'Falsche' Eintragung und gleichzeitiger Widerspruch nach §§ 894, 899 BGB?

  • Hallo allerseits.
    Da dies mein erster Besuch ist, sage ich erstmal: Schön hier zu sein!!!
    Ich habe erst letztes Jahr die Prüfung gemacht, vielleicht bin ich auch deshalb mit diesem Problem überfragt.

    Der Sachverhalt sieht so aus:
    Eine Frau mit sehr viel Grundbesitz in verschiedenen Bezirken ist verstorben und wurde von neun Leuten zu verschiedenen Quoten beerbt.
    Grundbuchberichtigung ist noch nicht erfolgt, war auch noch nicht beantragt, die Erblasserin ist noch eingetragen.
    Acht von diesen neun Miterben haben nun ihre Erbteile mit sofortiger dinglicher Wirkung an eine Gemeinde abgetreten - natürlich zu einem gewissen Preis.
    Diese ist jetzt zu 3/4 Miteigentümerin und Mitglied in der Erbengemeinschaft.
    Zunächst beantragte die Gemeinde in der notariellen Urkunde, die Erbteilsübertragung im Wege der Grundbuchberichtigung zu vollziehen. Das hätte ich sofort gemacht, hatte ich doch die Urkunde mit der Abtretung als Unrichtigkeitsnachweis. Allerdings folgte daraufhin unmittelbar der Satz: "Die Verkäufer bewilligen diese Berichtigung derzeit noch nicht."
    Da hätten wir also schon mal einen Antrag ohne Bewilligung - wenn die erforderlich wäre. Weiterhin beantragen die Beteiligten aber außerdem, zugunsten der Gemeinde einen Widerspruch nach §§ 894, 899 BGB einzutragen. Da das alles so gar nicht passte, habe ich den Notar angerufen und ihn darauf hingewiesen, dass ich zum einen keine Bewilligung brauche, um den Antrag auf Eintragung der Erbteilsübertragung zu vollziehen, da ich ja einen Unrichtigkeitsnachweis habe, der Antrag also vollzugsreif wäre und dass damit zum Anderen der Antrag auf Eintragung des Widerspruches keinen Sinn mehr ergibt
    Der Notar nannte das eine "gefährliche Idee" und erklärte dazu, die Beteiligten hätten sich folgendes gedacht:
    Der Widerspruch soll für die Beteiligten eine Art "Vormerkung" sein, damit die Gemeinde einerseits noch nicht als Eigentümerin eingetragen ist und den Kaufpreis auch wirklich zahlt (wovon ich bei einer Gemeinde ausgehen würde) aber andererseits 'schon gesichert' ist.
    Ich wies darauf hin, dass den Veräußerern diese 'Sicherung' nichts nützt, da die Gemeinde faktisch Eigentümerin ist und jederzeit einseitig die Berichtigung beantragen kann, aber der Notar sagte nur, so sei es von den Beteiligten gewollt und er werde den Antrag auf Eintragung der Erbteilsübertragung zurücknehmen (Anträge waren nicht nach § 15 GBO gestellt, aber er hat Kanzleivollmacht) und stattdessen beantragen, die Erbengemeinschaft nach dem Erbschein (also die ursprünglichen neun) einzutragen und außerdem den Widerspruch zugunsten der Gemeinde einzutragen, der Antrag ist ja schon gestellt.
    Die Gemeinde will das auch so, wie ein Rückruf an den sehr drängelnden Sachbearbeiter dort ergab, der schnell den Widerspruch eingetragen haben will.
    (Als ich ihn als Eigentümer benannte, erwiderte er: "Nein, wir sind noch nicht Eigentümer, wir müssen erst noch bezahlen!". Also offenbar einiges bei der Belehrung falsch gelaufen...)
    So sind wir dann verblieben, aber ich habe da Bedenken:
    Darf ich die ursprüngliche Erbengemeinschaft noch eintragen, wenn ich von den Abtretungen weiß, die ja schon wirksam sind, also weiß, dass das unrichtig wäre???
    Wird das möglich, wenn ich zeitgleich den Widerspruch eintrage?
    Gutgläubiger Erwerb könnte nicht mehr stattfinden, das stimmt wohl und so ist es bantragt... aber ich schaffe ja erst durch diese eigentlich 'falsche' Eintragung die Voraussetzung für den Widerspruch nach § 894 BGB, dass das Grundbuch zu Lasten der Gemeinde unrichtig wird.
    Und zur Krönung des Ganzen wurde das auch noch von der Gemeinde beantragt, die ja eigentlich auch gleich beantragen könnte, als Eigentümerin eingetragen zu werden...
    Also mir wird dabei schwindelig...
    Andererseits ist nach der Antragsrücknahme der Antrag auf Vollzug der Erbteilsübertragung ja nicht mehr gestellt, der dem Widerspruchsantrag ja auch von Anfang an widersprach.
    Kann irgendjemand mit diesem Durcheinander etwas anfangen und mir vielleicht auch noch eine Rechtsprechung zeigen, die das belegt?
    Ich habe zu dem zeitgleichen Eintragen von unrichtigem Inhalt und Widerspruch nichts gefunden...

    Vielen Dank schonmal und alles Liebe
    Curiouser

  • Schau mal genau nach, ob die Erbanteilsübertragung an irgendeiner Stelle im Vertrag aufschiebend oder auflösend bedingt worden ist - und wenn ja, wie.

    Vorher brauchen wir nicht zu überlegen.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Hallo Andreas :)

    Hier steht nichts von einer aufschiebenden Bedingung- nur auflösend bedingt ist die Übertragung, für den Fall des Zahlungsverzugs. (Die hatten aus irgendeinem Grund echt Angst dass die Gemeinde nicht zahlen wird...:gruebel:)

  • Wortwörtlich heißt es hier "Dieser Erwerb steht unter der auflösenden Bedingung des Rücktritts des Verkäufers von diesem Erbteilskaufvertrag wegen Zahlungsverzugs (siehe oben ...). Und dann wird auf die Stelle verwiesen, an der der Verkäufer sich den Rücktritt vorbehalten hat.

  • Da dürfte der Notar wohl bei Schöner/Stöber, 15. Aufl., Rdnr. 970 nachgelesen haben;)! Und genau das solltest du jetzt auch tun:D! Dann dürften vermutlich einige Unklarheiten beseitigt sein.

  • Danke Thorsten, das hatte ich noch nicht gesehen...
    Aber ich glaube, ich verstehe den Ablauf noch nicht so ganz- mein Fall wäre ja, wenn ich das richtig verstehe, "(...) dass die Erbteilsübertragung auflösend bedingt durch die Ausübung eines dem Verkäufer vorbehaltenen Rücktrittsrechts vom Erbteilskauf bei Nichtzahlung erfolgt."
    Ich müsste also den Erwerber, also die Gemeinde, schon eintragen als (Mit-) Erbin und in Abt. II den entsprechenden Vermerk nach § 161 Abs. 1 aufnehmen- dazu habe ich hier im Forum diesen Formulierungsvorschlag gefunden:

    Abt I:
    Sp. 4: Aufgrund Erbteilsübertragung eingetragen am ....

    Abt. II:
    Sp. 3: Die Erbetilsübertragung ist auflösend bedingt. Die Bedingung tritt ein mit dem Rücktritt der Verkäufer vom notariellen Erbteilskaufvertrag vom ...
    Verfügungen der Eigentümerin über die Grundstücke bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Verkäufer:
    A, geb. am ...,
    und
    B, geb. am ...
    Bezug: Bewilligung vom ... (Notar C in D, UR-Nr....)
    Eingetragen am ....

    Und die Absicherung der Veräußerer bestünde dann darin, dass dieser Vermerk nur mit ihrer Bewilligung gelöscht werden kann?
    Das wäre hier natürlich eine schöne Lösung gewesen! :daumenrau
    Aber dass die Gemeinde schon eingetragen wird, wollen ja die Veräußerer gerade nicht :(
    Sie wollen erstmal selbst noch nach der Erblasserin eingetragen werden- obgleich ich weiß, dass die Abtretung, wenn auch auflösend bedingt, schon wirksam ist.
    Hier steht zwar auch "Bis zum Vollzug der Grundbuchberichtigung kann ein Widerspruch (§ 899 BGB) für den Erwerber (...) eingetragen werden."
    Aber gilt das auch wenn beantragt ist, das Grundbuch erst nur 'teilweise' zu berichtigen, obwohl alle Voraussetzungen für die endgültige Berichtigung schon vorliegen?
    Ich habe irgendwie das Gefühl, ich soll hier eine Eintragung vornehmen, die eigentlich schon falsch ist, weil die Erbengemeinschaft nicht mehr so ist wie sie im Erbschein ausgewiesen war, aber die Beteiligten sie noch so eingetragen haben wollen.
    Wenn ich Stöber an dieser Stelle richtig verstehe, soll der Widerspruch eine Übergangslösung sein, wenn man den Eigentumswechsel aufgrund Erbteilsübertragung noch nicht eintragen kann, weil z.B. die UB fehlt.
    Aber hier könnte ich ja alles gleich eintragen und bräuchte den Widerspruch eigentlich nicht- nur glauben die Veräußerer, sie hätten noch, wie man so sagt "die Hand auf dem Grundstück" solange sie nur eingetragen werden und nicht die Gemeinde.
    Deswegen steht in der Urkunde auch, sie 'bewilligen die Eintragung der Gemeinde derzeit noch nicht'- dabei brauche ich ihre Bewilligung ja nicht- oder?:confused:

  • ...
    Eine Frau mit sehr viel Grundbesitz in verschiedenen Bezirken ist verstorben und wurde von neun Leuten zu verschiedenen Quoten beerbt. Grundbuchberichtigung ist noch nicht erfolgt, war auch noch nicht beantragt, die Erblasserin ist noch eingetragen.
    Acht von diesen neun Miterben haben nun ihre Erbteile mit sofortiger dinglicher Wirkung an eine Gemeinde abgetreten - natürlich zu einem gewissen Preis. Diese ist jetzt zu 3/4 Miteigentümerin und Mitglied in der Erbengemeinschaft...
    Curiouser

    Wie das Miteigentum zustande gekommen ist, verstehe ich zwar noch nicht ganz. Wegen der Folgen und der Formulierung der Verfügungsbeschränkung schau aber auch mal diese Threads:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post904988
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post904939
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post925744
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post677267

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Meines erachtens gilt auch hier der Grundsatz, dass das Grundbuchamt nichts einträgt, von dem es weiß, dass es unrichtig ist. Wenn eine Grundbuchberichtigung beantragt wird, dann muss damit das Ziel verfolgt werden, das Grundbuch nun richtig zu machen und nicht einen nicht mehr aktuellen Zwischenschritt zu vollziehen.

    Wäre die Erbengemeinschaft bereits voreingetragen gewesen, so hätte der Widerspruch entsprechend Schöner/Stöber eingetragen werden können. Ich halte es aber für unzulässig, weil nicht mehr der wahren Rechtslage entsprechend, die acht Zedenten einzutragen. Und ohne deren Eintragung gibt es auch keinen Widerspruch dagegen.
    Das Problem kann somit nur gelöst werden, indem der verbliebene Miterbe, die Stadt als Zessionarin und die entsprechende Verfügungsbeschränkung eingetragen wird. Dieses müsste aber erst noch beantragt werden. Der vorgelegte Antrag könnte nach vorheriger Anhörung zurückgewiesen werden.

  • Hallo Prinz!
    Vielen Dank für die Threads.
    Mir sprang dieser Satz ins Auge:

    Ohne berichtigende Eintragung des Erbteilskäufers kann zu dessen Schutz wenigstens ein Widerspruch eingetragen werden; im anderen Fall, d.h. mit bereits erfolgter Eintragung des Erwerbers, wird zum Schutz des Veräußerers noch die Verfügungsbeschränkung (§ 161 BGB) vermerkt. Wegen der Unwägbarkeiten: Rn 969.


    :(
    Damit dürfte das Thema Verfügungsbeschränkung nach § 161 BGB vom Tisch sein- die Eintragung der Gemeinde wollen die Beteiligten ja übereinstimmend ganz genau auf keinen Fall.
    Ist natürlich insofern unsinnig als dass die Veräußerer trotzdem nicht gesichert sind, aber... sie glauben sie wären es.

    Dass die Gemeinde nun zu 3/4 Eigentümerin ist, kommt daher, dass die Miterben nicht alle gleiche Quoten hatten.
    Die acht die ihre Anteile abgetreten haben, hatten alle zusammen 3/4 und der eine, der von den ursprünglichen neun Erben noch übrig ist und jetzt in Erbengemeinschaft mit der Gemeinde steht, hat noch zu 1/4 geerbt.
    Aber natürlich war das mit 'Miteigentum' falsch ausgedrückt- ich wollte nur sagen, dass die Gemeinde an der Gesamthandsgemeinschaft jetzt zu 3/4 beteiligt ist, eintragen würde ich sie (wenn ich denn dürfte!) natürlich ohne Anteile.

    Mein Fall muss also zwingen sein: "ohne berichtigende Eintragung des Erbteilskäufers".
    Ich könnte insoweit nach Stöber den Widerspruch eintragen- allerdings liegt ja dort der Fall vor, dass die Veräußerer schon eingetragen sind.
    Bei mir wollen sie erst eingetragen werden und hier sehe ich es wie du, DietmarG: Das wäre einfach falsch, weil ich ja weiß dass es nicht mehr stimmt.
    Bin froh, dass du das auch so siehst :)
    Meint ihr, es wird reichen mich auf den Legalitätsgrundsatz zu stützen und die hierzu entsprechende Rechtsprechung anzubringen?
    Genaueres zu genau diesem Konflikt konnte ich leider nicht finden.

  • Teilweise wurde in der obligatorischen 'Mittagspause-Diskussion' die Meinung vertreten, es sei möglich die acht Zedenten einzutragen, solange nur zeitgleich der Widerspruch eingetragen wird- aber irgendwie kann ich mich damit nicht anfreunden.
    Der Widerspruch macht das Grundbuch ja allein nicht richtig, er zeigt nur allen, dass es unrichtig ist und verhindert gutgläubigen Erwerb- also würde ich letztlich immer noch 'sehenden Auges' etwas unrichtiges eintragen, oder?:(

  • Aus meinem letzten Übersichtsaufsatz (Bestelmeyer Rpfleger 2014, 641, 649):

    Nach Ansicht des OLG Nürnberg soll die Norm des § 40 Abs. 1 GBO entsprechend anwendbar sein, wenn ein Miterbe seinen Erbteil vor Eintragung der Erbfolge an einen anderen Miterben oder einen Dritten überträgt, so dass unmittelbar entweder die personell reduzierte oder die durch den Eintritt des Dritten personell veränderte Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen werden kann.[127] Diese Ansicht ist nur im Ergebnis zutreffend, weil die Zwischeneintragung des Miterben, der seinen Erbteil übertragen hat, das Grundbuch unrichtig machen würde[128] und es sich daher insoweit nicht um ein Problem der Voreintragung, sondern um eine Frage des Legalitätsprinzips handelt.[129] Der Fall liegt demnach nicht anders, als wenn der betreffende Miterbe vor Eintragung der Erbfolge nachverstorben oder mittels Abschichtung aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden ist,[130] als wenn ein GbR-Anteil mehrfach übertragen wird oder als wenn eine GbR Grundbesitz erwirbt und ein Gesellschafter seinen Anteil in der Zeit zwischen Auflassung und Eigentumsumschreibung an einen Mitgesellschafter oder an einen Dritten überträgt. Die Diskussion über das vorgebliche Erfordernis der Voreintragung des betreffenden Miterben wird somit bislang unter unzutreffenden rechtlichen Voraussetzungen geführt. Jemand, der nicht mehr Berechtigter ist, weil er seine Berechtigung außerhalb des Grundbuchs verloren hat, kann schon aus diesem Grund nicht mehr als Berechtigter (vor-)eingetragen werden. 


    [127] OLG Nürnberg Rpfleger 2014, 12 m. zust. Anm. Simon = FamRZ 2014, 1152 = ZEV 2013, 680
    [128] Zutreffend Demharter, GBO, 29. Aufl., § 39 Rn. 12 (anders aber in § 40 Rn. 3). 
    [129]
    Gegen die Anwendbarkeit des § 40 GBO bereits Bestelmeyer Rpfleger 2008, 552, 563. 
    [130] Für diese Gleichbehandlung zutreffend Simon Rpfleger 2014, 14.

  • :lesen:

    Jemand, der nicht mehr Berechtigter ist, weil er seine Berechtigung außerhalb des Grundbuchs verloren hat, kann schon aus diesem Grund nicht mehr als Berechtigter (vor-)eingetragen werden.

    Das ist genau das, was mir hier so Bauchschmerzen bereitet- vielen Dank Cromwell! :)
    Und nur nochmal zur Sicherheit- es ändert auch nichts, wenn beantragt ist, gleichzeitig den Widerspruch einzutragen, sehe ich das richtig?

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