§ 1371 Abs. 1 BGB und ausländisches Erbstatut: BGH entscheidet Streitfrage

  • Von Prinz im Grundbuch-Rspr.-Thread eingestellt und von mir im Nachlass-Rspr.Thread wiederholt:

    Der pauschale Zugewinnausgleich nach § 1371 Abs. 1 BGB ist im Sinne der Artt. 15, 25 EGBGB rein güterrechtlich zu qualifizieren.

    BGH, Beschluss vom 13. Mai 2015 - IV ZB 30/14

    http://juris.bundesgerichtshof.de/cg...99&Blank=1.pdf

    Damit ist diese seit Jahrzehnten schwelende Streitfrage zugunsten der Erbteilserhöhung entschieden.

    Die Gerichte, welche bislang nicht von der Anwendbarkeit des § 1371 Abs. 1 BGB ausgingen, dürften nunmehr mit einer nicht geringen Anzahl von unrichtig erteilten Erbscheinen konfrontiert sein.

  • Diesen "erbquotenlosen" Erbschein gibt es in ganz eng begrenzten Ausnahmefällen auch schon (von der Rechtsprechung entwickelt) im geltenden Recht und nach künftigem Recht wird es - zu Recht - auch weiterhin ein Schattendasein führen. Denn die Erteilung eines solchen Erbscheins kommt nur in Betracht, wenn zur Bestimmung der Erbquoten langwierige Ermittlungen erforderlich sind und die Erben demzufolge gehindert wären, über den Nachlass zu verfügen, obwohl der Kreis der Erben unzweifelhaft feststeht. Ich halte es für nachgerade überflüssig, dass dieser extreme Ausnahmefall nunmehr gesetzlich geregelt und so (evtl.) der Anschein erweckt wird, ein solcher Erbfall könne auch im Normalfall erteilt werden, obwohl die Erbquoten bereits feststehen.

  • In der Schulung zur EUErbrechtsreform fiel ganz am Rande die Bemerkung von Mann ganz vorn, dass diese Erhöhung ein Novum in Deutschland sei, was in den übrigen Ländern nicht existieren würde, sich daraus Probleme ergeben könnten und man in D gerade überlegt genau dies abzuschaffen mit der nächsten geplanten EU Reform in Fam. Sachen. Mehr hab ich leider dazu nicht mehr in Erinnerung.
    Aber wie passt das zusammen.

  • Max: Das muss ein Wunschtraum des Referenten sein. Kann ich mir nicht vorstellen und aus mir bekannten Quellen des BMJ ist das auch nicht aktuelles Thema.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Eigentlich ein sehr korrekter Mensch, dem ich nicht zutraue, dass der sich was ausdenkt. Ich weiß noch wir haben uns dann so unsere Gedanken um die Folgen
    gemacht, z.B. Pflichtteile etc.
    Aber im Moment egal, mal schauen was kommt.
    War ja nie langweilig in den letzten Jahren im NL, der Gesetzgeber hat gut dafür gesorgt.

  • Hallo Cromwell,
    könntest du mir bitte sagen, ob ich die Entscheidung richtig verstanden habe.

    Nach meinem Verständnis besagt sie für fogenden Fall:

    Erbrecht richtet sich nach ausländischem Recht.
    Die Eheleute lebten aber im Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht.

    Zusätzlich zur Quote nach ausländischem Recht erhält der überlebende Ehegatte das 1/4 nach § 1371 Abs. 1 BGB.
    Die Quoten der weiteren Beteiligten vermindern sich anteilig.

    Sollte jedoch das ausländische Erbrecht in seiner Erbquote auch einen güterrechtlichen Ausgleich vorsehen, müsste man eine "Anpassung" vornehmen, damit dieser güterrechtliche Ausgleich nicht einmal nach § 1371 BGB und zusätzlich nach dem ausländischen Recht erfolgt, sich also verdoppelt. Hier müsste also eine, wie auch immer geartete :oops:, weitere Prüfung erfolgen.

  • Die Notwendigkeit der Anpassung an das ausländische Ehegattenerbrecht, dass ja einen über das Erbrecht hinaus gehenden Ausgleich zugunsten des Ehegatten bereits enthalten kann, ist eine Sache. Ein weiteres Problem ist, ob man sich mit dieser Erhöhung nach dem 17. August im Erbscheinsverfahren befasst. Art. 1 Abs. 2 lit. d ErbRVO nimmt vom Anwendungsbereich der ErbRVO das Ehegüterrecht aus. Man müsste bei der Auslegung des Unionsrechts sagen, dass auch wenn der BGH § 1371 Abs. 1 BGB ehegüterrechtlich qualifiziert, handelt es sich (nur) um die Voraussetzungen der Anwendung dieser Vorschrift. Die Tatsache, dass die Folgen erbrechtlich sind, führt dazu, dass die Frage der Erhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB im Erbscheinsverfahren geprüft werden muss.

  • Hallo Cromwell,
    könntest du mir bitte sagen, ob ich die Entscheidung richtig verstanden habe.

    Nach meinem Verständnis besagt sie für fogenden Fall:

    Erbrecht richtet sich nach ausländischem Recht.
    Die Eheleute lebten aber im Güterstand der Zugewinngemeinschaft nach deutschem Recht.

    Zusätzlich zur Quote nach ausländischem Recht erhält der überlebende Ehegatte das 1/4 nach § 1371 Abs. 1 BGB.
    Die Quoten der weiteren Beteiligten vermindern sich anteilig.

    Sollte jedoch das ausländische Erbrecht in seiner Erbquote auch einen güterrechtlichen Ausgleich vorsehen, müsste man eine "Anpassung" vornehmen, damit dieser güterrechtliche Ausgleich nicht einmal nach § 1371 BGB und zusätzlich nach dem ausländischen Recht erfolgt, sich also verdoppelt. Hier müsste also eine, wie auch immer geartete :oops:, weitere Prüfung erfolgen.

    Der letzte Absatz Deiner Ausführungen entspricht nicht der Entscheidungsbegründung in Rn. 33 (a. E.). Dort ist nämlich ausdrücklich gesagt, dass es für die Erbteilserhöhung keine Rolle spielt, ob der nach ausländischem Erbstatut maßgebliche Erbteil des Ehegatten auch güterrechtliche Elemente enthält.

    Die notwendige Anpassung bzw. Angleichung betrifft somit nur die Fallgestaltungen, bei welchen § 1371 BGB bewirken würde, dass der Ehegatte einen Erbteil erhielte, der (bei Normenhäufung) höher oder (bei Normenmangel) niedriger ist als derjenige Erbteil, der ihm bei Einzelbetrachtung beider Statute höchstens oder mindestens zustünde. Das ist also nichts anderes als die Angleichung, welche die die Anwendung des § 1371 Abs. 1 BGB befürwortende obergerichtliche Rechtsprechung schon bislang vorgenommen hatte.

    Bei DDR-Bezug gibt es übrigens die gleiche Problematik. Ich habe dazu schon einmal Stellung genommen (Bestelmeyer Rpfleger 1992, 321).

  • Die Notwendigkeit der Anpassung an das ausländische Ehegattenerbrecht, dass ja einen über das Erbrecht hinaus gehenden Ausgleich zugunsten des Ehegatten bereits enthalten kann, ist eine Sache. Ein weiteres Problem ist, ob man sich mit dieser Erhöhung nach dem 17. August im Erbscheinsverfahren befasst. Art. 1 Abs. 2 lit. d ErbRVO nimmt vom Anwendungsbereich der ErbRVO das Ehegüterrecht aus. Man müsste bei der Auslegung des Unionsrechts sagen, dass auch wenn der BGH § 1371 Abs. 1 BGB ehegüterrechtlich qualifiziert, handelt es sich (nur) um die Voraussetzungen der Anwendung dieser Vorschrift. Die Tatsache, dass die Folgen erbrechtlich sind, führt dazu, dass die Frage der Erhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB im Erbscheinsverfahren geprüft werden muss.

    Die Nichtanwendbarkeit der VO auf Güterrechtsfragen bedeutet in erster Linie, dass das Güterrechtsstatut nach wie vor durch das IPR des betreffenden Staates bestimmt wird. Damit steht der Erbteilserhöhung nichts im Wege.

  • Die Nichtanwendbarkeit der VO auf Güterrechtsfragen bedeutet in erster Linie, dass das Güterrechtsstatut nach wie vor durch das IPR des betreffenden Staates bestimmt wird. Damit steht der Erbteilserhöhung nichts im Wege.

    Wenn die Erbteilserhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB von der Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. d ErbRVO umfasst wäre, wäre nicht die Anwendbarkeit des autonomen Kollisionsrechts (welche im Bereich des Ehegüterrecht durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann), sondern das int. Verfahrensrecht in erster Linie problematisch. Denn das nach Art. 4 zuständige europäische Nachlassgericht müsste seine internationale Zuständigkeit hinsichtlich der (ehegüterrechtlichen) Erbteilserhöhung nach autonomem Nachlassverfahrensrecht prüfen und ggf. diesen Bereich einem anderen Mitgliedstaat überlassen. Selbst wenn dieses europäische Nachlassgericht in seiner Entscheidung beide Bereiche abdecken würde, wären die anderen Verordnungsmitgliedstaaten unionsrechtlich nur an die rein erbrechtliche Entscheidung gebunden.
    Erst nachdem man in Deutschland endgültig die Auslegungsprobleme von § 1371 Abs. 1 BGB geklärt hat, werden wir uns in Europa mit dieser Vorschrift auf der Ebene der Verordnung auseinandersetzen (müssen). Denn ein polnisches Nachlassgericht muss wissen, ob es bei zwei (seit Geburt) nur deutschen Ehegatten, die sich in Polen niederlassen und hier nach dem 17. August sterben, trotz der Anwendung des polnischen Erbrechts die Erbteilserhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB vornehmen soll. Dies ist derzeit nach wie vor leider unklar. Ich befürchte, dass in dieser Frage nicht der BGH, sondern der EuGH das letzte Wort haben wird.

  • Dass ein anderer Staat über die Erbteilserhöhung nach § 1371 Abs. 1 BGB zu entscheiden hat, ist und war schon bisher so. Durch die VO wird sich also lediglich ändern, dass die Frage nach der Qualifikation der Norm nunmehr autonom anzuknüpfen ist. Aber auch insoweit wird die güterrechtliche Qualifikation der Vorschrift ganz überwiegend auch unter Geltung der VO befürwortet (vgl. etwa Dutta FamRZ 2013, 4, 9 und Dörner ZEV 2012, 505, 507).

    Ich sehe daher nicht, dass sich für deutsche (und andere) Nachlassgerichte für die Frage des § 1371 Abs. 1 BGB durch die VO irgend etwas ändert.

    Nebenbei: Die ehemalige DDR hat sich im Anwendungsbereich des § 25 Abs. 2 RAG bei Nachlassspaltungs-ZGB-Erbfällen (von West-Erblassern) nicht um § 1371 Abs. 1 BGB gekümmert, weil die Anwendung "westlichen" Rechts stringent verweigert wurde. Natürlich weiß man heute, dass dies nicht zutreffend war und deswegen geistert in den neuen Bundesländern sicher noch eine erkleckliche Anzahl von unrichtigen Erbscheinen herum.

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