Nachlasspflegschaft trotz transmortaler Vollmacht

  • Werte Kollegen,

    ich habe hier einen Fall, der mir etwas Kopfzerbrechen bereitet und ich hoffe mir kann jmd. weiterhelfen:

    Der Erblasser verstarb ledig ohne Kinder. Nachlasswert ca. 1,1 Mio EUR.
    Nach derzeitigem Kenntnisstand gibt es ca. 30 Miterben, 3. Ordnung, es ist aber noch erheblicheErmittlungsarbeit notwendig.

    Nun zum Problem:
    Der Erblasser hat seinem Cousin eine transmortale General-undVorsorgevollmacht erteilt. Dieser Bevöllmächtigte hat mir alle Unterlagen bzg. des Nachlasses eingereicht, die sehr gut geführt sind. Alle Aktiva und Passiva sauber aufgeführt, schöne Stammbäume gezeichnet und schon teilweise Erben ermittelt inkl. deren Anschriften. Er selbst bezeichnet sich gegenüber dem Nachlassgericht als „Nachlassabwickler“ und begründet seine bisherige Tätigkeit mit der Vollmacht. Inhaltlich ist in der Vollmacht nicht explizit aufgeführt ,dass der Cousin denNachlass verwalten und abwickeln soll.

    Der „Nachlassabwickler“ hat mir auch seine Vergütungsabrechnung mitgeschickt, welche er auch als Nachlassverbindlichkeit aufführte und da bin ich fast vom Stuhl gekippt. Er beansprucht, wie er schreibt in Anlehnung an einen TV eine Vergütung für seine Tätigkeit von 54.000,00 EUR (vierundfünfzigtausend- Nein, das ist jetzt kein Scherz).

    Ich tendiere dazu, einen Nachlasspfleger zu bestellen, der die teilweise noch unbekannten Erben ermittelt (wird wohl ein Riesen Aufwand) den Nachlass verwaltet und ggf. die Vollmacht widerruft. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob ich hier das Sicherungsbedürfnis für eine Nachlasspflegschaft bejahen kann, da ja der Bevollmächtigte da ist und die Erben mittlerweile nur noch teilweise unbekannt.

    Was meint Ihr ?

  • 1. Ich würde ihn warnen, seine "Vergütung" aus dem Nachlass zu nehmen. Hierfür hat er mit Sicherheit keinen Auftrag der Erben.
    2. NP? Kommt drauf an, ob der Nachlass gefährdet ist oder nicht und ob der Nachlassabwickler tatsächlich alle Unterlagen für einen Erbschein beibringen kann (was ich sehr bezweifle).

    In so einem Fall hätte ich grundsätzlich schon, wenn ich vom Umfang der erforderlichen Erbenermittlung und Nachlasswert erfahren hätte, eine Nachlasspflegschaft angeordnet und das bei (noch) bestehender amtswegiger Erbenermittlungspflicht. Ich gehe mal davon aus, dass Du keine Erbenermittlungspflicht hast, dann wäre es umso wichtiger, dass ein Profi ermittelt. Das Problem ist jetzt, das Deinem Nachlassabwickler beizubringen. Ich würde alle bereits ermittelten (auch den Nachlassabwickler) anschreiben und die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft ankündigen und Gelegenheit zur Stellungnahme geben und nach Ablauf der Frist, die NP anordnen.

  • Oder man gibt einfach das Schreiben des "Abwicklers" inkl. seines Vergütungsanspruchs, der Nachlassmasse etc. den bisher bekannten Erben z.K. mit den Hinweisen auf 1960 und 1961 und fordert nur zur Stellungnahme auf.

    Ich würde hier keine Sicherungspflicht für das Gericht (ohne Ermittlungspflicht) sehen, wenn schon ein großer Teil Erben bekannt ist. Diese könnten auch einen Erbenermittler beauftragen für den Rest.

    Wenn die bekannten Erben mit der Vorgehensweise des Abwicklers nicht einverstanden sind, dann werden sie das schon deutlichh zum Ausdruck bringen. Dann ist immer noch Raum zu überlegen, in welchem Umfang eine Pflegschaft gerechtfertigt ist.

  • Vielen Dank für die prompte Antwort !

    Ja ich habe die Pflicht die gesetzlichen Erben zu ermitteln. @ Uschi: Wir beide arbeiten im selben südlichen Bundesland :)

    Mein Bauchgefühl sagt mir einfach, dass da was faul ist und der "Nachlassabwickler" sich nur eine üppige Vergütung entnehmen will.

    Ich kann die Anhörung leider nicht allen bereits bekannten gesetzlichen Erben schicken, da dies bereits jetzt 30 Personen sind. Ich denke ich schick es nur meinem "Nachlassabwickler " oder gibt's noch ne andre Idee ???

  • Den Vergütungsantrag würde ich ohne weitere Anhörung zurückweisen, da es klare Vorgaben - Rechtsprechung - hierzu gibt. Bei über 125.--€/Stunde wird es eng.

    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…achlasspflegers

    Notfalls ist ein Verfahrenspfleger zur Anhörung über einen Vergütungsantrag eines Nachlasspflegers zu bestellen, vgl. Palandt zu § 1960 BGB

    Auf welcher Rechtsgrundlage kann ich als Nachlassgericht die Vergütung eines Bevollmächtigten festsetzen. Der Bevollmächtigte ist doch kein Nachlasspfleger. Stundensatz hin oder her. Die TV-Vergütung setzt das Nachlassgericht doch auch nicht fest. Antrag als unzulässig zurückweisen. Das geht.

    Blue Sky:
    Nachlasspflegschaft anordnen. Grund Sicherung des Nachlasses, Vertretung der Erben gegenüber Nachlassabwickler = Bevollmächtigten, Widerruf der Vollmacht.

  • Großes Dankeschön für die konstruktiven Antworten ! Ihr helft mir echt weiter.

    Der "Nachlassabwickler" handelt aufgrund eigener Arroganz bzw. seiner Auslegung der Vollmacht. Es sind noch andere Positionen bei den Nachlassverbindlichkeiten aufgeführt die höchst zweifelhaft sind z.B. beansprucht er noch eine nachträgliche Betreuervergütung nach VBVG für 9 Jahre "Betreuung" des Erblassers von insgesamt 65.000,00 EUR(wieder kein Scherz) die er dem Nachlass entnehmen möchte. So eine Dreistigkeit ist mir auch noch nie begegnet.

    Die Versuchung bei einem Nachlasswert von 1,1 Mio EUR (besteht nur aus Kontoguthaben)ist halt echt groß.

    Ich bin mir halt nicht sooo sicher ob dies allein schon alles ein NLP begründet da ja wohl fast alle Erben bekannt sind aber ich denke ein Widerruf der Vollmacht ist dringend angezeigt oder ?

  • Nochmals: Der Abwickler darf kein Geld für sich entnehmen! Das muss man ihm sofort und eindeutig klar machen. Und natürlich hat das Nachlassgericht nichts mit der Festsetzung der gewünschten Vergütung zu tun.
    Von der Anhörung aller ermittelten Beteiligten zum Thema Anordnung einer Nachlasspflegschaft würde ich nicht absehen, auch wenns etwas Arbeit macht.

  • Großes Dankeschön für die konstruktiven Antworten ! Ihr helft mir echt weiter.

    Der "Nachlassabwickler" handelt aufgrund eigener Arroganz bzw. seiner Auslegung der Vollmacht. Es sind noch andere Positionen bei den Nachlassverbindlichkeiten aufgeführt die höchst zweifelhaft sind z.B. beansprucht er noch eine nachträgliche Betreuervergütung nach VBVG für 9 Jahre "Betreuung" des Erblassers von insgesamt 65.000,00 EUR(wieder kein Scherz) die er dem Nachlass entnehmen möchte. So eine Dreistigkeit ist mir auch noch nie begegnet.

    Die Versuchung bei einem Nachlasswert von 1,1 Mio EUR (besteht nur aus Kontoguthaben)ist halt echt groß.

    Ich bin mir halt nicht sooo sicher ob dies allein schon alles ein NLP begründet da ja wohl fast alle Erben bekannt sind aber ich denke ein Widerruf der Vollmacht ist dringend angezeigt oder ?

    Was Du nun nachträglich berichtest, ist ein klarer Grund für die NP, da bei dem nun bekannten Verhalten des Abwicklers Gefahr besteht, dass Nachlass "verschwindet". Es ist also jetzt neben Erbenermittlung auch Nachlasssicherung ein Grund für die Anordnung einer NP. Jetzt könnte man evtl. sogar wegen Gefahr im Verzug die Anordnung ohne vorherige Anhörung rechtfertigen.

    Es gibt eine BGH-Entscheidung, dass auch bei bestehender Vollmacht bei Gefahr des Missbrauchs eine NP eingerichtet werden kann. (Irgend jemand wird sie schon verlinken;))


  • Du willst also dem "Nachlassabwickler" = "Antragsteller" sein eigenes Schreiben zukommen lassen, mit dem er die Vergütung beansprucht? :gruebel:

  • Frog: #Du willst also dem "Nachlassabwickler" = "Antragsteller" sein eigenes Schreiben zukommen lassen, mit dem er die Vergütung beansprucht?

    Dieses Schreiben muss man sicher nicht verteilen, da das NG ja gerade hierfür unzuständig ist. Ich meinte mit Anhörung immer, ob eine Nachlasspflegschaft anzuordnen ist. Die div. Vergütungswünsche würde ich allerdings als Grund für die Einrichtung einer NP aufführen.

  • #Uschi meinst du BGH vom 24.03.09 XI ZR 191/08?

    Nein, es gibt eine Entscheidung, die Nachlasspflegschaft bei bestehender Vollmacht ermöglicht, wenn der Bevollmächtigte nicht zuverlässig ist. Sorry, ich merke mir immer nur, was es gibt, nie wos steht.

  • Ja natürlich kann ich auch 30 Personen anhören. So faul wie das jetzt vielleicht rüberkam war es nicht gemeint ;) Ich werde nochmal drüber schlafen.
    Da ich meine bisherige Absicht bzgl. des weiteren Verfahrens im Allgemeinen hier bestätigt sehe, werde ich wohl die NLP mit/oder ohne vorherige Anhörung anordnen.

  • Von der Anhörung aller ermittelten Beteiligten zum Thema Anordnung einer Nachlasspflegschaft würde ich nicht absehen, auch wenns etwas Arbeit macht.

    Bestellst du dann vor der Anordnung einer Nachlasspflegschaft, wenn du niemanden zum Anhören ermittelt hast, konsequenterweise einen Verfahrenspfleger für die unbekannten Beteiligten? ;)

    Ehrlich: bei einer Nachlasspflegschaft habe ich noch nie jemanden vorher angehört, sondern mit entsprechender Begründung als Sicherungsmaßnahme sofort angeordnet. Beschwert hat sich noch keiner. Und wenn, dann fällt mir im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung schon noch was ein. Und ggf. kann ich dann -auf Beschwerde- noch immer abhelfen. Aber durch Widerruf der Vollmacht durch den ggf. bestellten Nachlasspfleger ist der Nachlassabwickler im vorliegenden Fall auf jeden Fall aus dem Rennen. Der Widerruf ist auf jeden Fall wirksam. Also bleibt es letztendlich dann doch bei der Nachlasspflegschaft. :)


  • Ja natürlich kann ich auch 30 Personen anhören. So faul wie das jetzt vielleicht rüberkam war es nicht gemeint .

    Wenn nicht "faul" , wie wars denn dann gemeint ?
    Im übrigen wie Gereon .:daumenrau

  • Ich würde auch sofort NLP anordnen, weil Gefahr in Verzug ist. Stichwort: "Sicherung des Nachlasses". Zumindest würde ich die forsche Handlungsweise des "Abwicklers" so betrachten.
    Du schickst doch den Beschluss an alle 30 bekannten Miterben und dann könnten Sie ggfls. ein RM dagegen einlegen.
    Das finde ich schon ziemlich dreist und dem würde ich schnellstmöglich Einhalt gebieten.

    Esra 7, Vers 25
    Du aber, Esra, setze nach der Weisheit deines Gottes, die in deiner Hand ist, Richter und Rechtspfleger ein, die allem Volk jenseits des Euphrat Recht sprechen, nämlich allen, die das Gesetz deines Gottes kennen; und wer es nicht kennt, den sollt ihr es lehren.

  • Von der Anhörung aller ermittelten Beteiligten zum Thema Anordnung einer Nachlasspflegschaft würde ich nicht absehen, auch wenns etwas Arbeit macht.

    Bestellst du dann vor der Anordnung einer Nachlasspflegschaft, wenn du niemanden zum Anhören ermittelt hast, konsequenterweise einen Verfahrenspfleger für die unbekannten Beteiligten? ;)

    Ehrlich: bei einer Nachlasspflegschaft habe ich noch nie jemanden vorher angehört, sondern mit entsprechender Begründung als Sicherungsmaßnahme sofort angeordnet. Beschwert hat sich noch keiner. Und wenn, dann fällt mir im Rahmen der Nichtabhilfeentscheidung schon noch was ein. Und ggf. kann ich dann -auf Beschwerde- noch immer abhelfen. Aber durch Widerruf der Vollmacht durch den ggf. bestellten Nachlasspfleger ist der Nachlassabwickler im vorliegenden Fall auf jeden Fall aus dem Rennen. Der Widerruf ist auf jeden Fall wirksam. Also bleibt es letztendlich dann doch bei der Nachlasspflegschaft. :)

    Jetzt hab Dich mal nicht so. Das habe ich geschrieben, als noch nicht klar war, dass Gefahr im Verzug sein könnte. Als die Fredstarterin den Sachverhalt ergänzt hat, habe ich sofort zur NP geraten.

  • In den Kommentaren sind die einschlägigen Entscheidungen zu der bei transmortalen Vollmachten bestehenden Problematik zitiert. Weshalb liest man sie nicht einfach nach, anstatt hier im Nebel herumzustochern?  

    Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft kommt auch in Betracht, wenn der Erblasser zwar jemanden über seinen Tod hinaus im Hinblick auf die Wahrnehmung seiner vermögensrechtlichen Angelegenheiten bevollmächtigt hat, es der Umfang und die Zusammensetzung des Nachlasses und die mit der Verwaltung des Nachlasses verbundenen Haftungsgefahren aber angezeigt erscheinen lassen, einen der Aufsicht des Nachlassgerichts unterstellten objektiven Dritten mit der Verwaltung des Nachlasses zu betrauen.[1] Das Gleiche gilt, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bevollmächtigte nicht neutral im Sinne aller in Betracht kommenden Erben handeln werde.[2] Im Einzelfall kann das erforderliche Sicherungsbedürfnis aber auch fehlen, wenn der Nachlass von einem zuverlässigen Bevollmächtigten oder Erbprätendenten verwaltet wird und eine missbräuchliche Verfügung aufgrund der Zusammensetzung des Nachlasses ausgeschlossen erscheint.[3] Das Vorhandensein einer vom Erblasser erteilten transmortalen Vollmacht steht der Anordnung einer Pflegschaft aber dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte offensichtlich nicht über die erforderliche Kenntnis im Hinblick auf die Umstände verfügt, die den Gegenstand des konkreten Sicherungsbedürfnisses bilden.[4] Im Hinblick auf die Anordnung der Nachlasspflegschaft steht dem Inhaber einer transmortalen Generalvollmacht oder einem bei der Auswahl des Nachlasspflegers nicht berücksichtigten Bewerber für das Nachlasspflegeramt kein Beschwerderecht zu.[5]  


    [1] OLG Karlsruhe Rpfleger 2003, 585 = FamRZ 2004,222 = FGPrax 2003,229
    [2] BGH FamRZ 2012, 1869 = ZEV 2013, 36
    [3] OLG Karlsruhe Rpfleger 2005, 90 = FamRZ 2005, 836 = FGPrax 2005, 32
    [4]
    LG Gießen Rpfleger 2007, 665
    [5] BayObLG Rpfleger 2004, 702 = FamRZ 2005, 239 = ZEV 2004, 460; OLG München FamRZ 2010, 1113.

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