VV 3104 (1) 1 RVG trotz mdl. Verhandlung?

  • Brauche mal wieder Hilfe:
    Klage wird eingereicht, es kommt zum Termin. In diesem wird der Kläger durch einen Unterbevollmächtigten vertreten. Im Termin wird festgestellt, dass die Sache noch nicht entscheidungsreif ist. Die Parteien einigen sich letztlich im Rahmen der folgenden Schriftsätze dann darauf, dass das Gericht im schriftl. Verfahren entscheiden soll. Entsprechendes Urteil ergeht dann letztlich auch.

    Nun meldet der klägerische Hauptbevollmächtigte, der im Termin ja nicht anwesend war, unter Hinweis auf VV 3104 (1) 1 RVG eine Terminsgebühr an, da ja ohne mündliche Verhandlung entschieden worden sei. Ich sehe das anders, denn es hat ja- wenn auch nicht unmittelbar vor Urteilserlass- eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Leider finde ich weder Literatur noch Entscheidungen zu diesem Problem.
    Wie sieht das die geballte Kompetenz des Forums?

  • Die Parteien einigen sich letztlich im Rahmen der folgenden Schriftsätze dann darauf, dass das Gericht im schriftl. Verfahren entscheiden soll.


    Das bedeutet, daß das Gericht ansonsten einen neuen Termin hätte anzuberaumen müssen?

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  • Das Gericht hat zunächst, nachdem die Parteien in einigen Schriftsätzen nach dem Termin ihre Ansichten dargelegt hatten, einen Hinweisbeschluss erlassen. In diesem enthalten war ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag gem. § 278 Abs. 6 ZPO. Dieser wurde jedoch durch die Beklagtenseite nicht angenommen. Anschließend fragte das Gericht dann bei beiden Parteien nach, ob Einverständnis mit schriftl. Entscheidung vorliegt. Dies wurde von beiden Seiten bejaht. Ohne dieses Einverständnis hätte wohl neu terminiert werden müssen, da der Streitwert über 600,- EUR liegt und § 495a ZPo daher nicht anwendbar war.

  • Dann verstehe ich nicht ganz Dein Problem. Der RA soll doch die Terminsgebühr gerade für diesen Fall erhalten, daß also nur mit Zustimmung der Parteien eine mündliche Verhandlung entbehrlich wird. Denn andernfalls könnte er sie doch erzwingen. In diesem Fall (wenn er an dem Termin also teilgenommem hätte), hättest Du die ihm die Terminsgebühr doch auch gegeben. Kannst Du evtl. nochmal umreißen, wo es genau bei Dir hakt? Daß der UBV schon eine Terminsgebühr verdient hat, spielt hier jedenfalls keine Rolle für die Frage, ob dem HBV eine Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV zusteht.

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  • Voraussetzung für die Entstehung der TG gem. VV 3104 (1) 1 RVG ist, dass die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergangen ist. Dies ist hier aber nicht der Fall, denn es hat ja eine mündliche Verhandlung im Rahmen des Verfahrens stattgefunden! Daher trifft VV 3104 (1) 1 RVG hier nach seinem Wortlaut m.E. nicht zu mit der Folge, dass für den HBV eine TG nicht entstanden ist:gruebel:.
    Für den UBV ist eine TG entstanden, das ist unproblematisch.

  • Jetzt verstehe ich, was Du meinst. Der Wortlaut spricht für Deine Sichtweise, wird meiner Meinung nach aber von Dir mißverstanden. Das "ohne mündliche Verhandlung" bezieht sich auf die verpflichtende Mündlichkeit, die durch die Zustimmung entbehrlich wird.

    Dabei kannst Du z. B. die Gründe des Gesetzgebers zur Änderung durch das 2. KostRModG für diese fiktive Terminsgebühr heranzuziehen, die Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2014, Rn. 12 zu Nr. 3104 VV erläutert: Die fiktive Terminsgebühr soll konsequent auf die Fälle beschränkt werden, in denen der RA durch sein Verhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann. Mit der fiktiven Terminsgebühr soll verhindert werden, daß der RA eine mündliche Verhandlung nur deshalb erzwingt, weil er sonst der Terminsgebühr verlustig gehen würde. Genau diese mündliche Verhandlung hätte der RA hier aber erzwingen können. Daher steht ihm die fiktive Terminsgebühr zu, die er andernfalls durch Teilnahme am Termin hätte verdienen können. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß ja bereits im 1. Termin ein UBV vertreten hat, da dessen Beauftragung für die Partei/den RA nicht verpflichtend ist.

    Lediglich in dem Fall, daß eine solche mündliche Verhandlung gar nicht mehr hätte durchgeführt werden müssen, würde ich den Ansatz der fiktiven Terminsgebühr infrage stellen.

    Kurzum: Es kommt für die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr nicht darauf an, wieviele Termine stattgefunden haben, sondern allein darauf, ob durch die Zustimmung dem gesetzlichen Erfordernis der (ggf. weiteren) obligatorischen Verhandlung Genüge getan wurde.

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  • Das überzeugt mich nicht so ganz. Eine TG entsteht gem. VV 3104 (1) 1 RVG nur dann, wenn auch tatsächlich ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Selbst in dem Fall, dass entgegen dem Willen der Parteien eine mündliche Verhandlung stattfindet, findet die Vorscrift keine Anwendung, vgl. Gerold/Schmidt, 21. Aufl., Rdnr. 17 zu VV 3104 RVG. Kostenrecht ist nun einmal Folgerecht.
    Hier hat ebenfalls eine mündliche Verhandlung stattgefunden (sogar dem Willen der Parteien gemäß!). Daher bin ich weiterhin der Meinung, dass VV 3104 (1) 1 RVG hier nicht anwendbar ist.

  • Selbst in dem Fall, dass entgegen dem Willen der Parteien eine mündliche Verhandlung stattfindet, findet die Vorscrift keine Anwendung, vgl. Gerold/Schmidt, 21. Aufl., Rdnr. 17 zu VV 3104 RVG.


    Das ist auch sachgerecht und widerspricht der gesetzgeberischen Intention auch nicht, weil in der Konsequenz dem RA durch die vertretungsbereite Teilnahme an der mündlichen Verhandlung dann sowieso eine Terminsgebühr zusteht, so daß es auf die Anm. Abs. 1 zu Nr. 3104 VV und damit eine fiktive Terminsgebühr dann gar nicht mehr ankommt. Daher verstehe ich den Satz "Kostenrecht ist Folgerecht" auch nicht, da in diesem Fall für den RA auch eine Terminsgebühr entsteht - scheidet er nicht vorher aus, wie als Beispiel bei der von dir zitierten Literatur angegeben.

    Daher bin ich weiterhin der Meinung, dass VV 3104 (1) 1 RVG hier nicht anwendbar ist.


    Wie ich Dir geschrieben habe, widerspricht das der gesetzgeberischen Intention, also dem Sinn und Zweck, wofür diese Anm. überhaupt geschaffen wurde. Vielleicht solltest Du die Anm. wie folgt lesen (Fettdruck durch mich), um zu verstehen, was der Gesetzgeber mit der Anm. Abs. 1 erreichen wollte:

    "Die Gebühr entsteht auch, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien (...) ohne die obligatorische mündliche Verhandlung entschieden (...) wird (...)"

    Allein schon der Fakt, daß der RA das nächste Mal in einer solchen Konstellation auf die Durchführung der obligatorischen mündlichen Verhandlung bestehen müßte, um seine Terminsgebühr nicht zu verlieren, zeigt m. E., daß man Deinem Verständnis der Vorschrift nicht den Vorzug geben kann.

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  • Die Besonderheit in meinem Fall ist doch, dass der Kläger hier einen HBV und einen UBV hat. "Normalerweise" (also bei Vertretung nur durch einen RA) hätte dieser ja bereits durch die Teilnahme an der stattgefundenen Verhandlung problemlos die TG verdient. Das Argument, dass der RA demnächst dann seine Zustimmung zur schriftlichen Entscheidung verweigern müsste, um die TG zu erhalten, zieht hier also nicht. Denn wenn der HBV auf der mdl. Verhandlung besteht und dann wieder den UBV zum Termin schickt, bekommt er auch keine TG!

  • Denn wenn der HBV auf der mdl. Verhandlung besteht und dann wieder den UBV zum Termin schickt, bekommt er auch keine TG!


    Wer sagt denn, daß er den UBV wieder schickt (schicken muß?)? Diese Schlußfolgerung kannst Du doch nur aufstellen, wenn Du die Ansicht vertreten würdest, die Partei sei verpflichtet, den UBV erneut zu beauftragen. Dann verletzt das aber die Partei in ihrem Recht, durch ihren an ihrem Wohnort ansässigen HBV bei einem auswärtigen Gericht auch in der mündlichen Verhandlung vertreten zu werden (weshalb in diesem Rahmen dessen Reisekosten nach der Rechtsprechung des BGH auch immer notwendig und damit erstattungsfähig sind). Da es keine Pflicht der Partei zur Beauftragung eines UBV gibt, verliert der HBV bei der von Dir angenommenen Sichtweise seine (fiktive) Terminsgebühr, die er aber tatsächlich verdienen würde, würde er keinen Verzicht auf Durchführung der obligatorischen mündlichen Verhandlung und damit Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilen.

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