Ist jemand Urkundsbeamten der Geschäftsstelle gegenüber weisungsbefugt?

  • An unserem Gericht stellt sich die Frage, ob Nachlassrichter oder Rechtspfleger gegenüber Urkundsbeamten sachlich weisungsbefugt sind?

    M.E. nein. Urkundsbeamte sind ein Organ der Rechtspflege. Gegen ihre Entscheidungen sind nur Rechtsbehelfe gegeben.

    Hier sind Kollegen der Auffassung, sie könnten Urkundsbeamten "anweisen", etwas in einer bestimmten Art und Weise zu tun bzw. insbesondere bestimmte Angelegenheiten, die in der Zuständigkeit der Urkundsbeamten liegen, nicht zu tun (hier: z.B. Auskünfte an Dritte erteilen).

    Dieselbe Frage stellt sich in allen Bereichen, in denen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Zuständigkeiten haben.

  • Ich habe schon öfter Klagen darüber gehört, dass die Geschäftsstellen machen, was sie wollen. Das wäre so, wie wenn ich meiner Sekretärin keine Anweisung geben könnte. So ein System muss scheitern.


    Der Vergleich hinkt. Du bist der Arbeitgeber, der Rechtspfleger/Richter ist aber nicht Dienstvorgesetzter der Geschäftsstellenbeamten.

  • In einer normalen Behörde ist der Dienstvorgesetzte selbstverständlich weisungsbefugt. Bei Gericht sind hier selbstverständlich die Richter (persönlich und sachlich) und die als Rechtspfleger i. S. d. RpflG agierenden Rechtspfleger (sachlich) hiervon ausgenommen. Der Urkundsbeamter ist ganz normaler, in die "Linie" eingebundener Beamter.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • An unserem Gericht stellt sich die Frage, ob Nachlassrichter oder Rechtspfleger gegenüber Urkundsbeamten sachlich weisungsbefugt sind?

    Die Fragestellung ist ja an sich schon falsch, weil diese Frage so abstrakt nicht zu beantworten ist.
    Die Antwort ist schlicht: der UdG ist beides, Weisungsgebunden und Nicht-Weisungsgebunden -> je nach dem was er gerade macht.

    Wenn er als "selbständiges Organ der Rechtspflege" tätig wird ist er nicht Weisungsgebunden (sondern unterliegt den allgemeinen Rechtsmitteln), soweit der UdG gerade nicht "Rechtspflegeaufgaben" wahrnimmt (= dein Beispiel: Auskunftserteilung) ist er Weisungsgebunden.

    Nachzulesen bei den gängigen Kommentaren zu § 153 GVG.

  • An unserem Gericht stellt sich die Frage, ob Nachlassrichter oder Rechtspfleger gegenüber Urkundsbeamten sachlich weisungsbefugt sind?

    M.E. nein. Urkundsbeamte sind ein Organ der Rechtspflege. Gegen ihre Entscheidungen sind nur Rechtsbehelfe gegeben. Richtig, wenn es um Entscheidungen in Rechtsangelegenheiten geht, z. B. die Weigerung ggü. einem A'Steller, eine weitere vollstr. Ausfertigung zu erteilen.
    Geht es um Weisungen, Angelegenheiten in einer bestimmten Art und Weise zu erledigen, sind wir im Beamtenrecht. Da kann der geschäftsleitende Beamte oder der DirAG/PräsAG die entsprechende Weisung erteilen. Hat der Beamte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des (angewiesenen) Handelns, muss er remonstrieren. Ansonsten gilt die Gehorsamspflicht.

    Hier sind Kollegen der Auffassung, sie könnten Urkundsbeamten "anweisen", etwas in einer bestimmten Art und Weise zu tun bzw. insbesondere bestimmte Angelegenheiten, die in der Zuständigkeit der Urkundsbeamten liegen, nicht zu tun (hier: z.B. Auskünfte an Dritte erteilen).

    Dieselbe Frage stellt sich in allen Bereichen, in denen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Zuständigkeiten haben.

    s.o.

  • Es gibt keine dem Art. 97 GG und § 9 RPflG entsprechende Vorschrift für den Urkundsbeamten der Gechäftsstelle. Daher ist dieser kein "selbständiges Organ der Rechtspflege", sondern aufgrund allg. beamtenrechtlicher Vorschriften weisungsgebunden, wie Exec schon erwähnte. Dementsprechend sagt z.B. für NRW die Geschäftsstellenordnung in § 8:

    "Die Beamtinnen bzw. Beamten des mittleren Dienstes und vergleichbaren
    Beschäftigten haben die ihnen zur Erledigung
    zugewiesenen Geschäfte der Beamtin bzw. dem Beamten des gehobenen Dienstes, der
    Rechtspflegerin bzw. dem Rechtspfleger, der Richterin bzw. dem Richter, der
    Staatsanwältin bzw. dem Staatsanwalt oder der Amtsanwältin bzw. dem Amtsanwalt
    vorzulegen, wenn dies mit Rücksicht auf rechtliche oder tatsächliche
    Schwierigkeiten erforderlich erscheint. Nach Vorlage kann diese bzw. dieser die
    Bearbeitung selbst übernehmen oder Weisungen für die Bearbeitung geben."

    Weisungsbefugt i.S.d. letzten Satzes ist m.E. der zuständige Richter oder Rechtspfleger.

  • Die Geschäftsstellenordnung spricht von Beamten des m.D., nicht von UdG. Wer UdG sein kann, regelt § 153 GVG. Nicht jeder UdG ist m.D, und nicht jeder m.D. ist UdG.

    In der Sache ist es gar nicht so einfach. So ganz schlüssig bin ich mir auch nicht.

    Unstreitig ist, der UdG ist selbständiges und unabhängiges Organ der Rechtspflege. Soweit er als Akt der Rechtspflege tätig ist, scheidet § 23 EGGVG aus, vgl. OLG Frankfurt, 20 VA 3/04 Rdn.12, der Direktor ist damit bei Entscheidungen schon mal raus.

    Gleiches dürfte auch für den Ri. gelten, der anstelle des UdG im FGG keine Beschwerde aufnehmen darf, vgl. RG, IV B 9/25 (in juris im Volltext), BGH, IV ZB 17/57, mit Ausführungen zur unabhängigen Stellung des UdG.

    Aber, der Ri. oder Rpfl. kann in der konkreten! Sache bindende Weisungen zur ZU geben, vgl. BGH, XII ZR 44/92. Der UdG entscheidet dann nicht mehr, das hat ja der Ri./Rpfl. bereits, sondern führt nur noch aus.

    Sonst ist der UdG weisungsfrei, zumindest soweit seine Entscheidungen eigenständig angriffen werden können, vgl. Zöller, § 153 GVG, Rdn. 11.

    Ein Punkt bringt mich aber zu grübeln. Nach § 36 b Abs. 2, 31 Abs. 2a RpflG hat ! der UdG vorzulegen, wenn er von einer bekannten Stellungnahme des Rpfl./Ri. abweichen will. Nach Rückgabe ist er an die Weisung gebunden.

    Ich denke allerdings, dass das nur solche Angelegenheiten nach § 36 b RpflG betrifft, die erst jetzt dem UdG übertragen wurden und der Gesetzgeber "zur Sicherheit" mal die bisherigen Fachleute drüber schauen lassen wollte.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ich bin mir nicht sicher, ob die Gleichstellung Organ der Rechtspflege = Weisungsfrei zutreffend ist, genauso zweifle ich bei der Frage Rechtsmittelfähig = Weisungsfrei.

    M.E. lässt sich nämlch beides durchaus miteinander vereinbaren, da sie unterschiedliche Problemkreise betreffen: Es ist denkbar, dass ein Organ der Rechtspflege innerdienstlich Anweisungen bei seiner Tätigkeit unterliegt und das Ergebnis der Tätigkeit von Dritten = Außenstehenden mit ordentlichen Rechtsmitteln angreifbar ist.

    Nur mal als Beispiel für die Frage Organ der Rechtspflege und Weisungsgebundenheit: Jeder Staatsanwalt ist im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit m.W. Organ der Rechtspflege. Trotzdem ist er Weisungen unterworfen, die im Extremfall nicht nur das "Ob" (unterstellt, dies sei vertretbar), sondern sogar die Formulierung eines Einstellungsbescheides erfassen können. Trotzdem ist diese Einstellungsverfügung mit Rechtsmitteln, nämlich der Vorschaltbeschwerde (Einstellungsbeschwerde) und letztlich dem Klageerzwingungsverfahren angreifbar.

    Ich glaube daher, dass der Ansatz von AKoehler (und Exec u.a.) der zutreffende ist. Allerdings können Weisungen wie bei Beamten üblich nur vom Vorgesetzten erteilt werden und weder der Rechtspfleger noch der Richter sind Vorgesetzte. Der Richter schon deswegen nicht, weil er kein Beamter ist, ihm kommt Entscheidungsbefugnis (und daraus abgeleitet: Weisungsbefugnis) nur dort zu, wo dies besonders geregelt ist. Der Rechtspfleger ist zwar Beamter, aber kraft Organisation nicht Vorgesetzter - es sei denn, er wäre gerade der Gruppenleiter, Dienstleiter o.ä., dann kommt ihm aber nur wegen und in dieser Funktion die Vorgesetzteneigenschaft zu, nicht in seiner Tätigkeit als Aktenknecht.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH


  • Der Rechtspfleger ist zwar Beamter, aber kraft Organisation nicht Vorgesetzter - es sei denn, er wäre gerade der Gruppenleiter, Dienstleiter o.ä., dann kommt ihm aber nur wegen und in dieser Funktion die Vorgesetzteneigenschaft zu, nicht in seiner Tätigkeit als Aktenknecht.


    Damit ist die Frage des Threadstarters beantwortet. Er ist Beamter und Vorgesetzter und hat vermutlich selbst seine Mitarbeiterin zur UdG ernannt.


  • Der Rechtspfleger ist zwar Beamter, aber kraft Organisation nicht Vorgesetzter - es sei denn, er wäre gerade der Gruppenleiter, Dienstleiter o.ä., dann kommt ihm aber nur wegen und in dieser Funktion die Vorgesetzteneigenschaft zu, nicht in seiner Tätigkeit als Aktenknecht.


    Damit ist die Frage des Threadstarters beantwortet. Er ist Beamter und Vorgesetzter und hat vermutlich selbst seine Mitarbeiterin zur UdG ernannt.

    In diesem Fall würde ich das auch so sehen. Danke für die zusätzlichen Informationen, die mir so nicht präsent waren (hätten sein können, aber nicht waren:oops:).

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH


  • Allerdings können Weisungen wie bei Beamten üblich nur vom Vorgesetzten erteilt werden und weder der Rechtspfleger noch der Richter sind Vorgesetzte. Der Richter schon deswegen nicht, weil er kein Beamter ist, ihm kommt Entscheidungsbefugnis (und daraus abgeleitet: Weisungsbefugnis) nur dort zu, wo dies besonders geregelt ist. Der Rechtspfleger ist zwar Beamter, aber kraft Organisation nicht Vorgesetzter - es sei denn, er wäre gerade der Gruppenleiter, Dienstleiter o.ä., dann kommt ihm aber nur wegen und in dieser Funktion die Vorgesetzteneigenschaft zu, nicht in seiner Tätigkeit als Aktenknecht.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Das dürfte aber auch auf das jeweilige Bundesland und die jeweilige Fallfrage ankommen (wobei mir bewusst ist, dass UdG und Geschäftsstelle nicht deckungsgleich ist).
    In der hiesigen Geschäftsordnungsvorschrift ist geregelt:

    § 19 Organisation und Aufgaben der Geschäftsstelle


    (5) Der Dezernent (Richter, Staats- oder Amtsanwalt, Rechtspfleger, Verwaltungs-dezernent) kann im Rahmen der durch Gesetz oder Verwaltungsvorschrift gezoge-nen Grenzen Aufgaben übertragen oder an sich ziehen und Weisungen erteilen, so-13
    weit dies für einen effizienten Dienstbetrieb notwendig ist; der Dezernent ist insoweit Fachvorgesetzter.
    2Im Konfliktfall entscheidet bei Spruchkörpern der Vorsitzende. 3Die dauerhafte Übertragung zusätzlicher oder besonderer Aufgaben auf Justizange-stellte obliegt dem Behördenleiter und bedarf der vorherigen Prüfung, ob die haus-halts- und tarifrechtlichen Rahmenbedingungen vorliegen.


  • M.E. ist doch zunächst einmal die Frage zu klären, wann denn der Mitarbeiter des mittleren bzw. gehobenen Dienstes bzw. der vergleichbare Beschäftigte tatsächlich als UdG tätig wird - doch m.E. nur, wenn das Gesetz den UdG ausdrücklich bezeichnet. Insoweit gibts doch zunächst einmal keine Tätigkeit eines UdG, die nicht mit einem Rechtsbehelf - genau wie die eines Rechtspflegers - angegriffen werden kann.

    Ist denn tatsächlich eine solche Auskunftserteilung an einen Dritten - wie der Threadstarter meint - tatsächlich ein Akt des UdG? ich denke nein, sondern es ist die Tätigkeit eines Mitarbeiters des Gerichts bzw. der Geschäftsstelle des Gerichts, die m.E. einen reinen Justizverwaltungsakt darstellt. Insoweit ist die Weisungsgebundenheit des Dienstvorgesetzten (nicht des Rechtspflegers und auch nicht des Richters) in solchen Fällen tatsächlich gegeben. § 153 GVG spicht ja nicht davon, dass die Geschäftsstelle nur mit UdG zu besetzen sind, sondern mit einer erforderlichen Zahl an UdG. Ebenso verhält es sich mit Tätigkeiten eines Kostenbeamten, der aufgrund der KostVfG weisungsgebunden ist. Für den im Gesetz bezeichneten UdG gibt es allerdings so etwas nicht, sodass der nach außen tretende Gerichtsakt des UdG eben mit Rechtsbehelfen angegriffen werden kann. Soweit der mit den Aufgaben des UdG betraute Mitarbeiter sich an internen Dienstanweisungen des Vorgesetzten nicht hält, unterliegt er der Aufsicht der Gerichtsleitung, aber den als UdG vollzogenen Gerichtsakt selbst betrifft das jedenfalls in seiner Außenwirkung allerdings nicht.

    Einmal editiert, zuletzt von Sersch (5. November 2015 um 12:18) aus folgendem Grund: Schreibfehler berichtigt.

  • Auch bei der Auskunftserteilung an Dritte kommt es ja wieder drauf an. Da für die Auskunftserteilung ja nichts anderes gelten kann als für die Akteneinsicht Dritter entscheidet in
    Grundbuchsachen gem. § 12c GBO tatsächlich der UdG. In anderen Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit entscheidet gem. § 13 Abs. 2, 7 FamFG das Gericht und in Zivilsachen gem. § 299 Abs. 2 ZPO der Behördenleiter oder ein von ihm Beauftragter.

  • Eben, da wo besonders geregelt, hier eben in der Geschäftsordnung. Und um einmal pingelig zu sein: Die Tatsache, dass das besonders bestimmt werden muss, zeigt, dass es eben nicht automatisch kraft (beamtenrechtlicher) Organisation so ist.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH


  • Der Rechtspfleger ist zwar Beamter, aber kraft Organisation nicht Vorgesetzter - es sei denn, er wäre gerade der Gruppenleiter, Dienstleiter o.ä., dann kommt ihm aber nur wegen und in dieser Funktion die Vorgesetzteneigenschaft zu, nicht in seiner Tätigkeit als Aktenknecht.


    Damit ist die Frage des Threadstarters beantwortet. Er ist Beamter und Vorgesetzter und hat vermutlich selbst seine Mitarbeiterin zur UdG ernannt.

    Stimmt in Baden-Württemberg nur bei "Kleinnotariaten". Bei größeren Notariaten liegt in Baden die Vorgesetzteneigenschaft beim Notariatsdirektor und in Württemberg beim dienstaufsichtführenden Notar. Mir ist nicht bekannt, dass die Vorgesetzteneigenschaft beim Referatsleiter liegt.

    Ich habe z.B. alle meine Urkundsbeamten "geerbt" (und nicht selber bestellt). Und ich bin als einfacher Referatsleiter auch nicht Vorgesetzter meiner Urkundsbeamten. Ich habe als einfacher Referatsleiter nicht einmal Einfluss auf deren Arbeitszeiten. Dies wurde bzw. wird alles durch die Dienstaufsicht (z.B. durch eine Arbeitszeitvereinbarung Dienstaufsicht-Personalrat) geregelt. Und ich glaube auch meinen Urkundsbeamten nicht vorschreiben zu können, wie sie ihre ihnen übertragene Tätigkeiten ausüben müssen. Ich hafte ja auch nicht für evtl. Fehler der Urkundsbeamten. Könnte ich ihnen vorschreiben, wie sie etwas zu erledigen haben, müsste ich auch für evtl. Rechtsfolgen haften. Und ob da meine Haftpflichtversicherung dann einspringt?


  • Ich hafte ja auch nicht für evtl. Fehler der Urkundsbeamten. Könnte ich ihnen vorschreiben, wie sie etwas zu erledigen haben, müsste ich auch für evtl. Rechtsfolgen haften. Und ob da meine Haftpflichtversicherung dann einspringt?

    Nein, ich hafte nicht für ihre Fehler, aber ich habe sie in meiner Haftpflichtversicherung mitabgesichert (ausdrücklich vereinbart!)

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