Genügt bei Annahmeverweigerung in Strafsachen der Zustellungsversuch?

  • Folgender Fall liegt mir zur Bearbeitung vor:

    Ein Strafbefehl mit Übersetzung soll per Einschreiben gegen intern. Rückschein nach Estland zugestellt werden. Aus dem Rückschein ist ersichtlich, dass die Sendung ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Weiterhin wurde jedoch der Ursprungsbrief mit dem Aufkleber "Non reclame" zur Akte zurückgesandt.

    Ich würde nun sagen, dass bei einer Annahmeverweigerung der Zustellungsversuch genügt und der Strafbefehl daher als zugestellt gilt.
    Was meint Ihr?

    Vielen Dank

  • Da "Non reclamé" auf deutsch "nicht abgeholt" bedeutet, kann nicht ohne weiteres von einer Zugangsvereitelung ausgegangen werden. Das OLG Stuttgart, 5 W 62/09, sagt hierzu:

    Zitat

    Erreicht das gemäß Art. 14 EuZVO durch Einschreiben mit Rückschein zur Zustellung aufgegebene verfahrenseinleitende Schriftstück i. S. d. § 34 Nr. 2 EuGVO den Empfänger tatsächlich nicht, sondern wird das Schriftstück nach Hinterlegung auf dem Postamt und Nichtabholung durch den Adressaten an das versendende Gericht zurückgesandt, so könnte der Adressat höchstens dann behandelt werden, als hätte er das Schriftstück erhalten, wenn eine treuwidrige Zugangsvereitelung vorliegen würde.
    Beschränkt sich das Verhalten des Adressaten auf die schlichte Nichtabholung der auf dem Postamt hinterlegten Sendung, könnte darin höchstens dann eine treuwidrige Zugangsvereitelung liegen, wenn dem Adressaten erstens eine Benachrichtigung über die Hinterlegung des Schriftstücks auf dem Postamt zugegangen wäre und wenn zweitens die Benachrichtigung einen Art. 14 Abs. 1 Buchst. d) EuVTVO entsprechenden Hinweis auf den Inhalt der bei der Post lagernden Sendung enthalten hätte. Im Verfahren über die Anerkennung einer Entscheidung würde die Beweislast für den Zugang einer solchen Benachrichtigung den Antragsteller treffen.

    Hat der Antragsgegner des Verfahrens über die Anerkennung einer Entscheidung bereits im Urteilsstaat versucht, die Vollstreckbarkeit der Entscheidung mit der Begründung zu beseitigen, das verfahrenseinleitende Schriftstück sei nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, so entfaltet die Entscheidung des Gerichts des Urteilsstaates im Verfahren über die Anerkennung der Entscheidung in einem Zweitstaat keine Bindungswirkung.

    Auch im Inland gilt: Zustellungsfiktion frotz unberechtigter Annahmeverweigerung setzt Zurücklassen der zuzustellenden Urkunde voraus. Der Zusteller darf die Sendung also nicht an den Absender zurückschicken (VG Cottbus, 6 L 152/06 m.w.M.)

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Ich kenne die Rückscheine auch nur so, das bei "non reclame der Rückschein nicht ausgefüllt war.
    Die Aushändigung kann doch dann auch gar nicht bescheinigt werden.
    Allerdings hatte ich kürzlich 2 Fälle, in denen in entsprechenden Fällen die Rückscheine, die getrennt von der Sendung vorgelegt worden sind, doch ausgefüllt waren.
    Das konnte ich mir überhaupt nicht erklären und habe eine Sendungsverfolgung gestartet.
    Irgendwann hatte ich beim wiederholten Betrachten des zweiten Rückscheins die Lösung: Ein
    hiesiger Wachtmeister hatten die Rückscheine nach Rückkehr aus dem Ausland (warum auch immer) unterschrieben.
    Mich wundert, was die Rechtshilfe angeht schon lange nichts mehr.
    Auch die undenkbarste Panne ist hier möglich.

  • Folgender Fall liegt mir zur Bearbeitung vor:

    Ein Strafbefehl mit Übersetzung soll per Einschreiben gegen intern. Rückschein nach Estland zugestellt werden. Aus dem Rückschein ist ersichtlich, dass die Sendung ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Weiterhin wurde jedoch der Ursprungsbrief mit dem Aufkleber "Non reclame" zur Akte zurückgesandt.

    Ich würde nun sagen, dass bei einer Annahmeverweigerung der Zustellungsversuch genügt und der Strafbefehl daher als zugestellt gilt.
    Was meint Ihr?

    Vielen Dank


    Die Frage, ob eine wirksame Zustellung erfolgt ist oder nicht, ist nicht von dir als Auslandssachensachbearbeiter zu entscheiden. Die Beurteilung dieser Frage obliegt einzig und allein dem zuständigen Entscheider in der Sache selbst, hier also dem Strafrichter!

  • ...und der wird sich entweder mit dem estländischen (estischen?) Zustellrecht auskennen oder feststellen, dass er es gerade nicht tut und daher erstmal von einer unwirksamen Zustellung ausgehen.

    Ich hab zu selten Auslandssachen aus der Strafabteilung, wundere mich aber, dass die Zustellung per EgR nach Estland da gehen soll (geht nichtmal in die Niederlande, wenn ich mich nicht irre)...

    Wer "A" sagt, muss nicht auch "B" sagen. Er kann auch feststellen, dass "A" falsch war oder es auch noch "C" gibt.

    Wir Zauberer wissen über sowas Bescheid!

  • Doch und die geht auch in die Niederlande, da beide Länder zum Schengen-Raum gehören.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Im Zöller habe ich bei § 183 ZPO Rd-Nr.45 folgendes gefunden:
    Bei Annahmeverweigerung genügt der Zustellungsversuch, da anderenfalls ein Bekl. die Durchführung des Prozesses durch Nichtannahme der Postzusendung hätte verhindern können, BGH vom 26.11.1997, Az.: VIII ZR 22/97.

    Hmmmm, das würde ja bedeuten, dass der Strafbefehl ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Richtig sicher bin ich mir aber nicht, ob es wirklich so einfach ist....:gruebel:

  • Ich habe in diesem Fall, also in Strafsachen, bei "non reclamé" immer noch mal zugestellt, aber dann über die Behörden, meistens also über das LG (Muster 31a in NRW). Dann kann ich defintiv davon ausgehen, dass die ZU geklappt hat. Da in der Regel bei der Zustellung E.g.R. auch Übersetzungen beizufügen sind, entstehen in der Regel keine weiteren Kosten.

    Sonst leg doch die Akte dem Strafrichter vor mit der Bitte um Kenntnisnahme und mit der Anfrage, ob die ZU so in Ordnung ist oder nochmal zugestellt werden soll.

  • Da ist man dann in Strafsachen aus der Entscheidung raus. Nicht aber in Zivilsachen im Kostenfestsetzungs oder K-Verfahren.
    Ich habe jedenfalls Bedenken die Entscheidung des BGH anzuwenden.
    Gilt diese überhaupt für Auslandszustellungen oder müsste dann nicht das Ortsrecht ermittelt werden?
    Bei non reclame veranlasse auch ich in der Regel noch eine Zustellung über ausländische Empfangsstellen.

    Einmal editiert, zuletzt von RoryG (9. Februar 2015 um 12:19)

  • Ich denke, man müsste das Ortsrecht anwenden. Ich finde jetzt die Stelle nicht, wo ich das schon gelesen habe. Gerade für Polen kann man davon ausgehen, dass die Zustellung nicht wirksam ist. In Polen muss dann ein gesondertes Protokoll über die Aufforderung zur Abholung eines hinterlegten Briefes erstellt werden. Da man, wenn dieses Protokoll überhaupt erstellt wurde, da auch schlecht rankommt, würde ich persönlich die Zustellung wiederholen und dann ein Ersuchen machen, da der Schuldner die Post ja scheinbar nicht abholt.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!