreten, auch wenn es da unterschiedliche Schuldzuweisungen geben mag und nicht auch mögliche Ansprüche von X gegen Y oder umgekehrt. Sind das nicht verschieden Baustellen?

  • Dann verstehe ich aber nicht, wieso die Personen X und Y nicht auch Verfahrensbeteiligte waren. Die Versicherung (Beklagte) hatte doch im genannten Verfahren die Interessen von X und Y ausschließlich gegenüber dem Kläger zu vertreten, auch wenn es da unterschiedliche Schuldzuweisungen geben mag und nicht auch mögliche Ansprüche von X gegen Y oder umgekehrt. Sind das nicht verschieden Baustellen?

    Die Versicherung ist doch aufgrund zweier verschiedener Versicherungsverhältnisse verklagt, einmal als Versicherung von X, einmal von Y. Und zur Interessenvertretung von X kann es doch auch gehören, zu erklären, Y sei schuld. Die "Verteidigung" von X richtet sich eben nicht nur darauf, zu erklären, der Anspruch des Klägers bestehe nicht. Sie ist auch erfolgreich, wenn statt X nur Y haftet (oder X nicht so hoch wie vom Kläger geplant).

    Bilde doch einfach mal den Parallelfall: Nimm an, X und Y seien nicht zufällig bei der gleichen Versicherung gewesen, sondern X bei der X-Versicherung und Y bei der Y-Versicherung. Dann hätte der Kläger, der meint, dass X und Y ihm gemeinsam haften, die X-Versicherung und die Y-Versicherung verklagen müssen (z.B. wenn er statt der beiden weitgehend mittellosen Privatpersonen direkt bei den potenten Versicherungen zugreifen will und einen Direktanspruch hat). Und selbstverständlich würde die Y-Versicherung sagen: "Mein Versicherungsnehmer haften? Geht's noch? Erstens hat der Kläger alles selbst gemacht, und wenn nicht, dann war allenfalls X beteiligt, aber sicher nicht mein Y."
    Und X und Y müssen eben nicht Verfahrensbeteiligte sein, wenn der Kläger sich dafür entscheidet, den nur im Straßenverkehr bestehenden Direktanspruch gegen die Haftpflichtversicherung nur gegen diese geltend zu machen und die beteiligten Privatpersonen draußen zu lassen. Das ist alleine eine Entscheidung des Klägers, bei der weder X und Y noxh deren Versicherung(en) etwas mitzureden haben. Ist sicher nicht anwaltlicher Standard, diese Konstellation, kann aber Gründe dafür geben. Normalerweise werden X und Y schon deswegen mitverklagt, damit diese beiden "nur" eine Parteistellung haben und als Zeugen nicht zur Verfügung stehen.

    Ich halte die Ausgangskonstellation daher für eine wirklich schwierige Angelegenheit, bei der man mit guten Gründen beides vertreten kann. Ich persönlich würde aus den genannten Gründen die "zwei-Anwälte-Lösung" tolerieren, kann mir aber auch gut vorstellen, dass andere anders entscheiden.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Guten Morgen!

    Ich hab mich nach nochmaligem Durchsehen der Akte dafür entschieden nur die Kosten eines Rechtsanwalts als ausgleichsfähig anzusehen.

    Vielen Dank AndreasH für die Erklärung. Ich verstehe nun, warum zwei Anwälte möglich wären. Aufgrund meiner im Eröffnungsbeitrag noch "unsicheren" Meinung zu dieser Sache, könnte ich nun gut pro zwei Anwälte argumentieren. Ich hab mir also die Klageabweisungsanträge beider Beklagtenvertreter angesehen - keiner erwähnt X oder Y getrennt als "seinen Mandanten" (-ihr wisst wie ich das meine ^^ -). X und Y tauchen quasi erst als diejenigen Personen, für die die Beklagte im Verfahren auftritt, in Erscheinung als es um die mittels Vergleich beschlossenen Kostenquote geht. Einer der Beklagtenvertreter beantragt nämlich für denjenigen Kostenanteil, den die Beklagte tragen muss, zu bestimmen in welchem Innenverhältnis X und Y haften. Dem wurde aber nicht nachgekommen (Begründung weiß ich grad nicht mehr - Akte ist schon abgetragen).

    Ich denke beides ist vertretbar. Sofern ein Rechtsmittel kommt - oder besser: sobald das Rechtsmittel da ist ;) - werde ich mich wieder melden.

  • Muss die Versicherung hier tatsächlich innerhalb des Verfahrens die Interessen der beiden Versicherungsnehmer gegen einander wahren? Wenn ihnen nicht der Streit verkündet wurde, hat das Urteil doch für sie keine Auswirkungen, oder?

  • Bilde doch einfach mal den Parallelfall: Nimm an, X und Y seien nicht zufällig bei der gleichen Versicherung gewesen, sondern X bei der X-Versicherung und Y bei der Y-Versicherung. Dann hätte der Kläger, der meint, dass X und Y ihm gemeinsam haften, die X-Versicherung und die Y-Versicherung verklagen müssen...


    Ich denke, das kann man nicht vergleichen. In dem Fall gäbe es ja tatsächlich zwei Beklagte, die nicht verpflichtet sind, den gleichen Anwalt zu nehmen und das hier geschilderte Problem stellt sich gar nicht.
    Aber warten wir mal ab, ob hier ein RM kommt und wie das dann entschieden wird (wenn du es nicht auf den Tisch bekommst ;)).
    Deine Argumentation fand ich interessant. So einen Fall hatte ich in meinen ca. 12 Jahren Zivilerfahrung nie.

  • ... Demnach kann die Versicherung als Versicherung von X dazu verpflichtet sein, eine Haftung des X zu bestreiten und vorzutragen, schuld am Unfall sei der Kläger alleine oder der Kläger und Y. Und als Versicherung des Y müsste sie vortragen können, dass Schuld am Unfall der Kläger alleine oder der Kläger und X sind. Zu entsprechendem Vortrag kann die Versicherung aufgrund ihrer Interessenwahrnehmungspflicht aus dem jeweiligen Haftpflichtversicherungsvertrag gezwungen sein, denn ...

    Welche Auswirkungen hat die alleinige Verurteilung der Versicherung gegenüber X oder Y? Würdest du hier die Beweisaufnahme durchführen, wenn unstreitig ist, dass entweder X oder Y Schuld sind, aber
    streitig, wer von beiden?

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Muss die Versicherung hier tatsächlich innerhalb des Verfahrens die Interessen der beiden Versicherungsnehmer gegen einander wahren? Wenn ihnen nicht der Streit verkündet wurde, hat das Urteil doch für sie keine Auswirkungen, oder?

    Ja, sie muss. Und Auswirkungen hat es auch ohne Streitverkündung auf die Versicherungsnehmer, nämlich mittelbar über die Rückstufung des Schadensfreiheitsrabattes. Die Versicherung kann natürlich nur denjenigen zurückstufen, für den sie ersatzpflichtig ist. Und ein Urteil müsste eigentlich folgendes enthalten:

    Tenor: Die Beklagte wird zur Zahlung von A Euro verurteilt.
    Entscheidungsgründe: Die Beklagte ist als Versicherung von X zur Zahlung von A1 Euro verpflichtet, weil... Sie ist ferner als Versicherung von Y zur Zahlung von A2 Euro verpflichtet, weil ...
    (A1 und A2 müssen nicht A ergeben, weil eine (Teil-)Gesamtschld vorstellbar ist, sie werden aber jeder für sich im Normalfall jeweils kleiner als A sein)

    ....

    Welche Auswirkungen hat die alleinige Verurteilung der Versicherung gegenüber X oder Y? Würdest du hier die Beweisaufnahme durchführen, wenn unstreitig ist, dass entweder X oder Y Schuld sind, aber
    streitig, wer von beiden?

    Hätte ich mir denken können, dass Du auf den möglichen Problemfall kommst ;)

    Ich habe mir bei Abfassung meiner Ausführungen oben auch überlegt, wie ich mit so einem Problem umgehen würde, und muss einräumen: Ich weiß es noch nicht. Rein rechtlich wäre eine Beweisaufnahme tatsächlich nicht geboten, denn, das ist ja der richtige Kern an der Gegenargumentation, gestritten wird nur um eine Zahlungspflicht der einen Versicherung. Wenn also, wie von Dir unterstellt, diese Zahlungspflicht unstreitig ist, dann müsste man von einer Beweisaufnahmeabsehen.

    ABER, mir ist spontan keine Situation eingefallen, in der es im Tatsächlichen zu einer solchen Konstellation kommen kann (mag an meiner fehlenden Vorstellung liegen). Das wäre z.B. bei einer sukzessiven mittäterschaftlichen Körperverletzung, um deren Verletzungsfolgen es nun geht, anders, aber da sind wir außerhalb der Haftung im Straßenverkehr. Mag trotzdem solche Fälle geben (wem einer einfällt: Nur her damit, schon um meine Vorstellungskraft anzuregen*). Und, so ging meine Ausgangsüberlegung weiter, wenn der Fall zwar theoretisch möglich, aber praktisch zumindest sehr selten ist, dann scheint es mir angemessen, den praktisch regelmäßig auftretenden Konflikt auch durch zwei Anwälte zu vergüten. Wenn der Sonderfall dann tatsächlich mal auftreten sollte, dann kann man hier wegen des Sonderfalles ja wieder zurück zur "Ein-Anwalt-Lösung".

    *Während des Schreibens habe ich mir überlegt, ob die Situation eines Massenunfalls (30 Fahrzeuge auf der Autobahn ...) vergleichbar zur sukzessiven Mitträterschaft bei der Prügelei wäre. Aber m.W. wird das anders gelöst, nämlich mit Verursacherquoten für die Fahrzeuge davor und dahinter. Mir fehlt also weiterhin das anschauliche Beispiel dafür.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • ...
    Aber warten wir mal ab, ob hier ein RM kommt und wie das dann entschieden wird (wenn du es nicht auf den Tisch bekommst ;)).
    ...

    Da bin ich auch gespannt darauf. Und nein, zu mir kann es nicht kommen, weil ich nicht "über" Verkehrsunfallsachen sitze. Wäre ja auch weniger interessant für uns, weil ich meine Meinung ja schon geäußert habe ;)

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Und Auswirkungen hat es auch ohne Streitverkündung auf die Versicherungsnehmer, nämlich mittelbar über die Rückstufung des Schadensfreiheitsrabattes.

    Wie ich BGH, VI ZB 76/03 verstehe, gibt es keine Präjudiz, nichtmal, wenn der VN sofort mitverklagt worden ist.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Präjudiz nicht, das ist zutreffend. Aber das bedeutet doch nur, dass es dem Versicherungsnehmer möglich ist, gegen die Herabstufung seines Schadensfreiheitsrabattes zu klagen mit der Behauptung, die Versicherung habe zu Unrecht bezahlt. Das bedeutet doch nicht, dass die Versicherung, wenn sie selbst zur Zahlung verurteilt worden ist, nicht erst einmal eine Herabstufung vornehmen wird. Und von den Erfolgsaussichten einer solchen Klage mal ganz abgesehen, wenn im Ausgangsverfahren gegen die Versicherung eine Beweisaufnahme stattgefunden hat.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • ...(A1 und A2 müssen nicht A ergeben, weil eine (Teil-)Gesamtschld vorstellbar ist, sie werden aber jeder für sich im Normalfall jeweils kleiner als A sein)
    ...

    Mir fehlt also weiterhin das anschauliche Beispiel dafür.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Hast für A1 und A2 mal ein Bsp.? Ich versteh es nicht.
    Zum Unfall, den ich vor Augen habe. Kl. fährt auf Vorfahrtsstr., von rechts fährt ihm X rein, dann Y auf X. Der Schaden beim Kl. wird dadurch vergrößert. Kl. trägt Betriebsgefahr 20%, insges. Schaden 10 TEUR. Ob X nun 6 TEUR oder nur 1 TEUR verursacht hat, ist unerheblich. Deswegen macht jeglicher Vortrag dahingehend auch keinen Sinn, also kein RA notwendig. Entscheidend ist, dass die Vers. 8 T zahlen muss und da reicht 1 RA.

    Wenn X (neben der Vers.) selbst verklagt worden wäre und keinen RA benötigt, vgl. BGH a.a.O., muss das erst Recht gelten, wenn X nicht mal Partei ist.

    Das OLG Bremen, 2 W 8/88 hat ausgeführt: "Der Streit zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer über Notwendigkeit oder auch nur Angemessenheit einer Leistung des Versicherers kann im Prozeß des Geschädigten gegen Versicherungsnehmer und Versicherer nicht geschlichtet werden. Zwar können in diesem Prozeß unterschiedliche Entscheidungen ergehen, etwa dann, wenn sich allein der Versicherer der Erledigungserklärung des Klägers anschließt, während der Versicherungsnehmer widerspricht. Aber die unterschiedlichen Entscheidungen äußern keine Rechtskraft im Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer. "

    Gerade die Möglichkeit unterschiedlicher Entscheidungen und Nichtbeteiligung von X und Y spricht dafür, hier nur über den Gesamtbetrag und nicht die Einzelbeträge von X und Y zu entscheiden.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Zunächst Danke für das anschauliche Beispiel.

    Ich versuche es zunächst nochmal abstrakt:
    In der von Dir genannten BGH-Entscheidung gab es nur einen Unfallgegner und der Geschädigte machte, wie üblich, parallel den Anspruch gegen den Schädiger und dessen Versicherung geltend. Hier versagte der BGH dem Schädiger einen eigenen Anwalt, weil der Schädiger
    a) nach den Bedingungen des Haftpflichtversicherungsvertrags der Versicherung die Prozessführung zu überlassen hat und
    b) ihm dies auch zuzumuten ist, weil die im Verhältnis zum Unfallgeschädigten ergehende Entscheidung ihn im Innenverhältnis zu seiner Versicherung auch nicht bindet.

    Es gibt also keine gegenläufigen Interessen zwischen Unfallschädiger und Versicherung, daher nur ein Anwalt.

    Ganz anders sieht der BGH dies bereits, wenn die Versicherung sich damit verteidigen will, dass der Unfall durch ihren Versicherungsnehmer gestellt worden sei. Dann ist es gängige Rechtsprechung, dass der Versicherungsnehmer, wegen des Interessengegensatzes zwischen ihm und der Versicherung, sich einen eigenen Abwalt nehmen darf. Fundstellen kann ich morgen gerne nachreichen.

    Im hiesigen Ausgangsfall, den Du nun etwas modifiziert mit Zahlen und Sachverhalt unterlegt hast, dürfte es auf unterschiedliche Verursachungsanteile von X und Y tatsächlich nicht mehr ankommen, daher könnte hier ein Anwalt ausreichen.

    Ich bilde mal einen Gegenfall, um das Problem der widerstreitenden Interessen zu verdeutlichen:

    Kläger bremst vor einer umschaltenden Ampel unnötig scharf ab. Der hinter ihm fahrende X, der auch mit zu geringem Abstand gefahren ist, fährt auf. Beide steigen aus, nehmen den Unfall auf. Nach Beendigung der Unfallaufnahme geraten sie noch in Streit, räumen daher nicht unverzüglich die Unfallstelle, sondern tragen den vor Ort aus. Während dieser Phase nähert sich Y der Unfallstelle, schaut fasziniert auf die Streitenden und übersieht dabei die noch nicht beiseite geräumten Fahrzeuge. Er fährt in das Fahrzeug des X. Ob dadurch der Schaden am Fahrzeug des Klägers noch vergrößert wird, bleibt ungeklärt.

    Die Versicherung (hier handelnd für X) erhebt einen Mitverschuldenseinwand (plötzliches scharfes Bremsen) gegen den Kläger und bestreitet, dass der Schaden am Fahrzeug des Klägers alleine durch den ersten Unfall mit X verursacht wurde. Die gleiche Versicherung (hier handelnd für Y) erhebt einen weiteren Mitverschuldenseinwand (nicht rechtzeitiges Räumen des Unfallortes) und behauptet, dass der Schaden am Pkw des Klägers alleine durch den ersten Unfall mit X verursacht worden ist.

    Die Versicherung trägt also zum gleichen Gesamtgeschehen zwei verschiedene Versionen vor, die sich gegenseitig ausschließen - und muss dies auch, wegen ihrer Haftungsabwehrpflicht für den jeweiligen Versicherungsnehmer. Sie muss nämlich auf der Grundlage der Informationen durch ihren Versicherungsnehmer so handeln, als wäre sie dessen mit der Klageabwehr beauftragter Anwalt, nur dass sie bei Unterliegen auch noch selbst bezahlen muss.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Beim Nachlesen nach Abspeichern habe ich festgestellt, dass ein Teilaspekt nicht hinreichend klar herauskommt, daher karte ich nach:

    Unterstellt, die beiden Mitverschuldenseinwände ziehen tatsächlich. Dann wäre es für die Versicherung günstiger, der Gesamtschaden am Pkw des Klägers wäre durch X und Y verursacht worden. Denn dann wäre der Gesamtschaden um zwei Mitverschuldenseinwände (in welcher Höhe auch immer) zu kürzen, also jedenfalls stärker, als wenn nur X alleine den Schaden verursacht hätte (nur einmal Mitverschuldenseinwand). Trotzdem dürfte die Versicherung (in der Theorie) nicht einfach sagen "ich gehe davon aus, dass auch Y verursacht hat", weil dies ein Verstoß gegen ihre Haftungsabwehrpflicht wäre.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    2 Mal editiert, zuletzt von AndreasH (6. Januar 2015 um 21:08) aus folgendem Grund: Ergänzt

  • Nun reiche ich noch ein paar Fundstellen nach:

    1. Verpflichtung des Haftpflichtversicherers zur Abwehr der Haftung des Versicherungsnehmers "wie ein Anwalt":
    BGH, Urteil vom 30.09.1992 - IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276, insbesondere Leitsatz 2:

    "Der Versicherer muss im Haftpflichtprozess die Interessen des Versicherers so wahren wie ein von diesem beauftragter Anwalt. Dies gilt auch bei einer Kollission der Interessen des Versicherers mit denen des Versicherten. In diesem Fall muss der Versicherer seine Interessen zurückstellen."

    2. Recht des Versicherten auf eigenen Anwalt, wenn der Haftpflichtversicherer sich mit dem Verdacht des Betrugs seines Versicherungsnehmers verteidigt:
    a) BGH, Beschluss vom 06.07.2010 - VI ZB 31/08, NJW 2010, 3522
    b) BGH, Beschluss vom 15.09.2010 - IV ZR 107/09


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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