Notwendiger RA-Wechsel?

  • Hallo,
    folgender Fall:
    KV1 beantragt u.a. eine 1,3 GG, die letztlich auch tituliert wird. Im laufenden Verfahren wechselt der KV, der Kläger wird jetzt von KV 2 vertreten, der einen Kfa mit einer 1,3 VG stellt. Ich habe im Kfb die VG um die hälftige GG auf eine 0,65 Gebühr reduziert, da eine 1,3 GG tituliert worden ist.
    Jetzt legt KV 2 sofortige Beschwerde ein und begründet diese damit, dass sich KV 1 wegen eines Betrugsverfahrens in Untersuchungshaft befand und erst nach Abschluss des hiesigen Verfahrens wieder als Anwalt tätig werden konnte. Somit sei er (KV 1) an der Weiterführung des hiesigen Verfahrens gehindert, so dass auf Klägerseite ein neuer KV bestellt werden musste und die VG in voller Höhe erstattungsfähig ist.
    Ich bin mir nicht sicher. Laut Zöller ist ein Anwaltswechsel dann notwendig, wenn weder die Partei noch den 1. RA ein Verschulden daran trifft. Jetzt ist die Frage, ob den 1. RA ein Verschulden an der Untersuchungshaft trifft. Immerhin darf er inzwischen weiter als RA praktizieren. Aber würde dann nicht eine Entschädigung für KV 1 fällig?

  • Ich bin mir nicht sicher. Laut Zöller ist ein Anwaltswechsel dann notwendig, wenn weder die Partei noch den 1. RA ein Verschulden daran trifft. Jetzt ist die Frage, ob den 1. RA ein Verschulden an der Untersuchungshaft trifft. Immerhin darf er inzwischen weiter als RA praktizieren. Aber würde dann nicht eine Entschädigung für KV 1 fällig?

    Vom Gefühl her würde ich sagen das hängt davon ab was bei dem Strafverfahren "rauskommt".
    Solange es nur U-Haft ist/war und noch keine Verurteilung erfolgte würde ich vom strafrechtlichen Grundsatz der Unschuldsvermutung ausgehen und dementsprechend von "unverschuldetem RA-Wechsel" (auch wenn es sich vielleicht nachträglich aus falsch herausstellt).
    Entschädigung für KV1? Du meinst wegen der U-Haft? Käme natürlich in Betracht, wenn z.B. Freispruch erfolgt.
    Zum Stand des Verfahrens ist nichts bekannt? Das die U-Haft beendet wurde bedeutet noch nicht automatisch dass das Strafverfahren schon in irgendeiner Form beendet wurde.


  • Zum Stand des Verfahrens ist nichts bekannt? Das die U-Haft beendet wurde bedeutet noch nicht automatisch dass das Strafverfahren schon in irgendeiner Form beendet wurde.


    Der Anwalt praktiziert wieder, also gehe ich davon aus, dass das Verfahren beendet ist.


  • Der Anwalt praktiziert wieder, also gehe ich davon aus, dass das Verfahren beendet ist.

    Nicht unbedingt :gruebel:
    Haftgründe können aus allen möglichen Gründen weggefallen sein.
    Und ein laufendes Ermittlungsverfahren allein hindert ihn ja erstmal nicht automatisch am praktizieren...

    Aber wenn es tatsächlich beendet ist wäre das Ergebnis denke ich hilfreich zu wissen.

  • Ich würde das ganz pragmatisch aus der Sicht deines Verfahrens betrachten.
    Kläger wurde von RA1 vertreten. Der hat vorgerichtlich eine GG erworben, die tituliert wurde.
    Während des Verfahrens kam RA1 in U-Haft und konnte in dieser Zeit das Mandat nicht weiter führen. Der Kläger war gezwungen, RA2 zu beauftragen. Das ist bei mir ein notwendiger Anwaltswechsel. Dass RA1 jetzt wieder praktiziert, spielt keine Rolle. Man kann ja nicht alle seine Mandate für die Zeit der U-Haft, also erst mal auf unbestimmte Zeit, auf Eis legen und abwarten, was passiert. Die offenen Verfahren müssen ja irgendwie weiter gehen.
    Was die Anrechnung angeht - die gilt für RA2 nicht. Ihm ist ja die Geschäftsgebühr nicht entstanden.
    Aufgrund des notwendigen Anwaltswechsels muss die Beklagtenseite als Kostenschuldner die Kosten beider Anwälte tragen. Ob die dann gegen irgendwen Anspruch auf "Schadensersatz" wegen der U-Haft und dem dadurch entstandenen Ausfall des RA1 und den daraus folgenden zusätzlichen Kosten hat, ist eine andere Baustelle, die nicht in deinem Verfahren zu klären ist.

  • Dass die Anrechnung auf die VG des KV2 nicht zu erfolgen hat, ist mir schon klar. Es geht jetzt nur um die Frage, ob der KV1 den Anwaltswechsel durch sein Verhalten verschuldet hat oder nicht.

  • Ich meine, es liegt hier kein notwendiger RA-Wechsel vor. Der BGH hat festgestellt, dass dann ein Wechsel notwendig ist, wenn der erste RA z.B. aus "achtenswerten Gründen" die Zulassung zurückgibt, stirbt oder berufsunfähig erkrankt oder ähnliches. Er hat aber auch festgestellt, dass z.B. eine Kanzleipleite nicht zu einem notwendigen RA-Wechsel führt, da die Pleite im Verantwortungsbereich des RA liegt. So sehe ich es hier mit der U-Haft auch. Dass der RA wieder praktizieren darf, ändert hieran m.E. nichts.

  • Es geht jetzt nur um die Frage, ob der KV1 den Anwaltswechsel durch sein Verhalten verschuldet hat oder nicht.

    Für ein selbst Verschulden der U-Haft könnte man z.B. auf BGH, IX ZR 182/94, 30.03.1995 verweisen:

    "Jedenfalls hat sich der Kläger in vorwerfbarer Weise vertragswidrig verhalten, indem er während des Vertrages den Verdacht strafbarer Handlungen zum Nachteil anderer Auftraggeber begründet und dadurch schwerwiegende Zweifel an seiner beruflichen Zuverlässigkeit und Redlichkeit ausgelöst hat."

  • Es geht jetzt nur um die Frage, ob der KV1 den Anwaltswechsel durch sein Verhalten verschuldet hat oder nicht.

    Für ein selbst Verschulden der U-Haft könnte man z.B. auf BGH, IX ZR 182/94, 30.03.1995 verweisen:

    "Jedenfalls hat sich der Kläger in vorwerfbarer Weise vertragswidrig verhalten, indem er während des Vertrages den Verdacht strafbarer Handlungen zum Nachteil anderer Auftraggeber begründet und dadurch schwerwiegende Zweifel an seiner beruflichen Zuverlässigkeit und Redlichkeit ausgelöst hat."


    Danke Dir - und auch 13.


  • Für ein selbst Verschulden der U-Haft könnte man z.B. auf BGH, IX ZR 182/94, 30.03.1995 verweisen:

    Guck an, die Klamotte kannte ich noch gar nicht - :dankescho

  • Der BGH hat festgestellt, dass dann ein Wechsel notwendig ist, wenn der erste RA z.B. aus "achtenswerten Gründen" die Zulassung zurückgibt, stirbt oder berufsunfähig erkrankt oder ähnliches.

    Könntest Du (oder jemand anders :)) mir das Az. der BGH-Entscheidung nennen?
    Ich grübele auch gerade über einem "notwendigen Anwaltswechsel" :cool:

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Ich glaube, ich hab's gefunden: BGH, Beschluss vom 12.09.2012, IV ZB 3/12.
    Falls es doch eine andere Entscheidung ist, stoßt mich bitte darauf :).

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Die von Dir recherchierte BGH-Entscheidung meinte ich.
    Zudem habe ich noch eine kleine Übersicht, deren Quelle ich leider nicht notiert habe, jedoch einem Skript entstammen könnte:

  • Das ist für mich eher eine Frage, wer die Musik bezahlt. Ein Mandant kann sich von mir aus soviele Anwälte nehmen, wie er mag. Und die muss er auch alle bezahlen. Darüber, ob der Gegner die Kosten zahlen muss, darüber kann man streiten.

  • Öööhm, das musst Du jetzt aber mal erläutern: In den Vorbeiträgen geht es nach meinem Verständnis doch um die Erstattungsfähigkeit... :gruebel:

  • @ 13: Danke!
    Und ja - mindestens bei mir geht es um die Erstattungsfähigkeit gegenüber dem Prozessgegner.
    Die Anwältin hat knapp 1 1/2 Jahre nach Prozessbeginn "ihre selbstständige anwaltliche Tätigkeit aufgegeben und war in ein Beschäftigungsverhältnis eingetreten, dass ihr letztendlich eine Fortführung des Mandates nicht mehr ermöglichte und schließlich zur Rückgabe der anwaltlichen Zulassung führte."
    Ein "achtenswerten Grund" im Sinne des BGH ist mir noch nicht dargelegt worden und nach OLG Braunschweig läge der wohl in diesem Fall auch eher nicht vor:gruebel:. Ich werde die Partei auffordern, ergänzend substantiiert zum "achtenswerten Grund" vorzutragen *seufz* .

    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Ich mache hier mal weiter, da es um die Frage der Erstattungsfähigkeit des 2. Anwalts bei "notwendigem" (?) Anwaltswechsel geht:

    Ich suche Fundstellen/Rechtsprechung zur "Interessenkollision", insbesondere die Entscheidung des OLG Frankfurt JB 1983,122 und Frankfurt JurBüro 77,554 jeweils im Volltext - kann mir jemand helfen?

    Du hast nur ein Leben - aber wenn Du es richtig gemacht hast, reicht das auch ... Indra

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