Räumungsschutz bei Asperger-Autismus?

  • Hallo, liebe Leute!

    Ich habe Anfang des Monats meinen ersten Arbeitstag gehabt und gleich einen 765a ZPO auf dem Tisch. Der Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:
    - Räumungstermin 19.10.
    - Antragseingang rechtzeitig
    - beantragt: Einstellung der Vollstreckung mit Räumungsfrist für 6 Monate, vorab per einstweiliger Anordnung

    Vortrag der Schuldnerpartei (durch Rechtsanwalt):
    a) Krankheit der Tochter
    - leidet unter Asperger-Autismus und Zwangsneurosen
    - braucht ein geordnetes Umfeld, da bereits kleinste Änderungen zu Bauchschmerzen, Schwindel und Erbrechen führen
    - die Ärzte meinen offenbar, es wäre für die Gesundheit des Mädchens verheerend, wenn sie ihr Umfeld jetzt verlieren würde

    - vorgelegt ist eine Mitteilung der Klinik, mit o.g. Diagnose (und nur die, keine weiteren Einschätzungen o.Ä.), Erstvorstellung der Patientin dort Anfang September
    weiterführende Diagnose und Behandlung sollen wohl folgen

    b) Entstehen der Situation
    - Mutter ist arbeitslos geworden, erhält aber bis jetzt kein Geld vom Sozialamt
    - Ende September hat sie einen Antrag auf Übernahme der Mietschulden gestellt (liegt vor)
    - vorgelegt ist eine Bestätigung des Amtes, dass sie als arbeitssuchend ohne Leistungsbezug geführt wird
    - jetzt hat man den Fehler dort wohl gefunden, sodass die rückständigen Sozialleistungen - so die Schuldnerin - bald nachgezahlt und somit die Mietrückstände ausgeglichen werden können

    Daten/Fakten
    - Mietrückstände von mehreren tausend Euro , laufende Miete wird nicht gezahlt
    - vorgelegt ist auch ein Schreiben von der Vermieterin, dass sie von der Räumung absehen, wenn die Mietrückstände bis 12.10. überwiesen sind (meiner Meinung nach utopisch, so schnell ist kein Amt ;-P )
    - Gläubigerin habe ich schon angehört und um kurzfristige Stellungsnahme gebeten, bis jetzt keine Antwort
    - Zivilakte ist auch da, die hilft aber nicht weiter (Schuldner haben den Kopf in den Sand gesteckt und das Rechtsmittel zu spät eingelegt...)

    Sooo...jetzt meine Frage:
    Wenn es hart auf hart kommt - zählt die Krankheit der Tochter als "Gefahr für Leben und Gesundheit" eines Angehörigen? Autismus ist ja schon ne Hausnummer...
    Und welche Anforderungen müsste ich dann an das ärztliche Attest stellen?

    Habe schon im Zöller und im Netz gesucht, aber so wirklich Hilfreiches war da leider nicht dabei :(

    Daher würde ich mich sehr über Meinungen/Tipps (oder einfach ein "du bist zu doof zum suchen, guck mal da") freuen! :)

    Gruß, Zahira

    Don't blink. Blink and you're dead. They are fast. Faster than you can believe. Don't turn your back. Don't look away. And don't blink. Good Luck. - The Doctor

    Einmal editiert, zuletzt von Zahira (15. Oktober 2015 um 08:33)

  • Welche Bemühungen wurden unternommen Ersatzwohnraum zu finden ? Ist da was in Aussicht ?

    Grundsätzlich bin ich schon der Meinung, daß die Krankheit der Tochter zu berücksichtigen ist, aber das angekündigte ärztliche Attest wäre mir schon auch wichtig. Gegebenenfalls würde ich hier den Amtsarzt einschalten

    Gibt es eine (schriftliche) Bestätigung des Job Centers, daß die Mietrückstände und die zukünftige Miete von dort übernommen wird ?

  • Hallo - Danke schonmal für die schnelle Reaktion!


    Zitat

    Welche Bemühungen wurden unternommen Ersatzwohnraum zu finden ? Ist da was in Aussicht ?


    Wohl keine, da die Familie ja damit rechnet, die Rückstände bald begleichen zu können. Jedenfalls wurde nichts dahingehendes vorgetragen.


    Zitat

    Gibt es eine (schriftliche) Bestätigung des Job Centers, daß die Mietrückstände und die zukünftige Miete von dort übernommen wird ?


    Nein, laut Schuldnerin wurde sie zwischen zwei Behörden "hin und her" geschickt, welch sich beide als nicht zuständig betrachteten.


    Zitat

    Gegebenenfalls würde ich hier den Amtsarzt einschalten


    Wie das denn? Und vor Allem: in der kurzen Zeit? *zweifel*

    Quasi erstmal mit einstweiliger Anordnung einstellen und dann das Attest anfordern?

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  • Willkommen in der M :D

    Das sieht doch aber gar nicht so schlecht aus und es ist ja zeitlich auch noch nicht so eng.

    Würde dem Sch.-Vertreter sofort per Fax aufgeben, bis 14.10. eine aussagekräftige ärztliche Stellungnahme / Attest vorzulegen, mit welchen konkreten Gesundheitsverschlechterungen, in welchem Ausmaß, mit welcher Wahrscheinlichkeit bei der Tochter zu rechnen ist im Falle der Zwangsräumung und dem damit verbundenen Unterkommen in einer Notunterkunft.

    Wenn die zu ähnlich "verheerenden" Gesundheitsauswirkungen kommt (präziser, bitte ...), wie im Vortrag, sollte das eine Einstellung rechtfertigen können (ggf. mit Auflagen, muss man dann mal sehen, wie sich das insgesamt ggf. noch in Wohlgefallen auflösen könnte, bei Ausgleich scheint ja die Gläubigerin offenbar ggf. auch nicht völlig abgeneigt zu einer Fortsetzung des Mietverhältnisses zu sein); daher auch >

    > Zur weiter vorgetragenen Prüfung und etwaigen Ausgleichung / Nachzahlung der Mietrückstände fände ich was schriftlich, ggf. vorläufig vages, aber aktuelles Bestätigende vom Job Center auch ganz hilfreich, würde ich den Sch.-Vertreter auch zur Vorlage auffordern.

    WV am 15.10.

  • Wenn Bewilligung, dann aber mit Auflagen (Zahlung laufende Miete und Rückstand binnen ca. 4 Wochen ist so).

    So oder so fehlt mir bei der Krankheit aber leider die Erfahrung :confused:. Der Verlust des Umfeldes jetzt wäre verheerend... Aber in 6 Monaten wäre es okay? Was soll mit dem Aufschub eigentlich erreicht werden? Als Dauerlösung ist der eigentlich nicht gedacht...

  • Wenn Bewilligung, dann aber mit Auflagen (Zahlung laufende Miete und Rückstand binnen ca. 4 Wochen ist so).

    So oder so fehlt mir bei der Krankheit aber leider die Erfahrung :confused:. Der Verlust des Umfeldes jetzt wäre verheerend... Aber in 6 Monaten wäre es okay? Was soll mit dem Aufschub eigentlich erreicht werden? Als Dauerlösung ist der eigentlich nicht gedacht...


    Eben, und daher hätte ich doch gerne eine etwas präzisere, ärztliche Ersteinschätzung zu den vorauss. Symptomen im Falle des drohenden Umgebungswechsels in eine Notunterkunft.

    Grundsätzlich stell ich mir das nicht gut vor, Frage des Ausmaßes der zu erwartenden Symptomatik; wenn das letztlich zu nicht mehr zu bändigenden, permanenten agressiven / auto-agressiven Verhaltensausbrüchen führen sollte, sollte man dies ggf. nicht darauf ankommen lassen müssen.

    (Wenn die Tochter dann auch nur in sich abgeschottet in einer Ecke der Notunterkunft hockt, daneben aber regelmäßig und still ihre drei Mahlzeiten zu sich nimmt - Schule ? - und dabei keine weiteren Entwicklungs-Beeinträchtigungen über das "normale" Krankheitsbild hinaus zu erwarten sind, mag der Antrag auch zurückzuweisen sein; wäre gespannt, ob eine ärztliche Einschätzung in dieser Deutlichkeit zu diesem Ergebnis kommen sollte ...)

    Zu Länge und Auflagen einer denkbaren Einstellung, falls die Stricke zur Übernahme und
    MV-Fortsetzung reißen sollten:
    Ersatzwohnraumbeschaffung mit behördlicher Unterstützung und begleitender therapeutischer Um- und Neugewöhnung.

    Dazu würde dann aber wohl eine einstweilige Einstellung bis zur endg. Entsch. erforderlich werden mit ger. zu definierendem Gutachtenauftrag.

    Aber so weit ist das hier imo noch nicht, mal abwarten was noch kommt und ob sich das Ding nicht noch kurzfristiger ins Gute wenden lässt.

    WV 15.10.

  • warum soll sich der Zustand der Tochter in sechs Monaten geändert haben? Wäre lebenslanger Räumungsschutz - geht schon mal gar nicht. Die Krankheit ist nicht lebensbedrohend - jedenfalls muss es aus dem fachärztlichen Attest erkennbar sein. Krankenhaus wäre gut. Ohne Zahlung der Nutzungsentschädigung geht gar nichts, unzumutbar für den Vermieter. Und sechs Monate hab ich noch nicht gewährt, bei mir die Obergrenze 3 Monate um eine andere Wohnung zu finden. Wenigstens ist das Argument mit den Flüchtlingen, die billige Wohnungen wegnehmen nicht gekommen.

  • Der Antrag auf Vollstreckungsschutz kann vom Schuldner auch für erkrankte Angehörige gestellt werden, siehe BGH vom 04.05.2005, I ZB 10/05.
    Zum Ermittlungsumfang hat der BGH auch mal eine Entscheidung getroffen: BGH vom 02.12.2010, V ZB 124/10

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Ist die Tochter kein erkrankter Angehöriger?

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  • warum soll sich der Zustand der Tochter in sechs Monaten geändert haben? Wäre lebenslanger Räumungsschutz - geht schon mal gar nicht.

    Der Verlust des Umfeldes jetzt wäre verheerend... Aber in 6 Monaten wäre es okay? Was soll mit dem Aufschub eigentlich erreicht werden?


    Die Familie geht davon aus, innerhalb dieser Zeit die Nachzahlungen von der Agentur für Arbeit zu erhalten und so die Rückstände (und mit den laufenden Leistungen die laufenden Mieten) tilgen zu können. Der Auszug soll also komplett vermieden und das Mietverhältnis fortgesetzt werden.

    6 Monate halte ich auch für überzogen, maximal bis zum 31.12.15 würde ich gehen (zumal vorgetragen wird, der "Fehler" beim Amt sei gefunden worden)


    Die Krankheit ist nicht lebensbedrohend - jedenfalls muss es aus dem fachärztlichen Attest erkennbar sein.

    Muss eine Krankheit denn wirklich lebensbedrohend sein? Ich lese immer nur von "schwerwiegender Gefahr für Leben und Gesundheit" und "Recht des Schuldners auf Leben und körperliche Unversehrtheit" (Zöller,29. Aufl., 765a, Rn 11 - Oder ist das "und" hier ausschlaggebend?).
    Insofern muss doch auch eine Krankheit, die die Psyche schwer schädigt und evtl. zur Selbstverletzung führt relevant sein...:gruebel: (natürlich, soweit vom Arzt bestätigt)

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  • warum soll sich der Zustand der Tochter in sechs Monaten geändert haben? Wäre lebenslanger Räumungsschutz - geht schon mal gar nicht.

    Der Verlust des Umfeldes jetzt wäre verheerend... Aber in 6 Monaten wäre es okay? Was soll mit dem Aufschub eigentlich erreicht werden?


    Die Familie geht davon aus, innerhalb dieser Zeit die Nachzahlungen von der Agentur für Arbeit zu erhalten und so die Rückstände (und mit den laufenden Leistungen die laufenden Mieten) tilgen zu können. Der Auszug soll also komplett vermieden und das Mietverhältnis fortgesetzt werden.


    Will das denn der Vermieter überhaupt? :gruebel:


  • - vorgelegt ist auch ein Schreiben von der Vermieterin, dass sie von der Räumung absehen, wenn die Mietrückstände bis 12.10. überwiesen sind (meiner Meinung nach utopisch, so schnell ist kein Amt ;-P )
    - Gläubigerin habe ich schon angehört und um kurzfristige Stellungsnahme gebeten, bis jetzt keine Antwort


    Ist zumindest nicht abgeneigt...

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  • Muss eine Krankheit denn wirklich lebensbedrohend sein? Ich lese immer nur von "schwerwiegender Gefahr für Leben und Gesundheit" und "Recht des Schuldners auf Leben und körperliche Unversehrtheit" (Zöller,29. Aufl., 765a, Rn 11 - Oder ist das "und" hier ausschlaggebend?).
    Insofern muss doch auch eine Krankheit, die die Psyche schwer schädigt und evtl. zur Selbstverletzung führt relevant sein...:gruebel: (natürlich, soweit vom Arzt bestätigt)

    Das siehst Du absolut richtig.
    M. E. ist hier der Sachverhalt unklar und ich würde deswegen wohl dazu tendieren, unter diversen Auflagen (Atteste, Therapienachweis, lfd. Zahlung, Bemühen um Ersatzwohnraum) einzustellen und weiter zu ermitteln.

  • ... Der Auszug soll also komplett vermieden und das Mietverhältnis fortgesetzt werden...

    Genau darum geht es nicht. Die Räumung muss DERZEIT eine besondere Härte darstellen, nicht mehr und nicht weniger.

  • Der Auszug soll also komplett vermieden und das Mietverhältnis fortgesetzt werden.


    Das ursprüngliche Mietverhältnis ist jedenfalls beendet. Ob das bestehende Nutzungsverhältnis (die Schuldner haben kein Recht zum Besitz mehr und sollen deswegen aus dem Besitz gesetzt werden) freiwillig vom Gläubiger durch Begründung eines neuen Mietvertrags fortgesetzt wird, ist eine Frage, die nicht das Vollstreckungsgericht betrifft, sondern der Gläubigerhoheit unterliegt. Wenn der nicht mehr vollstrecken will, braucht er es nur zu sagen.

  • Der Schuldner selbst bzw. der Angehörige muss alles in seiner Macht stehende tun, um eine Gesundheitsgefährdung zu vermeiden bzw. verringern; ggf. käme -je nach Sachverhalt und vorgelegten Attesten- auch eine Zurückweisung unter Auflagen in Betracht.
    Oder aber eine einstweilige Einstellung nach § 732 II ZPO i.V.m. § 765a ZPO mit der Anordnung einer ärztlichen Begutachtung

  • 765 a ZPO ist eine absolute Ausnahmevorschrift und sehr eng auszulegen. Die Gesundheitsschädigung durch die Räumung muss schon immanent sein. Im Zweifel muss, dass Gericht ein Sachverständigengutachten einholen. Die Frage ist auch, wieviel Nachweis muss erbracht werden. Es gibt einen Interessanten Artikel von Prof. Schmidt-Räntsch "Suizid in der Zwangsversteigerung" (ZfIR 2011, S. 849 ff). Von Suizid reden wir hier nicht, aber er bezieht sich auch auf die Gesundheitsgefährdung. In diesem Artikel hat er mal die Rechtsprechung des BGH zu diesem Thema zusammengestellt. Da geht er auch auf die Darlegungslast des Schuldner ein. "Der Schuldner muss die Suizidgefahr oder andere Bedrohung seines Lebens durch die Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens substantiiert darlegen. Dazu genügt aber, ..., ein schlüssiger Vortrag. Der Schuldner muss seine Suizidgefährdung oder sonstige lebensbedrohliche Lage nicht glaubhaft machen. Ihm können in diesem Verfahrensstadium auch nicht Schwächen eines von ihm vorgelegten ärztlichen Attestes vorgehalten werden." und weiter "Das Vollstreckungsgericht muss den Einwand des Schuldners prüfen und ihn ggf. von Amts wegen aufklären. ... Ist der Schuldner z.B. bei einem fachlich ausreichend qualifizierten Arzt in Behandlung, kann schon dessen vom Schuldner vorgelegte Stellungnahme ausreichen."

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



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