Abgetrennte Folgesache Sorgerecht

  • Ich mache jetzt nach gefühlten 100 Jahren wieder F-Sachen und schwimme gelegentlich doch ziemlich. So wie bei dieser Akte:

    Scheidungsverfahren. Die Folgesache SO wird per Beschluss aus dem Scheidungsverbund abgetrennt. Nun macht der RA seine Gebühren geltend, einmal nach dem Wert des Rest-Verbundes und einmal nach dem Wert der isolierten Folgesache.

    Ich habe mir also hochmotiviert § 21 Abs. III RVG zu Gemüte geführt und glaubte zu verstehen: die abgetrennte Folgesache bleibt eine Angelegenheit = einmal Gebühren nach dem zusammengerechneten Wert.
    Und dann kommt Gerold/Schmidt und macht etwas sehr unschönes. Er verwirrt mich nämlich mit seiner Rn. 16 (21. Auflage). Wenn ich die Kommentarstelle richtig verstanden habe will er mir bedeuten, dass ich nach dem schnöden Wortlaut von § 21 Abs. III zwar vollkommen Recht habe, wenn ich sage die Gebühren entstehen nur ein Mal, dass aber GEMEINT ist, dass in Kindschaftssachen (§ 137 Abs. III FamFG) die Gebühren gesondert entstehen.

    Könnte mich bitte jemand erhellen?

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • N. Schneider in Schneider/Wolf, RVG, 7. Aufl. 2014, § 21 Rn. 92 ff. ist da ein wenig übersichtlicher, weil er auch Beispielrechnungen bringt. Bleibt das abgetrennte Verfahren unbeschadet seiner Abtrennung weiterhin Folgesache (§ 137 Abs. 5 S. 1 FamFG), hat dies gebührenrechtlich keine Folge. Der Verbund bleibt erhalten, so daß weiterhin nur eine Angelegenheit i. S. d. § 16 Nr. 4 RVG vorliegt.

    Führt die Abtrennung aber zu einer selbständigen Familiensache, wird die gebührenrechtliche Angelegenheit (§ 16 Nr. 4) aufgelöst, die Gerichtskosten berechnen sich gesondert (§ 6 Abs. 2 FamGKG) und es ist eine gesonderte Kostenentscheidung zu treffen (§ 160 Abs. 5 S. 2 FamFG).

    Eine Lösung aus dem Scheidungsverbund folgt z. B. bei Abtrennung einer Kindschaftssache nach § 140 Abs. 2 Nr. 3 FamFG (§ 137 Abs. 3, Abs. 5 S. 2 FamFG). Die VKH wirkt dann aber nicht fort (BGH, FamRZ 2011, 635).

    In einem solchen Fall kann der RA wählen, ob er insgesamt oder getrennt abrechnet, wobei Letzteres für den RA wohl günstiger ist (Scheidung ohne Wert der elterlichen Sorge + selbst. Verf. aus Wert der elterlichen Sorge). Im Ergebnis rechnet das OLG Zweibrücken (FamRZ 2012, 1413) auch so, wenngleich es zuerst den Verbund mit dem Wert der elterlichen Sorge abrechnet, dann die Anrechnungsbeträge anhand der jeweiligen Gebühr errechnet: z. B. 1,3 VG aus Wert (Scheidung + elterliche Sorge) - Wert (Scheidung) = Anrechnungsbetrag, der auf die 1,3 VG des selbst. Verfahrens der elterlichen Sorge anzurechnen ist.

    Alles klar? :D

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • "Die VKH wirkt dann aber nicht fort (BGH, FamRZ 2011, 635)."

    Das scheint mir ein wesentlicher Satz von Bolleff, der mit zusätzlichem Ärger droht. Denn wenn der Anwalt bei Gericht abrechnet, bedeutet daß in aller Regel VKH...und das sicher ohne Berücksichtigung dieses Satzes

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • "Die VKH wirkt dann aber nicht fort (BGH, FamRZ 2011, 635)."

    Das scheint mir ein wesentlicher Satz von Bolleff, der mit zusätzlichem Ärger droht. Denn wenn der Anwalt bei Gericht abrechnet, bedeutet daß in aller Regel VKH...und das sicher ohne Berücksichtigung dieses Satzes

    Der dezente Hinweis hat mich auch aufmerken lassen. Muss ich doch glatt mal gucken...:)

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Wieso Gegenteil? Mal angenommen, es ist für die abgetrennte elterliche Sorge keine VKH bewilligt worden. Dann kann der RA zumindest die im Verbund entstandenen Gebühren (min. also die VG auch aus dem Wert der Scheidung mit der elterlichen Sorge) abrechnen. Wenn im Verbund zur elterlichen Sorge bereits verhandelt war, dann kann er auch noch die TG im Verbund (also zzgl. des Wertes der elterlichen Sorge) gegenüber der Staatskasse abrechnen. Was er aber mangels gesonderter VKH für die elterliche Sorge nicht machen kann, ist die getrennte Abrechnung, die ihm ja im Saldo mehr an Vergütung bringen würde.

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Wieso Gegenteil?

    Na deswegen: "Wird eine Folgesache (also meine SO) als selbständige Familiensache fortgeführt (das ist ja geschenen), sind das fortgeführte Verfahren und das frühere Verfahren dieselbe (= eine?) Angelegenheit."

    Ich verstehe völlig, was Du mir netterweise in deinem ersten Posting erläutert hast. Es erscheint mir auch völlig logisch und sinnvoll. Ich verstehe nur nicht, wie ich da hinkomme.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Wieso Gegenteil?

    Na deswegen: "Wird eine Folgesache (also meine SO) als selbständige Familiensache fortgeführt (das ist ja geschenen), sind das fortgeführte Verfahren und das frühere Verfahren dieselbe (= eine?) Angelegenheit."

    Ich verstehe völlig, was Du mir netterweise in deinem ersten Posting erläutert hast. Es erscheint mir auch völlig logisch und sinnvoll. Ich verstehe nur nicht, wie ich da hinkomme.


    Ahso! Mayer erläutert an der von Dir genannten Rn. 16, daß mit "frühere Verfahren" nicht das Verbundverfahren in seiner Gesamtheit, sondern nur das die fortgeführte Sache betreffende Verfahren gemeint ist. Auch verweist er ja auf die Gesetzesbegründung, wonach die selbständige Familiensache so behandelt werden soll, als sei sie nie im Verbund gewesen, diese Sache also bei der Gebührenberechnung des Scheidungsverfahrens unberücksichtigt bleibt.

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Vllt. kann man das auch so sagen: Der verbleibende Rest des "Ur-Verbundverfahrens", also ohne den abgetrennten Teil. Ich musste auch mehrere Male lesen... :gruebel:

  • Mein Gott jetzt hat sie's!
    Das war eine schwere Geburt. :D
    Ich danke recht herzlich!

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Wie immer: Was lange gärt, wird endlich Wut - oder so ähnlich... :wechlach:

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!