Vermächtniserfüllungsvertrag für Minderjährige

  • Jetzt habe ich schon soviel gelesen, dass mir der Kopf schwirrt. Ich hoffe nun, dass ihr mir bei der Lösungsfindung behilflich sein könnt. Folgender Fall:
    Eigentümerin ist verstorben und hat ihren einzigen Sohn als Alleinerben eingesetzt. Außerdem hat sie im Testament festgelegt, dass ihre minderjährigen Enkelkinder (4 und 6 Jahre), die Kinder des Alleinerben, ihre Eigentumswohnung je zu 1/2 als Vermächtnis erhalten sollen. Für ihren Ehemann, der die Eigentumswohnung bewohnt, soll ein Wohnungsrecht bestellt werden. Es erscheinen nun der Sohn und dessen Ehefrau (beide sind die gesetzlichen Vertreter der Kinder) beim Notar und der Sohn überträgt die Wohnung auf seine beiden Kinder zu je 1/2, die diese Übertragung annehmen und er erklärt hierfür die Auflassung ("Der Alleinerbe und die beiden Kinder sind sich darüber einig, dass...."). Dies ist m. E. schon mal falsch, da die Einigung wegen der Geschäftsunfähigkeit der Kinder ja nur gegenüber den gesetzlichen Vertretern erklärt werden kann, oder? Außerdem wird das Wohnungsrecht für den Opa bestellt (hierbei wirkt auch die Mutter der Minderjährigen als gesetzl. Vertreterin mit). Brauche ich jetzt hierfür noch eine Pflegerbestellung mit familiengerichtlicher Genehmigung? Ich glaube eher nicht, bin mir aber nicht ganz sicher. Vielleicht kann mir einer auf die Sprünge helfen. Danke schon mal!

  • Die Formulierung der Auflassung ist völlig in Ordnung. Es liegt in der Natur der Dinge, dass die Auflassung vom Vater erklärt wird sowie Vater und Mutter - die beiden einzigen Erschienenen - auf der Erwerberseite handeln.

    Ein Vertretungsausschluss (§§ 181, 1795) liegt nicht vor, weil sowohl bei der Auflassung als auch bei der Wohnungsrechtsbestellung die Erfüllung einer Verbindlichkeit vorliegt und die Nachlassakten (samt Testament) diesbezüglich als Nachweis genügen.

    Aber natürlich ist jeweils eine familiengerichtliche Genehmigung der vorliegenden Rechtsgeschäfte erforderlich. Dass es sich jeweils um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt, bringt das Genehmigungserfordernis nicht in Wegfall, sondern macht die Erteilung der Genehmigung lediglich unproblematisch.

  • Ersteinmal vielen Dank für die schnelle Antwort. Ich muss aber nochmal auf die Auflassung zurückkommen. In meinem Fall wird die Auflassung zwischen dem Vater und seinen beiden minderjährigen Kindern und nicht zwischen dem Vater als Erben und den beiden Elternteilen auf der Erwerberseite erklärt ("Der Erschienene (= Vater) und die Beteiligten zu 3) und 4) (= Kinder) sind sich darüber einig, dass....."). Ich denke, dass diese Formulierung nicht korrekt ist, oder?

  • Ich muss mich hier mal anhängen:
    In meinem Fall ist die Mutter neben den 3 Kindern Erbin geworden und zudem gleichzeitig als TV benannt worden. Das Grundstück sollen die Kinder im Wege eines Vermächtnisses erhalten (TV ist zur Vermächtniserfüllung und als Dauervollstreckung angeordnet).

    Es liegt hier kein Vertretungsausschluss vor und keine unentgeltliche Verfügung, soweit richtig?

    Eine fam.gerichtl. Genehmigung dürfte hier auch nicht erforderlich sein (Schöner/Stöber, 15. Aufl, Rn 3700 Seite 1490 "Der unentgeltliche Erwerb eines Grundstücks (etwa im Wege der Vermächtniserfüllung) für das Kind ist genehmigungsfrei." bzw. Rn. 3683 "Bei Rechtshandlungen eines TV ist auch dann, wenn zu den Erben minderjährige stehende Personen gehöre, gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich.")

    Mein Problem ist jetzt auch die Auflassung, da die Mutter sagt, dass sie "nicht im eigenen Namen, sondern in Ihrer Eigenschaft als TV" handelt. Jetzt heißt es "in Erfüllung des Vermächtnisses sind sich die Erben und die Vermächtnisnehmer einig...".
    D. h. doch jetzt, dass die Erklärungen der Erben ok sind, aber es keine Erklärung der Vermächtnisnehmer gibt, oder? Sie hätte doch sagen müssen, dass sie die Erklärungen als TV für die Erben und als ges. Vertreter für die Vermächtnisnehmer abgibt?
    Wenn dem so ist, liegt keine Auflassung vor, also Aufklärungsverfügung. Und wie wird das ganze geheilt? Gar nicht und neue Auflassung? Ergänzung der Urkunde, dass sie auch als ges. Vertr. handelt (§ 44 a BeurkG)?

    Danke vorab für eure Hilfe!

  • Was sagen denn die Anordnungen des Erblassers in Bezug auf das den Kindern zugewandte Vermächtnis? Hat der Erblasser verfügt, dass der Testamentsvollstrecker auch den Vermächtnisanspruch der Vermächtnisnehmer aus § 2147 S. 1 BGB zu verwalten hat? In diesem Fall kann der Testamentsvollstrecker die Auflassung sowohl im Namen der Erben wie auch im Namen der Vermächtnisnehmer erklären (s. die Anmerkung von Reimann, in der MittBayNot 2013, 393 ff (394/395) zum Beschluss des OLG München vom 25. 2. 2013, 34 Wx 30/13, der dazu auch den Beschluss des OLG Hamm vom 27.7.2010, 15 Wx 374/09, =ZEV 2011, 198 = NJW-RR 2011, 11 zitiert).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Zutreffend.

    Es kann hier sowohl eine TV zu Lasten der Erben (TV 1) als auch eine TV zu Lasten der Vermächtnisnehmer (TV 2) vorliegen, wobei die Verfügungsbeschränkung der Letzteren erst mit Eigentumsumschreibung auf die Vermächtnisnehmer greift. Das bedeutet, dass Zug um Zug mit Eintragung der Auflassung der TV-Vermerk 1 zu löschen und der TV-Vermerk 2 neu einzutragen ist.

    Das der "Doppel-TV" in dieser Konstellation vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit ist, liegt in der Natur der Dinge, weil das gesamte Konstrukt ansonsten sinnlos wäre.

  • Ich bitte mal um Meinungen zu folgendem Fall:

    Wie Fall 1, nur dass es sich um ein unbelastetes Grundstück handelt, welches an ein Enkelkind übertragen wird. Rechte sollen nicht eingetragen werden.

    In diesem Fall ist doch auch eine fam. Genehmigung nicht erforderlich, oder?

  • Die Formulierung der Auflassung ist völlig in Ordnung. Es liegt in der Natur der Dinge, dass die Auflassung vom Vater erklärt wird sowie Vater und Mutter - die beiden einzigen Erschienenen - auf der Erwerberseite handeln.

    Ein Vertretungsausschluss (§§ 181, 1795) liegt nicht vor, weil sowohl bei der Auflassung als auch bei der Wohnungsrechtsbestellung die Erfüllung einer Verbindlichkeit vorliegt und die Nachlassakten (samt Testament) diesbezüglich als Nachweis genügen.

    Aber natürlich ist jeweils eine familiengerichtliche Genehmigung der vorliegenden Rechtsgeschäfte erforderlich. Dass es sich jeweils um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt, bringt das Genehmigungserfordernis nicht in Wegfall, sondern macht die Erteilung der Genehmigung lediglich unproblematisch.

    Weshalb werden hier Genehmigungen benötigt? Die unentgeltliche Übertragung der Wohnung dürfte doch nach § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB genehmigungsfrei sein, und die Bestellung des Wohnungsrechts wurde auch bereits im Testament geregelt, sodass es sich um eine Erwerbsmodalität handelt und Genehmigungen nicht notwendig sein dürften?

    Ich habe hier einen ähnlichen Fall, der Vertrag stammt aus 2013 und wurde schon ohne Genehmigung im Grundbuch eingetragen. Und ich bin mir gerade absolut nicht sicher, ob das so richtig war.

  • § 1821 Absatz 1 Nr. 5 BGB betrifft lediglich das Grundgeschäft. Das den Erwerb bewirkende dingliche Geschäft wird vom Erfordernis der Genehmigung durch das Familiengericht nach § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB, der ausschließlich die auf den (entgeltlichen) Erwerb, unter anderem von Grundstücken, gerichteten Kausalgeschäfte betrifft, nicht erfasst; daher ist diese Vorschrift im Grundbuchverfahren im Ansatz ohne Bedeutung (Zitat nach OLG Düsseldorf 3. Zivilsenat, Beschluss vom 03.03.2017, I-3 Wx 65/16, 3 Wx 65/16, mwN)
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/dues…s_20170303.html

    Für die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit der im Zuge des Erwerbs vorgenommenen Belastung mit einem Wohnungsrecht kommt es auch nicht auf die rechtliche Vorteilhaftigkeit oder die Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern schlicht darauf an, ob das Rechtsgeschäft einen Genehmigungstatbestand – namentlich aus dem Katalog der §§ 1821, 1822 BGB – erfüllt (s. die Anm. von Müller zum Beschluss des OLG München vom 22. 8. 2012, 34 Wx 200/12, in der DNotZ 2013, 205/209).

    Zu dieser Frage führt das DNotI in Bezug auf die dingliche Ebene im Gutachten vom 12.09.2014, Abruf-Nr. 136640
    http://www.google.de/url?sa=t&rct=j…Mw32iYw&cad=rjt

    aus:

    „b) Dingliche Ebene:

    Eigentumsübertragung unter Wohnungsrechtsvorbehalt zugunsten der Eltern der Kinder

    aa) § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB

    Die Bestellung des Wohnungsrechts und die Bewilligung einer Vormerkung sind im Hinblick auf § 1821 Abs. 1 Nr. 1 BGB ebenso wie die Eingehung der dahingehenden Verpflichtung zu beurteilen (s. Buchst. a Doppelbuchst. aa (1)), so dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, weil es sich um Erwerbsmodalitäten handelt (vgl. dortige Nachweise).

    bb) § 1821 Abs. 1 Nr. 2 BGB.

    Allgemein anerkannt ist jedenfalls in der Rechtsprechung ferner, dass die Erfüllung eines Anspruchs auf Übertragung von Grundstückseigentum usw. keine Verfügung über diesen Anspruch i. S. v. § 1821 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist (RGZ 108, 356, 364; BGHZ 187, 119 = NJW 2010, 3643, 3644 Tz. 17).
    Auch aus dieser Vorschrift ergibt sich die Genehmigungsbedürftigkeit also nicht.

    cc) § 1822 Nr. 5 BGB bei Vermietung/Verpachtung

    Eine Genehmigungsbedürftigkeit des dinglichen Geschäfts gem. § 1822 Nr. 5 BGB im Hinblick darauf, dass es sofort oder u. U. mit Beendigung des Wohnungsrechts (vgl. DNotI-Internetgutachten Nr. 86171; zum Nießbrauch BGHZ 162, 137 = DNotZ 2005, 625, 626 f.) zum Eintritt des Erwerbers in das Miet- oder Pachtverhältnis kommt, ist ebenfalls zu verneinen, denn nach der Rechtsprechung des BGH setzt § 1822 Nr. 5 BGB die rechtsgeschäftliche Begründung eines Mietverhältnisses voraus, greift also nicht ein bei dem Eintritt in den Mietvertrag als gesetzliche Folge des Eigentumserwerbs (BGH DNotZ 1983, 362 = NJW 1983, 1780, 1781; zu § 1822 Nr. 10 BGB bereits oben unter Buchst. a Doppelbuchst. cc).

    dd) § 1822 Nr. 10 BGB bei Miteigentum an Wohnungseigentumseinheit

    Auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BGH, wonach die Schenkung einer Eigentumswohnung an einen Minderjährigen generell nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist (BGHZ 187, 119 = NJW 2010, 3643), ist im Hinblick auf die wohnungseigentumsrechtlichen Pflichten nicht von einer Genehmigungsbedürftigkeit gemäß § 1822 Nr. 5 u. 10 BGB auszugehen, wenn ein Minderjähriger die Wohnung je zu Alleineigentum erwirbt.

    Entsprechende Genehmigungserfordernisse hat auch der BGH nicht in Betracht gezogen (a. a. O., S. 3644 Rn. 17)“.

    Das entspricht den Ausführungen des DNotI im Gutachten vom 10.01.2014, Abruf-Nr. 128470
    https://www.google.de/url?sa=t&rct=j…S9o2Cag&cad=rjt

    Demnach ist keine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich (s. a. Bettin im Beck'schen Online-Kommentar BGB, Stand 01.11.2016, § 1821 RN 8 unter Zitat BGHZ 24, 372 = NJW 1957, 1187).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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