• Guten Morgen,
    ich bräuchte mal eine Einschätzung von Euch zu foglendem Fall.
    Es besteht seit über 30 jahren eine Betreuung. Es handelt sich um einen geistig behinderten Menschen, der, seit er volljährig ist ,zunächst unter Gebrechlichkeitspflegschaft und dann unter Betreuung steht.
    Die Mutter ist Betreuerin
    Ich habe den Fall nunmehr übernommen und erhalte den Jahresbericht.
    Es sind ca 400.000 € Vermögen vorhanden. Es ist in den letzten Jahren konstant geblieben.
    Dies setzt sich zusammen aus Sparkosten (ca 17.000€), Gold (ca 66000 €), Lebensversicherung (ca 35000 €) , Bausparvertrag (ca 4000 €) und ein Depot von 280.000 €.
    Nach einer Entscheidung des LG Kempen ist Gold als Beimischung zulässig, so dass ich das so belassen würde.
    Mein Problem ist das Depot, das schon seit vielen Jahren besteht. Bisher haben alle meine Vorgänger keine Probleme damit gehabt und es als Bestand so gelassen.
    In dem Depot befinden sich Aktienfonds, Rentenwerte, Mischfonds und Immobilienfonds - insgesamt 10 Einzelposten mit Werten zwischen 10.000 und 75000 €.
    Meine Frage ist nun, ob ich der Betreuerin aufgeben muss, zumindest einen Teil des Depots aufzulösen und mündelsicher anzulegen. Oder kann man sagen, dass solche Fonds, die bereits seit Jahren im Bestand sind so belassen werden können ?
    Kann ich ihr eventuell aufgeben eine Bescheinigung der Bank einzureichen, aus der sich ergibt, wie risikoreich die einzelne Anlage ist ? Dann könnte man die risikoreichen verkaufen.
    Ich mache die Betreuungsachen erst seit 2 Monaten, so dass mir die Erfahrung fehlt.
    Vielen Dank im Voraus


  • Ohne mich in die betreuungsrechtlichen Fragen einmischen zu wollen nur ein paar Gedanken zur wirtschaftlichen Seite:

    Wenn das Gesamtvermögen in den letzten Jahren konstant geblieben ist, spricht das eigentlich für eine ziemlich stabile, wenn auch alles andere als renditestarke Anlage, zumindest wenn mit "letzte Jahre" so ca. 10 Jahre gemeint sind (bezogen auf die letzten drei Jahre wäre es eigentlich eine Mischanlage, die weit hinter dem Markt zurückgeblieben ist).
    Der Goldpreis hat z.B. in diesem Zeitraum erhebliche Berg- und Talfahrten unternommen, mal eine Verdreifachung des Preises, dann wieder ein Einbruch um über 1/3. Auch die Aktienmärkte haben seit 2007 (Lehman) mehrere Berg- und Talfahrten unternommen, z.B. der Dax von 6.000 Punkten auf über 10.000 ... Immobilienfonds aufzulösen kann mit erheblichen Verlusten verbunden sein.

    Insgesamt zeigt die von Dir genannte Streuung eigentlich, dass der-/diejenige, die das Vermögen wirklich verwaltet, sich ernsthafte Gedanken um den reinen Substanzerhalt gemacht hat, denn es ist fast alles an nicht-spekulativen Anlageklassen drin, was so auf dem Markt ist, auch wenn einiges davon natürlich nicht mündelsicher ist. Und auch die Werte-Verteilung ist nicht schlecht. Natürlich könnte man das im Einzelnen analysieren lassen, dann aber wohl nur über Gutachter.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Bei der Höhe des Vermögens und bei der guten Streuung würde ich von der Betreuerin nicht verlangen, irgendwas zu verändern. Klar ist nicht alles mündelsicher, aber große Teile des Vermögens schon. Die Entwicklung der vergangen Jahre zeigt dir ja, dass alles gut angelegt ist, wenn das Vermögen nicht schmilzt. Und wenn du dir anschaust, was du z.Z. auf wirklich mündelsichere Anlagen bekommst, lohnt es den Aufwand nicht. Man muss alles in seiner Gesamtheit betrachten. So habe ich es jedenfalls immer gehalten.

  • Hier stimme ich mit uschi überein. Die Mutter ist wegen §§ 1908i II 2, 1857a, 1852 II, 1809 BGB von der Pflicht, das Geld mündelsicher anzulegen, befreit. Dass d. Rpfl. dazu angehalten ist, besondere Schwankungen im Auge zu behalten, ist nicht ausgeschlossen. Aber wie du selbst feststellst, ist das Vermögen in den letzten Jahren relativ konstat geblieben. Es besteht m.E. kein Handlungsbedarf.

  • Die Mutter ist wegen §§ 1908i II 2, 1857a, 1852 II, 1809 BGB von der Pflicht, das Geld mündelsicher anzulegen, befreit.

    Da würde ich an Deiner Stelle nochmal genau nachlesen.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Ich mach zwar keine Betreuung. Aber: Sowohl Betreuung als auch Depot bestehen wohl schon seit Jahren. Warum sollte das Gericht jetzt eine Änderung verlangen (können/müssen/sollen)?

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ich mach zwar keine Betreuung. Aber: Sowohl Betreuung als auch Depot bestehen wohl schon seit Jahren. Warum sollte das Gericht jetzt eine Änderung verlangen (können/müssen/sollen)?


    Ja eben, die Betreuung besteht schon ewig.

    Daher gehe ich mal davon aus, dass die Betreuerin ohne Genehmigung nach § 1811 BGB die Fonds für die Betreute erworben hat. Da ist sie schon in der Pflicht und (ggf. das Betreuungsgericht im Rahmen der Aufsicht), im Falle von drohenden Verlusten zu reagieren und z. B. Anteile zu verkaufen.

    Milder sehe ich das, wenn der Betreffende (vor Anordnung der Betreuung) in bester Gesundheit selbst sein Vermögen in Fonds angelegt hat. Daran erkennt man seinen Willen, auch riskanter anzulegen und kann dies während der Betreuung grundsätzlich so bestehen lassen.

  • Ich mach zwar keine Betreuung. Aber: Sowohl Betreuung als auch Depot bestehen wohl schon seit Jahren. Warum sollte das Gericht jetzt eine Änderung verlangen (können/müssen/sollen)?


    Ja eben, die Betreuung besteht schon ewig.

    Daher gehe ich mal davon aus, dass die Betreuerin ohne Genehmigung nach § 1811 BGB die Fonds für die Betreute erworben hat. Da ist sie schon in der Pflicht und (ggf. das Betreuungsgericht im Rahmen der Aufsicht), im Falle von drohenden Verlusten zu reagieren und z. B. Anteile zu verkaufen.

    Milder sehe ich das, wenn der Betreffende (vor Anordnung der Betreuung) in bester Gesundheit selbst sein Vermögen in Fonds angelegt hat. Daran erkennt man seinen Willen, auch riskanter anzulegen und kann dies während der Betreuung grundsätzlich so bestehen lassen.

    Aus #1 ergibt sich nicht, wie d. Betreute zum Depotinhalt gekommen ist. Es ergibt sich allerdings, dass über Jahre nie daran Anstoß genommen wurde. Daher sehe ich auch jetzt keinen Handlungsbedarf. Ja, die Aktien stehen gerade sehr hoch und eine Blase ist möglich, aber mündelsicher anlegen bedeutet heute keinen Zins zu erhalten. Alles in allem scheint das Vermögen gut gestreut angelegt zu sein und deshalb bestätige ich nochmals, dass ich hier nicht eingreifen würde.

    Dass man die Problematik mit der Betreuerin bespricht (richtig: schon längst besprochen haben sollte), ist eine andere Sache.

  • Vielen Dank für Eure Einschätzungen.
    Ich habe jetzt die Betreuerin angeschrieben und zunächst mal darauf hingewiesen, dass nicht mündelsichere Anlage zukünftig der Genehmigung des Betreuungsgerichts bedürfen und Vorrang eine mündelsichere Geldanlage hat.
    Hinsichtlich des bestehenden Depots habe ich ihr aufgeben, eine Einschätzung der Bank bzgl. der Risikoklasse und Gefahr der Währungsschwankungen vornehmen zu lassen. Sie solle dann im Rahmen ihrer Vermögenssorge zunächst selbst prüfen, ob das Geld weiterhin so angelegt werden soll. Diese Einschätzung solle sie mir mit Belegen einreichen.
    So möchte ich zumindest hochrisikoträchtige Fonds unterbinden.
    Falls alles im unteren Risikobereich ist, würde ich nichts weiter veranlassen.

  • Ohne Benennung der Fonds mit entspr. ISIN und entsprechendem Anteilsverhältnis im Depot kann ich hier keine vernünftige Expertise abgegeben .

    Fürs erste spricht der Sachverhalt dafür, die Sache mit großer Gelassenheit anzugehen.
    Die EZB hat dafür gesorgt, dass zunächst weiter mit steigenden Kursen gerechnet werden kann , bis die Blase irgendwann platzt.:strecker

  • Ich finde auch eigentlich, dass die Betreuerin sich zunächst mal selbst Gedanken machen sollte, ob alles im grünen Bereich ist.
    Da sie selbst schon über 80 Jahre ist, soll sie das mit einem Bankberater tun.
    Außerdem war es mir ein Anliegen, ihr für die Zukunft mitauf den Weg zu geben, das sie nicht immer schalten und walten kann, wie sie meint.
    Mir geht es halt darum, dass mir nicht später, wer auch immer vorwirft, ich hätte das sehen müssen. Zumal es damals bei der Bestellung des Gebrechlichkeitspflegers richtig Stress gab, weil auch der Vater die Pflegschaft übernehmen wollte. Die Sache ging in die nächste Instanz, mit anwaltlicher Vertretung auf beiden Seiten und sogar einem Termin hier beim Rechtspfleger-
    Es könnte also sein, dass der Vater mal bei Beendigungd er Betreuung als Erbe genau nachfragt - an die detallierte Rechnungslegung dann möchte ich gar nicht denken.

  • Ich finde auch eigentlich, dass die Betreuerin sich zunächst mal selbst Gedanken machen sollte, ob alles im grünen Bereich ist.
    Da sie selbst schon über 80 Jahre ist, soll sie das mit einem Bankberater tun.
    Außerdem war es mir ein Anliegen, ihr für die Zukunft mitauf den Weg zu geben, das sie nicht immer schalten und walten kann, wie sie meint.

    Jetzt hoffe ich, dass das kein Fehler war. Alte Dame und Bankberater bedeutet leider oft, dass Umschichtung empfohlen und gleich auch veranlasst wird. Bringt schönes Honorar für den Berater und der hat 2015 schon ein schönes Stück seines Jahressoll verkauft.

  • "Bankberater" kommt doch irgendwoher...mE eher von Berater der Bank. Deswegen wurde ja auch auf das unauffälligere "Kundenberater" umgestellt. Ändert aber nichts daran, dass die Bank gut beraten wird und nicht der Kunde.

    Was machst du, wenn die Betreuerin nun alles oder einiges umschichtet und dann genau diese Anlagen den Bach runtergehen? Das gibt doch erst richtige Angriffsflächen für den Vater.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Das Betreuungsgericht sollte stets daran denken, dass es in Betreuerentscheidungen dem Geunde nach nicht eingreifen kann. Es ist nicht der bessere Betreuer. Auch wenn manche Gerichte dieser Rechtsauffassung sind.

    Eingreifen kann das Gericht nur dort, wo z.B. ein Genehmigungserfordernis besteht. Allerdings darf das Gericht dem Betreuer auch nicht vorgeben, wie er ggf. zu entscheiden hat. Die Verantwortung liegt stets beim Betreuer. Deshalb würde ich als Gericht dem Betreuer nie aufgeben, ein Depot aufzulösen. Wenn die Einrichtung des Depots und der Erwerb der Aktien bzw. Fonds genehmigungspflichtig war, würde ich die Genehmigung -auch im Nachhinein- verweigern. Der Betreuer muss dann wissen, was er zu tun hat. Aber nie wird er eine Anweisung von mir bekommen, die ihn zu einem positiven Tun zwingen. Das wäre ein unzulässiger Eingriff in eine Betreuentscheidung. Das Gericht überwacht nur durch Gebote und Verbote. Nicht durch Vorgaben.

  • Meines Erachtens sind derzeit die mündelsicheren Bundesanleihen Risikopapiere. Man bekommt zwar am Laufzeitende 100 % des Gelds zurück, hat aber ein gewaltiges Risiko, dass zwischendurch die Anleihen in den Keller gehen, wenn die Zinsen steigen (und das werden sie irgendwann). Wenn der Betreute in dieser Phase Geld braucht, kann er nur mit Verlust verkaufen.

    Fonds sind nicht von vorne herein spekulativ, auch dann nicht wenn sie von einer bösen Bank verkauft werden. Man muss sich halt die Mühe machen, die einzelnen Werte anzuschauen.

    Eine Hilfe kann die vom Bundesverband Investment und Asset Management e.V. (BVI) geführte Liste über die ihm bekannten gerichtlichen Genehmigungen der Anlage von Mündelgeld in Investmentfonds sein.

    http://www.bvi.de/kapitalanlage/privatanleger/muendelgeld/

    Was hier auftaucht, ist zumindest schon mal von einem Rechtspfleger genehmigt worden.


  • Eine Hilfe kann die vom Bundesverband Investment und Asset Management e.V. (BVI) geführte Liste über die ihm bekannten gerichtlichen Genehmigungen der Anlage von Mündelgeld in Investmentfonds sein.

    http://www.bvi.de/kapitalanlage/privatanleger/muendelgeld/

    Was hier auftaucht, ist zumindest schon mal von einem Rechtspfleger genehmigt worden.

    Das ist leider nicht zielführend, wenn die Liste auch gerne von Banken "genommen wird".
    Entschieden hat gem. Liste ein Rechtspfleger in einem speziellen Fall; und dieser ist der Regel weder vergleichbar noch auf die ganze Republik übertragbar.
    In meinem Bereich wird die Liste nur als Einzelfall-Liste wahrgenommen und entsprechend behandelt.

    Mündelsichere Bundesanleihen werden vom Gesetzgeber übrigens noch nicht als Risikopapiere eingeschätzt.
    Noch sind im Katalog des § 1807 BGB vorhanden und deren Anlage damit gesetzeskonform.;)

  • Wie Käuzchen. Im Übrigen habe ich mich schon oft gefragt, ob die Rechtspfleger die Genehmigungen heute auch noch für einige der aufgeführten Papiere erteilen würden.:gruebel:

  • Zitat

    Meine Frage ist nun, ob ich der Betreuerin aufgeben muss, zumindest einen Teil des Depots aufzulösen und mündelsicher anzulegen. Oder kann man sagen, dass solche Fonds, die bereits seit Jahren im Bestand sind so belassen werden können ?

    Der Fall ist nicht vollständig geschildert, um eine Aussage treffen zu können.
    Ein Behinderter wird das Vermögen nicht selbst erarbeitet haben. Also woher stammt das hohe Vermögen?

    Erbschaft. Dann wäre die nicht mündelsichere Geldanlage von der Betreuerin wirksam, aber ohne Genehmigung nach § 1811 BGB, vorgenommen worden. Angesichts der Lage ist wohl eine mündelsichere Anlage nicht zu fordern, aber für die Zukunft auf ein Genehmigungsverfahren zu bestehen. Da gibt es keine allgemein gültige Regel.

    Schenkung seitens der Eltern oder Mutter. Viele sparen zugunsten ihrer behinderten Kinder oder übertragen zu Lebzeiten hohe Vermögen. In diesem Fall sollte keine Rückführung in mündelsichere Anlagen gefordert werden.

  • Die Mutter ist wegen §§ 1908i II 2, 1857a, 1852 II, 1809 BGB von der Pflicht, das Geld mündelsicher anzulegen, befreit.

    Da würde ich an Deiner Stelle nochmal genau nachlesen.

    Falsch ausgedrückt, Entschuldigung bitte. Besser formuliert: "... kann wegen ..., befreit werden." Wenn sie es dann aber ist, braucht es nicht in jedem Fall einer ausdrücklichen Genehmigung. In dem vorliegenden Falle sieht es wohl so aus, dass die Mutter das mit dem Depot richtig gut händelt. Darauf lassen die stabilen Bestände des Vermögens schließen. Damit käme eine Befreiung wohl in Betracht. Und im Zweifel gibt es die jählichen Berichte und man kann, sollte etwas schief laufen, immer noch die Befreiung widerrufen und die Mutter zur mündelsicheren Anlage auffordern. Aber selbst mündelsichere Anlagen sichern keinen Bestandsschutz für die Geldanlagen zu. Ich denke da nur an Ereignisse wie die "Lehman Brothers"-Pleite von 2008. Denn ist die Bank weg, ist es das Geld auch.

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