Antrag nach § 850f ZPO

  • "Meine Insolvenzschuldnerin" ist Altersrentnerin mit einem monatlichen Einkommen von ca. EUR 1.300,00. Monatlich fallen pfändbare Beträge von EUR 230,00 an. Da sie mir neulich ein Ohr abgekaut hat, dass sie aufgrund einer nachgewiesenen längerdauernden schweren Erkrankung (dies ist völlig unstreitig) erhebliche Mehrkosten hat, habe ich sie zum Rechtspfleger meines Vertrauens geschickt. Dort hat sie einen Antrag nach § 850 f ZPO, zu dem ich jetzt zum ersten Mal in meinem Leben Stellung nehmen muss, gestellt.

    Es hat sich ergeben, dass die Schuldnerin in den letzten 6 Monaten tatsächlich diverse Zuzahlungen (Medikamente, Krankenhausaufenhalte etc.) von insgesamt EUR 400,00 geleistet hat. Momentan steht wohl keine Therapie an, so dass der anfallende Mehrbedarf gering ist.

    Wenn ich § 850f ZPO und die Beiträge im Forum richtig verstehe, kommt eine rückwirkende Entscheidung nicht in Betracht. Oder kann ihr der unpfändbare Betrag im Hinblick auf die in der Vergangenheit angefallenen Kosten einmalig erhöht werden?

    Ansonsten wäre ihr wohl zu raten, bei der nächsten Therapiephase einen neuen Antrag zu stellen. [Der Mehrbedarf könnte dann anhand der bisherigen Aufwendungen geschätzt werden.]

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Hallo, ich sehe keine Möglichkeit der nachträglichen Erhöhung nach § 850f ZPO, aktuell ist keine Notwendigkeit gegeben - einzig wenn die nächste Phase ansteht wäre dann ein Antrag meines Erachtens sinnvoll. Derzeit würde ich eher in Richtung Zurückweisung tendieren.

  • Wenn die Kosten in besitmmter Regelmäßigkeit entstehen, dann könnte man so argumentieren, dass man sagt: "Im Durchschnitt entstehen mir durch Therapien 50,00 EUR MEhrkosten im Monat. Zum Nachweis reiche ich die Kostenaufstellung der letzten Therapie ein. Die Therapie findet jedes Jahr von Juni bis August statt."
    Dann würde ich eine Erhöhung nach 850f jedenfalls nicht ausschließen. Dann aber halt auch monatlich ein Mehrbetrag in Höhe von 50,00 EUR und nicht Einmal-Erhöhung.

    Wenn die Kosten allerdings tatsächlich immer nur anlassbezogen und einmalig entstehen und das nächste Entstehen auch gar nicht feststeht, würde ich wegen der Kosten aus der Vergangenheit, die ja auch bereits gezahlt sind, auch zur Zurückweisung tendieren.

  • Guckst Du zum BGH IX ZB 35/08

    Das ist aber ein anderer Fall, hier geht es um Kosten die die Krankenkasse nicht übernommen hat.

    Wenn ich das OP richtig verstanden habe, geht es in Gegs Fall aber um Zuzahlungen und Eigenanteile.
    Deshalb finde ich, paßt das angeführte Urteil nicht.

  • Guckst Du zum BGH IX ZB 35/08

    Das ist aber ein anderer Fall, hier geht es um Kosten die die Krankenkasse nicht übernommen hat. Wenn ich das OP richtig verstanden habe, geht es in Gegs Fall aber um Zuzahlungen und Eigenanteile. Deshalb finde ich, paßt das angeführte Urteil nicht.

    Wegen der Zuzahlung s. Rn. 8 und 14.

    Durch die Zuzahlungen für die Krankenhausaufenthalte dürften bei einer alleinstehenden Person (davon gehe ich bei der Höhe des pfändbaren Betrages und der Höhe der Rente aus) Kosten für die Lebensmittel zu Hause entfallen. Ob die dann in der Höhe anfallen, wie die Zuzahlung beim Krankenhausaufenthalt dürfte keine Rolle spielen. Um welche Zuzahlungen es bei Gegs Fall genau geht, ist aber nicht ganz klar.

    Gegs ging es aber auch um eine mögliche rückwirkende Berücksichtigung. Da habe ich meine Bedenken, weil die Kosten wohl schon beglichen sein werden.

    Möglich wäre vielleicht eine teilweise einstweilige Einstellung bis zur Klärung der Frage nach der Höhe der Kosten.

  • Ich habe das schon gelesen. Aber in den RN 8 und 15 sind Zuzahlungen in üblicher Höhe angesprochen. Genau um solche geht es hier aber nicht. Sondern um Zuzahlungen in unüblicher Höhe. Und es geht auch nicht um Heilbehandlungen die nicht vom gemeinsamen Ausschuß genehmigt sind. So wie im Urteil besprochen.

    Eine alleinestehende Frau benötigt bestimmt keine 10 € täglich an Lebensmitteln, im Sozialhilfesatz (ALG-II) ist der tägliche Satz für Verpflegung auch deutlich niedriger. Dort sind es 120,75, also 3,-- € täglich. Im Krankenhaus zahlt man aber 10,- € täglich. das hat nichts mit der Lebenswirklichkeit zu tun, sondern ist eine zusätzliche Finanzierung der Krankenhäuser.

    Ob die Kosten schon beglichen sind, wissen wir ja nicht, kann auch sein, daß da Rückstände aufgelaufen sind.

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    Eine alleinestehende Frau benötigt bestimmt keine 10 € täglich an Lebensmitteln, im Sozialhilfesatz (ALG-II) ist der tägliche Satz für Verpflegung auch deutlich niedriger. Dort sind es 120,75, also 3,-- € täglich. Im Krankenhaus zahlt man aber 10,- € täglich. das hat nichts mit der Lebenswirklichkeit zu tun, sondern ist eine zusätzliche Finanzierung der Krankenhäuser.
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    Nanu, wo bleibt denn die von Dir sonst bevorzugte Vollkostenkalkulation?

    Im ALG II-Satz sind nur die Kosten für die Beschaffung der Rohmaterialien enthalten - und das auf niedrigstem denkbaren Niveau. Im Krankenhaus dürfte das Niveau etwas höher liegen, außerdem wird dort gekocht, serviert, abserviert und gespült. In Zeiten, in denen selbst Schulkantinen sich schwer tun, für unter 3,50 Euro ein Mittagessen zu servieren, scheinen mir 10,- Euro/Tag für eine Vollverpflegung gerade so kostendeckend zu sein, nicht aber ein realitätsfremder Finanzierungsbeitrag.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Wieso sind die Zuzahlungen in unüblicher Höhe? Leider fehlen von Gegs hier ein paar weitere Informationen. Gegs schreibt "(Medikamente, Krankenhausaufenthalte etc.) von insgesamt EUR 400,00". Aber welche das sind und wofür ist nicht gesagt und auch nicht erkennbar.

    Unter Zuzahlungen in üblicher Höhe verstehe ich die Zuzahlungen, die jeder zu leisten hat und die sich aus den gesetzlichen Bestimmungen der GKV ergeben.

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    Eine alleinestehende Frau benötigt bestimmt keine 10 € täglich an Lebensmitteln, im Sozialhilfesatz (ALG-II) ist der tägliche Satz für Verpflegung auch deutlich niedriger. Dort sind es 120,75, also 3,-- € täglich. Im Krankenhaus zahlt man aber 10,- € täglich. das hat nichts mit der Lebenswirklichkeit zu tun, sondern ist eine zusätzliche Finanzierung der Krankenhäuser.
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    Nanu, wo bleibt denn die von Dir sonst bevorzugte Vollkostenkalkulation?

    Im ALG II-Satz sind nur die Kosten für die Beschaffung der Rohmaterialien enthalten - und das auf niedrigstem denkbaren Niveau. Im Krankenhaus dürfte das Niveau etwas höher liegen, außerdem wird dort gekocht, serviert, abserviert und gespült. In Zeiten, in denen selbst Schulkantinen sich schwer tun, für unter 3,50 Euro ein Mittagessen zu servieren, scheinen mir 10,- Euro/Tag für eine Vollverpflegung gerade so kostendeckend zu sein, nicht aber ein realitätsfremder Finanzierungsbeitrag.


    Oh weh, es geht doch nicht um den Kostensatz des Krankenhauses, sondern um die angebliche Haushaltsersparnis des Patienten.

  • Wenn es so wäre, dann könnte man schreiben, "die gesetzlichen Zuzahlungen" und könnte sich "die übliche Höhe" sparen. Allein die Verwendung diese Terminus zeigt doch, daß es um die ganz normalen Zuzahlungen geht, die jeder mal zu leisten hat. Und nicht um höhere Ausgaben, wie sie wohl hier vorliegen. Ich halte Kosten in Höhe von 400,-- € nicht für üblich. Das ist bedeuten mehr als der Durchschnitt zu leisten hat und für jemand der an der Pfändungsgrenze lebt, eigentlich schon nicht mehr zu schaffen.

  • Dann dürfen wir gespannt sein, wie eine Gericht die Zuzahlungen "in üblicher Höhe" liest ;) (auch wenn ich Deiner Meinung bin, dass 400,00 € in einem Monat schon etwas heftig sind)

    Einen Rahmen des Üblichen haben wir z.B. auch bei § 850a Nrn. 2 und 3 ZPO und da kann es doch auch sein, dass es nicht auf eine pauschale Höhe ankommt, sondern darauf, was im TV oder in Betriebsvereinbarungen betriebsüblich gezahlt wird.

    Würde man mit § 850f Abs. 1 b ZPO wegen der "üblichen Höhe" nicht weiter kommen und die Kosten für die Schuldnerin tatsächlich ein finanzielles Problem darstellen, müsste man an Alt. a) denken, wenn ihr nicht mehr der Sozialhilfesatz bleiben würde. Aber da käme es dann auch auf die weiteren Kosten an, die die Schuldnerin zu tragen hat.


  • Ich hab mal ein wenig gekürzt.

    Dann dürfen wir gespannt sein, wie eine Gericht die Zuzahlungen "in üblicher Höhe" liest ;) (auch wenn ich Deiner Meinung bin, dass 400,00 € in einem Monat schon etwas heftig sind)

    Einen Rahmen des Üblichen haben wir z.B. auch bei § 850a Nrn. 2 und 3 ZPO und da kann es doch auch sein, dass es nicht auf eine pauschale Höhe ankommt, sondern darauf, was im TV oder in Betriebsvereinbarungen betriebsüblich gezahlt wird.

    Würde man mit § 850f Abs. 1 b ZPO wegen der "üblichen Höhe" nicht weiter kommen und die Kosten für die Schuldnerin tatsächlich ein finanzielles Problem darstellen, müsste man an Alt. a) denken, wenn ihr nicht mehr der Sozialhilfesatz bleiben würde. Aber da käme es dann auch auf die weiteren Kosten an, die die Schuldnerin zu tragen hat.

    Ich würde die "übliche Höhe" daran bestimmen, was der durchschnittliche Versicherte zu tragen hat. Das würde ja auch zu § 850a ZPO passen.


  • Ich hab mal ein wenig gekürzt.

    Dann dürfen wir gespannt sein, wie eine Gericht die Zuzahlungen "in üblicher Höhe" liest ;) (auch wenn ich Deiner Meinung bin, dass 400,00 € in einem Monat schon etwas heftig sind)

    Einen Rahmen des Üblichen haben wir z.B. auch bei § 850a Nrn. 2 und 3 ZPO und da kann es doch auch sein, dass es nicht auf eine pauschale Höhe ankommt, sondern darauf, was im TV oder in Betriebsvereinbarungen betriebsüblich gezahlt wird.

    Würde man mit § 850f Abs. 1 b ZPO wegen der "üblichen Höhe" nicht weiter kommen und die Kosten für die Schuldnerin tatsächlich ein finanzielles Problem darstellen, müsste man an Alt. a) denken, wenn ihr nicht mehr der Sozialhilfesatz bleiben würde. Aber da käme es dann auch auf die weiteren Kosten an, die die Schuldnerin zu tragen hat.

    Ich würde die "übliche Höhe" daran bestimmen, was der durchschnittliche Versicherte zu tragen hat. Das würde ja auch zu § 850a ZPO passen.

    Dann müsste man das aber dahingehend ergänzen, wenn der Fall des Falles eintritt und tritt der ein, dann ist das üblich, was der Patient aufgrund gesetzlicher Regelung zu leisten hat. Außerdem ist die Zuzahlung für Krankenhaus ja auf max. 28 Tage begrenzt, also kann das nicht monatlich anfallen. Außerdem gibt es doch auch für Medikamente in besonderen Fällen eine Zuzahlungsbeschränkung, wenn ich mich recht erinnere.

    Es ist ja nicht so, dass ich es anders sehe als Du, aber so lese ich nun mal die Entscheidung des BGH.

    Vielleicht kann Gegs ja mal was zu den Kosten sagen.

  • Meines Wissens nach ist es doch auch so, dass man einen Antrag auf Befreiung von den Zuzahlungen bei der Krankenkasse stellen kann, wenn diese einen bestimmten Prozentsatz (ich glaube 2) des Jahreseinkommens übersteigen... vielleicht wäre auch dieser Weg für die Schuldnerin ein "Ausweg"?

  • Das ist eine gute Idde, bei chronisch Kranken sind es sogar nur 1 %. Ist nur die Frage was hier dann als Bemessungsgrundlage genommen wird, das Einkommen vor oder nach der Pfändung. Aber das würde sich auf jeden Fall lohnen.

  • Das ist eine gute Idde, bei chronisch Kranken sind es sogar nur 1 %. Ist nur die Frage was hier dann als Bemessungsgrundlage genommen wird, das Einkommen vor oder nach der Pfändung. Aber das würde sich auf jeden Fall lohnen.

    Das hatte ich damit:

    "Außerdem gibt es doch auch für Medikamente in besonderen Fällen eine Zuzahlungsbeschränkung, wenn ich mich recht erinnere."

    gemeint.

  • Das ist eine gute Idde, bei chronisch Kranken sind es sogar nur 1 %. Ist nur die Frage was hier dann als Bemessungsgrundlage genommen wird, das Einkommen vor oder nach der Pfändung. Aber das würde sich auf jeden Fall lohnen.

    Das hatte ich damit:

    "Außerdem gibt es doch auch für Medikamente in besonderen Fällen eine Zuzahlungsbeschränkung, wenn ich mich recht erinnere."

    gemeint.

    Sorry, das hatte ich nicht richtig verstanden, da hats nicht geschnackelt. :cool:

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