Vormundschaft syrische Asylbewerber

  • Hallo liebes Forum, ich habe folgendes Verfahren zur Bearbeitung und würde gern eure Ansichten dazu wissen:

    Sachverhalt: Es handelt sich um zwei syriche Brüder, die nur arabisch sprechen. Der eine Bruder wurde als Vormund für seinen minderjährigen Bruder eingesetzt. Daraufhin wurde das Verfahren an unser Gericht abgegeben. Ich habe nun das Jugendamt um eine Stellungnahme gebeten, ob der volljährige Bruder in der Lage ist die Vormundschaft auszuüben. Das Jugendamt erklärt, dass es der Wunsch der Brüder ist, die Vormundschaft durch den Älteren der beiden auszuüben und keine Gründe ersichtlich sind, die gegen die Ausübung der Vormundschaft durch den älteren Bruder sprechen. Allerdings benötigt der ältere Bruder dringend Unterstützung, vor allem in rechtlichen und behördlichen Angelegenheiten. Da die Brüder weder deutsch noch englich sprechen, fühlt sich der Vormund mit den auf ihn zukommenden Angelegenheiten überfordert. Das Jugendamt schlägt vor einen arabisch sprechenden Rechtsanwalt als Ergänzungspfleger für die behördlichen Angelegenheiten einzusetzen, sodass der ältere Bruder die Vormundschaft in den anderen Bereichen weiter ausüben kann.


    Meiner Meinung nach ist die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft nicht möglich, da vorliegend kein gesetzlicher Vertretungsausschluss gegeben ist. Ich denke das es das beste ist, wenn das Jugendamt als Vormund eingesetzt wird. Dieses kann dann durch Vollmacht einzelene Bereiche auf den älteren Bruder übertragen.
    Habt ihr eventuell noch andere Ideen das Problem zu lösen?

  • Das wäre eine Idee, allerdings bezweifel ich, dass der arabisch sprechende Rechtsanwalt gleich die Vormundschaft für den Wirkungskreis Behördenangelegenheiten übernehmen möchte. Ist der Rechtspfleger bei § 1797 II BGB mit Angehörigen eines fremden Staates zuständig?

  • Hier häufen sich auch die Anfragen und Bestellungen des großen Bruders oder eines Onkels als Vormund. Ich bin da immer skeptisch. Wenn die schon ein paar Jahre hier sind und gerade bei Behördengängen schon einiges an Erfahrung sammeln konnten und einigermaßen deutsch sprechen, ist ja alles in bester Ordnung. Aber die auch erst vor Kurzem hierher Geflohenen als Vormund zu bestellen, halte ich regelmäßig für untauglich.

    Gerade bei umF sind Spezialkenntnisse erforderlich im asylrechtlichen Bereich, im Bereich der Frage der möglichen Hilfen insbesondere tatsächlicher, gesundheitlicher, psychologischer und schulischer Art. Da finde ich den großen Bruder, auch wenn er die einzige Vertrauensperson des Mündels ist, ungeeignet.

    Wenn ihn der Richter trotzdem bestellt, was unsere nun nicht mehr machen, merkt man schon an der Reaktion auf die Ladung zur Verpflichtung, ob die Sache gut ausgeht oder nicht: Die meisten kommen nicht, weil sie die nicht lesen können. Oder sie kommen, man merkt aber im Verlauf des Verpflichtungstermins, dass sie völlig überfordert sind. Ich habe dann bisher die Verpflichtung abgebrochen und Vormund und Mündel (ich lade immer beide) nahegelegt, dass es besser ist, wenn Vormund ein Fachmann ist (Jugendamt bzw. Vereinsvormund). Die Vereins- oder Amtsvormünder beziehen die nahen Verwandten ohnehin ein, wenn sie beim Mündel etwas erreichen wollen, so dass die Mitwirkung der Vertrauenspersonen gewährleistet ist. Im Verpflichtungsprotokoll nehme ich dann auch das Einverständnis des bisherigen Vormunds wie auch des Mündels mit einem Vormundwechsel auf.

    Vorliegend ist der Sachverhalt anders, da Bestellung und vermutlich auch Verpflichtung durch ein anderes Gericht erfolgten. In Frage kommen daher (Mit-)Vormundschaft nach § 1797 Abs. 2 BGB oder Vormundwechsel auf alleinigen Vormund. Mitvormundschaft mache ich hier regelmäßig aus praktischen Gründen nicht, da mier in meinem Bezirk auch keine geeigneten Mitvormünder bekannt sind.

    Wie oben bereits von Steinkauz erwähnt, findet § 14 Abs. 1 Nr. 10 RpflG bei reinem Wechsel keine Anwendung. Sollte die weiter oben ziterte OLG-Entscheidung das anders sehen, bitte ich um Einstellung hier ins Forum. Vormundwechsel sind hier tägliche Routine, da viele Mündel nach dem Clearingverfahren in freie Einrichtungen weiterverschoben werden.


  • Vorliegend ist der Sachverhalt anders, da Bestellung und vermutlich auch Verpflichtung durch ein anderes Gericht erfolgten. In Frage kommen daher (Mit-)Vormundschaft nach § 1797 Abs. 2 BGB oder Vormundwechsel auf alleinigen Vormund. Mitvormundschaft mache ich hier regelmäßig aus praktischen Gründen nicht, da mier in meinem Bezirk auch keine geeigneten Mitvormünder bekannt sind.

    Wie oben bereits von Steinkauz erwähnt, findet § 14 Abs. 1 Nr. 10 RpflG bei reinem Wechsel keine Anwendung. Sollte die weiter oben ziterte OLG-Entscheidung das anders sehen, bitte ich um Einstellung hier ins Forum. Vormundwechsel sind hier tägliche Routine, da viele Mündel nach dem Clearingverfahren in freie Einrichtungen weiterverschoben werden.


    So ist es !
    Ich bekomme UMF ( inzwischen sogar UmMmuF:eek: ) regelmäßig überdas hier zentrale Amtsgericht Karlsruhe in meinen Bezirk zur Übernahme herein.
    Allerdings völlig unterschiedlich gestrickt .
    Mal den Onkel , mal das dortige Jugendamt.
    Wenns der Onkel ist , belasse ich den erst mal. Schließlich hat der Gesetzgeber den Ehrenamtlichen vorrangig auch so gewollt.
    Wenns Probleme gibt , soll er sich halt hier melden.

  • Ich habe ja auch viele Flüchtlinge zu betreuen, aber der Begriff "UmMmuF" ist mir noch nicht untergekommen. Wofür steht jetzt der?

    Die meisten Probleme lösen sich von selbst - man darf sie nur nicht dabei stören.

  • Nein, davon wurde in meinem Bundesland kein Gebrauch gemacht aber vorliegend würde es sich bei der Anwendung von § 1797 II BGB doch um einen Vormundswechsel handeln, welcher nicht unter § 14 Abs. 1 Nr 10 RpflG fällt oder?

    Wenn es um einen bloßen Wechsel geht, sind wir uns einig. Ich hatte den Sachverhalt allerdings so verstanden, dass (zusätzlich) ein besonders sachkundiger Mitvormund bestellt werden soll, und das wäre vermutlich Richtersache, es sei denn, man geht davon aus, dass hinsichtlich des zu übertragenden Teilbereichs lediglich ein Wechsel in der Person stattfindet. Im Hinblick auf § 8 Abs. 4 RPflG würde ich die Akte jedenfalls (vorsichtshalber) dem Richter vorlegen.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • In Sachsen denkt man derzeit darüber nach, dass für sämtliche minderj. unbegl. Flüchtlinge eine Art Amtsvormundschaft durch das Jugendamt eingeführt wird. Habe da vor wenigen Tagen ein Schreiben dazu bekommen und insoweit ein positive Stellungnahme abgegeben (auch wenn dazu sicherlich einige im Forum eine völlig andere Auffassung haben werden).


  • Wenn es um einen bloßen Wechsel geht, sind wir uns einig. Ich hatte den Sachverhalt allerdings so verstanden, dass (zusätzlich) ein besonders sachkundiger Mitvormund bestellt werden soll, und das wäre vermutlich Richtersache, es sei denn, man geht davon aus, dass hinsichtlich des zu übertragenden Teilbereichs lediglich ein Wechsel in der Person stattfindet. Im Hinblick auf § 8 Abs. 4 RPflG würde ich die Akte jedenfalls (vorsichtshalber) dem Richter vorlegen.

    Sehe ich schon deswegen anders , weil der Richtervorbehalt sich mit der Anordnung der Vormundschaft und nicht mit der Auswahl des Vormundes beschäftigt.
    Demzufolge kann sehr wohl der Rechtspfleger die Wirkungskreise auf mehrere Vormünder auch verteilen, weil damit die Vormundschaft an sich von ihm nicht angerührt wird.

  • In Sachsen denkt man derzeit darüber nach, dass für sämtliche minderj. unbegl. Flüchtlinge eine Art Amtsvormundschaft durch das Jugendamt eingeführt wird. Habe da vor wenigen Tagen ein Schreiben dazu bekommen und insoweit ein positive Stellungnahme abgegeben (auch wenn dazu sicherlich einige im Forum eine völlig andere Auffassung haben werden).

    Das finde ich ja interessant. Eine einheitliche Linie wäre da grundsätzlich begrüßenswert. Auch wenn ich die Vorbhealte kenne - ich bin Fan der Amtsvormundschaft, weil wir hier wirklich fähige und engagierte Jugendamtsmitarbeiter haben. Bei mir habe ich auch immer wieder mit Anfragen zu kämpfen, dass Vereinsmitarbeiter oder Berufsvormünder bestellt werden sollen, was ich regelmäßig ablehne.

    Ich glaube aber kaum, dass es in Bayern zu einer einheitlichen umF-Amtsvormundschaft kommen wird, da hier in jedem AG-Bezirk anders verfahren wird und die Staatsregierung dann wohl auch mit Forderungen nach Personalmehrungen im Jugendamtsbereich in astronomischem Umfang konfrontiert wäre.

    Mich würde auch die Umsetzung dieser Planung interessieren: Auswahl und Bestellung des Vormunds obliegt ja den Gerichten und ist Einzelfallentscheidung. Dann müsste ja das BGB geändert werden, dass für sächsische umF kraft Gesetzes Amtsvormundschaft eintritt.

  • Sehe das alles ähnlich wie du. Wie das tatsächlich auf gesetzlicher Basis umgesetzt werden soll, kann ich mir im Moment auch nicht vorstellen. Bin im Moment auch so sehr im Arbeitsstress (in verschiedenen Bereichen), dass ich mich mit kaum etwas tiefgründiger beschäftigen kann.

  • Nicht nur in Sachsen denkt man hinsichtlich der Amtsvormundschaft nach, ich hab hier grad den Referentenentwurf Gesetz zur Verbesserung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher auf dem Tisch. Das betrifft alle Bundesländer.

    Unabhängig davon denke ich, dass wir auch mit den derzeitigen Gesetzen und den aktuellen Änderungen (wegen der schnelleren und einfacheren Verlegung von UMF) zwischenzeitlich ganz gute und praktische Verfahrensweisen entwickelt haben (an der Stelle auch mal einen Gruß an Steinkauz :D).

    Seit einigen Wochen werden die Zuweisungen ja bereits vorab mitgeteilt, sodass unsere Richter dazu übergegangen sind, gleich das zuständige JA einzusetzen. Im Verfahren warten wir eigentlich dann nur noch die tatsächliche Verlegung ab und geben das Vormundschaftsverfahren dann ab. Spart uns immerhin den Vormundwechsel und das zuständige Jugendamt ist von Anfang an involviert. Dann geht es auch mit der Verlegung schneller.

    Verwandte werden oft dann eingesetzt, wenn das JA sich ausdrücklich dafür ausspricht. Aber auch bei uns versuchen unsere Richter hier in der Regel nicht den vielleicht gerade mal so volljährigen Bruder oder die weder lesen noch schreiben könnende Oma einzusetzen, sondern lieber das JA. Klappt halt nicht immer... :oops:.

  • Ich hänge mich hier mal rein:

    Folgendes Problem:
    Unser Jugendamt ist für einen muf aus Syrien bestellt. Sein volljähriger Bruder wohnt etwas weiter weg und hat den Antrag gestellt, Vormund zu werden.
    Mein Jugendamt reichte mir dazu eine Stellungnahme des dortigen Jugendamtes ein, die positiv war, sich aber nur auf einen Urlaubsbesuch bezog. Das habe ich damals überlesen, Aufarbeitungsstress nach Urlaub, warum auch immer.

    Ich habe den Beschluss über den Vormundwechsel gemacht und dann natürlich einen erschrockenen Anruf von meinem JA erhalten warum, wieso. Zur Verpflichtung des neuen Vormundes ist es Gott sei Dank nicht gekommen.
    Den Beschluss habe ich wegen eines offensichtlichen Fehlers, ich habe mich ja beim Deuten der Stellungnahme total falsch entschieden, aufgehoben und im Beschluss das begründet und weiter mitgeteilt, dass eine neue Entscheidung nach Stellungnahme des JA am Wohnsitz des vollj. Bruders zur Geeignetheit ergeht.

    Nun habe ich die Stellungnahme die klar und deutlich aussagt, dass der Bruder nicht geeignet ist (noch sehr unreif, kommt selbst mit Behörden nicht klar, Sprachprobleme , Druck der Eltern Vormund zu werden usw.)


    Außerdem habe ich gleichzeitig, eine Beschwerde des Bruders gegen den "Aufhebungsbeschluss".
    Wie soll ich verfahren?

    Der neue Beschluss würde dahingehend ergehen, dass der Antrag des Bruders auf Bestellung als Vormund abgelehnt wird.
    Soll ich die Entscheidung machen und seine "Beschwerde gegen den Aufhebungsbeschluss gleich als Beschwerde gegen den
    Ablehnungsbeschluss auslegen.

    Weiß einer eine praktische Lösung?

  • 1. Warum ist denn von einer persönlichen Anhörung des Mündels und des Bruders abgesehen worden?

    2. Hätte man vielleicht auch einen Verfahrensbeistand bestellen können/müssen. Oder ist das geschehen und du hast es nicht erwähnt?

    3. Hätte ja auch das Jugendamt Beschwerde gegen seine Entlassung einlegen können.

    Aber jetzt ist das Kind offenbar in den Brunnen gefallen. Ob man den Beschluss wegen offensichtlicher Unrichtigkeit hätte aufheben können, halte ich für fraglich. M. E. hat der Bruder aber so oder so kein eigenes Beschwerderecht.

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • [quote='Noatalba','RE: Vormundschaft syrische Asylbewerber. Warum ist denn von einer persönlichen Anhörung des Mündels und des Bruders abgesehen worden?

    Ich hatte doch vom Jugendamt die Aussage, dass sowohl der vollj. Bruder als auch das Mündel den Wechsel wünschen. Zudem hat der Brude doch den Antrag gestellt. Was hätte bei einer Anhörung anderes rauskommen sollen.

    2. Hätte man vielleicht auch einen Verfahrensbeistand bestellen können/müssen. Oder ist das geschehen und du hast es nicht erwähnt?

    Wenn das Mündel und der Bruder laut Mitteilung einen Vormundwechsel wollen und der vollj Bruder beanragt hat, was wäre mit Verfahrensbeistand anders gewesen, vorausgesetzt ich hätte nicht die erste Stellungnahme falsch gelesen?


    3. Hätte ja auch das Jugendamt Beschwerde gegen seine Entlassung einlegen können.

    Hat es ja, und deswegen habe ich den Beschluss doch aufgehoben, wegen Unrichtigkeit

    Aber jetzt ist das Kind offenbar in den Brunnen gefallen. Ob man den Beschluss wegen offensichtlicher Unrichtigkeit hätte aufheben können, halte ich für fraglich. M. E. hat der Bruder aber so oder so kein eigenes Beschwerderecht.

    Hhm, ich hatte sowas noch nicht und§ 59 FamFG Abs. sagt doch der Antragsteller (also vollj. Bruder) ist beschwerdeberechtigt und Rechtspflegerentscheidungen sind doch immer anfechtbar.... Sorry, mir fehlen echt Schulungen, mach das noch nicht so lange

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