beachtlicher Motivirrtum bei Anfechtung Erbschaftsannahme

  • Jetzt interessiert mich doch, was innerhalb dieses Forums hiervon gehalten wird...

    Also vorliegend sind gesetzliche Erben geworden: die Ehefrau und Schwester des Erblassers. Die Ehefrau erklärte zu Protokoll des Nachlassgerichts, dass die Erbschaft überschuldet sei, sie diese aber annehmen würde. Aus dem Nachlassverzeichnis ergibt sich auch, dass Grundbesitz (Bruchteilseigentum der Ehegatten zu je 1/2) zwar vorhanden ist, demgegenüber stehen aber deutlich höhere Darlehenssummen, Kontoguthaben und co. sind nennenswert nicht vorhanden. Die Schwester, anwaltlich vertreten, hat die Ehefrau um Mitteilung der Nachlassgegenstände gebeten, die wiederum, ebenfalls anwaltlich vertreten, wie oben genannt Auskunft erteilt hat: Grundbesitz vorhanden, aber deutlich höhere Darlehenssumme (teilweise belegt durch Unterlagen). Miterbin glaubt das nicht, da üblicherweise keine so hohen Darlehen ohne Absicherung gewährt werden und stellt, um dem nachzugehen, einen Erbscheinsantrag.
    Kurz und gut, es stellt sich heraus, dass der Nachlass, im Großen und Ganzen so wie von der Ehefrau vorgetragen, überschuldet ist. Sicherheiten bestanden zwar bei der Gewährung der Darlehen, sind aber mit der Zeit verlustig gegangen.

    Jetzt ficht sie die Erbschaftsannahme an, da sie nicht wusste, dass der Nachlass überschuldet sei und sie das nicht hat glauben können, da der Erblasser eine gute Anstellung hatte und eine Wohnung gekauft hatte.

    Klar kommt die unvorhergesehene Überschuldung als beachtlicher Irrtum in Betracht, aber der einzige Irrtum hier ist doch, dass der Miterbin keinen Glauben geschenkt wurde. Oder habe ich etwas übersehen?

    Liebe Grüße und vielen Dank :)

  • Ist sie verpflichtet der Miterbin zu glauben ? Zumal diese ein eigenes Interesse an einer Erbausschlagung der Schwester hätte haben können ,um selbst Alleinerbin zu werden.

  • Ist sie verpflichtet der Miterbin zu glauben?


    Basiert nicht unsere gesamte Rechtsordnung darauf, dass man dem Mitbürger zunächst einmal vertraut?

    Wenn sie der Miterbin glaubt und auschlägt, hat sie im Fall dass sie angelogen wurde, immerhin die arglistische Täuschung als glasklaren Anfechtungsgrund und kann noch den Strafrechtsknüppel aus dem Schrank holen.

  • Nur, dass sie nach Ausschlagung wohl schwerlich noch Informationen zu dem Nachlass bekommt und nicht mehr wird feststellen können, dass sie angelogen wurde. M. E. ist der Ausschlagungsgrund beachtlich.

    Mit der Begründung könnte man ja immer erstmal annehmen und sich als Erbe in Ruhe informieren, um dann evtl. anzufechten.

    Auf der einen Seite ist der Irrtum eine "innere" Sache, die sich kaum prüfen lässt. Wenn sie überzeugt war, dass die Miterbin falsche Angaben macht, dann ging sie eben von einem werthaltigen Nachlass aus und befand sich daher im Irrtum (bei dem es sich allerdings nicht um einen Motivirrtum handeln dürfte, der übrigens unbeachtlich wäre).

    Auf der anderen Seite hatte sie die ausdrückliche Aussage vorliegen, dass der Nachlass überschuldet ist. Insoweit mag sie Zweifel gehabt haben, aber sie müsste die Möglichkeit zumindest ernsthaft in Betracht gezogen haben. Und Unsicherheit ist eben kein Irrtum.

  • Sie ist bestimmt nicht verpflichtet der Miterbin zu glauben. Nur macht es meiner Meinung nach doch einen Unterschied, ob man glaubwürdige Nachweise für die Überschuldung vorliegen hat und lediglich glaubt, dass mehr da sein müsste, oder man außer einer Aussage gar keine Unterlagen vorliegen hat.

    Und das ist eben auch mein Punkt. Sie muss aufgrund der ihr vorgelegten Nachweise zumindest mit der Wahrscheinlichkeit gerechnet haben, dass der Nachlass überschuldet ist. Und eine gute Anstellung des Erblassers allein genügt für die Annahme, dass weitere Vermögensgegenstände vorhanden sein müssten, nun wirklich nicht.

  • siehe hier:

    https://beck-online.beck.de/default.aspx?v….p1954.glII.htm

    Laut dem Münchener Kommentar ist "eine fehlerhafte Vorstellung über den gesamten Wert des Nachlasses" noch nicht unbedingt ein Anfechtungsgrund.

    Wie hat die Beteiligte sich denn den Nachlass konkret vorgestellt?

    Der Gesetzgeber hat die Ausschlagungsfrist auf 6 Wochen festgelegt. In dieser Zeit kann man sich nicht in jedem Fall einen absolut umfassenden und vollständig geprüften Überblick über den Nachlass verschaffen. Dies ist wohl so gewollt. Die Anfechtung soll nur im Ausnahmefall möglich sein. Ich tendiere dahin, hier nicht einen solchen Ausnahmefall zu sehen. Die Beteiligte hatte eindeutige Hinweise auf die Überschuldung.

    Wenn jemand trotz solcher Hinweise die Erbschaft annimt, verbleibt ihm wohl eher der Weg der Haftungsbeschränkung.

  • Es ist jetzt auch über die Einziehung des Erbscheins rechtsmittelfähig zu entscheiden.

    Für mich ist durch den Erbscheinsantrag die bekannt überschuldete Erbschaft angenommen worden.

    D.h. keine Erbscheinseinziehnung, da kein beachtlicher Motivirtum.

  • Habe über die Anregung zur Einziehung rechtsmittelfähig entschieden. Habe einen Irrtum wie beabsichtigt abgelehnt.
    Mal sehen was passiert :)

  • Wer es wissen will: Mein OLG ist der Meinung, dass einer, der aufgrund Misstrauen handelt/nicht handelt und das Bedürfnis hat Kenntnis über die Zusammensetzung des Nachlasses nicht nur zu erhalten, sondern auch nachgewiesen zu bekommen, jederzeit billigend in Kauf nimmt, dass sein eigenes Misstrauen unberechtigt ist, sofern keine gegenteilige belastbare Anhaltspunkte vorhanden sind. (Halbzitat, der Satz ist zu lang...).

    Verwiesen wird auf das OLG Rostock FamRZ 2010, 1597, m.w.N.

  • Ich füge mal eine Frage an:

    Im vorliegenden Fall ficht die Erbin die Annahme der Erbschaft mit folgender Begründung an:
    Der Nachlass war durch die Beerdigungskosten schon nahezu erschöpft, sodass die Erbin einen Fehlbetrag aus ihrem eigenen Vermögen zahlen musste. Nun meldete sich der pflichtteilsberechtigte adoptierte Sohn des Erblassers bei ihr und fordert ein notarielles Nachlassverzeichnis. Sie gibt in der Begründung an, dass der Nachlass durch die Kosten der Erstellung desVerzeichnisses, insbesondere aufgrund der Notarkosten und Bankkosten für Kontoauszüge der letzten 10 Jahre, komplett überschuldet wäre und diese Kosten im Verhältnis zum bescheidenen Nachlass erheblich wären.
    M.E. ist das kein ausreichender Anfechtungsgrund, wie seht ihr das? Gibt es entsprechende Literatur oder Rechtsprechung dazu ? Bei meinen Recherchen habe ich nämlich nicht wirklich was gefunden..
    Vielen Dank im Voraus!

  • Sehe ich ebenso- habe dazu aber leider auch im Palandt keine Erwähnung finden können- weder dafür noch dagegen.

    Sonst: Eine Ausschlagung ist im Ausschlagungsverfahren nicht zu prüfen;Anfechtung und Ausschlagung aufnehmen- möge der Sohn einen Erbscheinantrag stellen.

    Dabei sollte natürlich die Anfechtende wissen, dass alles Erhaltene zurückzuzahlen ist und für die unbekannten Erben zu hinterlegen, wobei auch dann eventuelle folgende Erben(der Sohn) genaues Darlegen der Zusammensetzung dieses Wertes verlangen können und Auskunftsrechte bekommen, die sie einfordern können- also eventuell werden die Probleme dann nicht dadurch erledigt.


    Und: Wert der Ausschlagung berechnet sich dann aus dem Wert des Nachlasses- also ggf. keine 30 €.

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