Europäisches Nachlasszeugnis - Angaben zum Erbanspruch/ Vermögenswerten

  • Ich bin gerade dabei mein erstes Europ. Nachlasszeugnis zu erstellen.
    Leider bin ich dabei auch die erste bei uns im Gericht und keiner kennt sich so recht aus.
    Das Zeugnis ist wegen Grundbesitz in Österreich erforderlich.

    ForumStar gibt ja bereits einige Pflichtfelder vor und so habe ich nun das Zeugnis fast fertig.

    Allerdings scheitere ich nun an der Frage, ob bei der Angabe der einzelnen Erben (drei, bestimmt durch notarielles Testament, die Kinder des Erblassers) die Angabe von zugewiesenen Vermögenswerten bzw. Anspruch auf folgende Teile des Nachlasses erforderlich ist.
    Dies sind in der der Anlage IV die Nr. 8 und 9.

    Ich tendiere dazu, als Anspruch auf den Nachlass die Miterbenstellung zu 1/3 einzutragen.
    Evtl. müsste als Vermögenswert ja dann der konkrete Grundbesitz im Ausland eingetragen werden.

    Kann mir jemand helfen?

  • Zu der EDV-Umsetzung in Deutschland kann ich mich nicht äußern.
    Nach Art. 68 Buchst. l EuErbRVO soll das ENZ „den Erbteil jedes Erben und gegebenenfalls das Verzeichnis der Rechte und/oder Vermögenswerte, die einem bestimmten Erben zustehen“. Die Verteilung der einzelnen Rechte an die Erben wird nur dann aufgenommen, wenn sie nach dem Erbstatut erfolgt, z.B. wenn im Rahmen einer dinglich wirkenden Teilungsanordnung die Erben nach dem Erbstatut einzelne Nachlassgegenstände erworben haben.
    Bei Gesamtrechtsnachfolge werden die Bestandteile des Nachlassvermögens nicht aufgelistet. Ich würde es auch auf keinen Fall tun. Ansonsten entstehen bei Unvollständigkeit der Informationen Probleme mit der Verwendung des Zeugnisses im EU-Ausland. Man legitimiert also die Erben des deutschen Rechts als Miterben zu bestimmten Teilen und befasst sich nicht mit der Zusammensetzung des Nachlasses. Ob die Nachlassimmobilie zum Nachlass gehört, wird das Grundbuchamt (Grundbuchgericht) in Österreich prüfen.

  • Zutreffend.

    Hier geht es um nach ausländischen Erbstatuten zulässige dingliche Vindikationslegate, die das deutsche Recht (auch für inländischen Grundbesitz, der nach einem Fremderbstatut vererbt wird) nicht kennt und die daher aus deutscher Sicht aufgrund des Vorrangs des Belegenheitsstatuts als Damnationslegate behandelt werden.

  • Vindikationslagate sind ein Anwendungsfall von Art. 68 Buchst. m ErbRVO. Bei Art. 68 Buchst. l handelt es sich um Rechte, die von einem Erben (und nicht einem Vermächtnisnehmer) erworben wurden.

    Das Problem der Anpassung der dinglichen Wirkungen eines Vindikationslegats (bzw. einer dinglichen Teilungsanordnung) stellt sich nur bei deutschen Immobilien. Wenn der Belegenheitsstaat keine Probleme mit solchen dinglichen Wirkungen hat, besteht auch bei der Erteilung eines ENZ durch ein deutsches Nachlassgericht kein Grund dafür, sie in Frage zu stellen.
    Die Zulässigkeit und Notwendigkeit einer Anpassung eines Vindikationslegats ist übrigens sehr strittig und wird vom EuGH entschieden werden müssen. Eher man die dinglichen Wirkungen, welche sich aus dem Erbstatut ergeben, als deutsches Gericht verneint, müsste man dies durch eine Vorlage beim EuGH klären. Denn es handelt sich um einen erheblichen Eingriff in die Rechte des Vindikationsvermächtnisnehmers.

  • Diese Einschätzung setzt das Bestehen einer solchen (dinglichen) Berechtigung aber bereits voraus.

    Ob das deutsche Sach- und Belegenheitsstatut dem europäischen Erbstatut vorgeht, ist keine Angelegenheit des europäischen Rechts, sondern eine Frage seiner systemimmanenten Beschränkung.

  • Ob das deutsche Sach- und Belegenheitsstatut dem europäischen Erbstatut vorgeht, ist keine Angelegenheit des europäischen Rechts, sondern eine Frage seiner systemimmanenten Beschränkung.


    Da muß ich silesianman allerdings rechtgeben: Der EuGH hat sich bei der Frage, ob eine innerstaatliche Beschränkung Vorrang vor Europarecht hat, noch nie mit einem Hinweis auf "systemimmanente Beschränkungen" abspeisen lassen.

    Wird wohl irgendwann entschieden werden. Hoffentlich bin ich dann in Rente.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Das ist eine Frage der Definition.

    Denn wenn die VO nicht zum Inhalt hat, dass sie in dieser Frage die innerstaatlichen Kollisionsregeln aushebelt, stellt sich die Frage des Vorrangs überhaupt nicht.

    Zumindest entspricht diese Ansicht - wie schon anderenorts erörtert - derjenigen des bundesdeutschen Gesetzgebers.

  • Eins ist, glaube ich, klar. Eine verbindliche Auslegung einer Verordnung ist Sache des EuGH und nicht des bundesdeutschen Gesetzgebers.

  • Zumindest entspricht diese Ansicht - wie schon anderenorts erörtert - derjenigen des bundesdeutschen Gesetzgebers.


    Und ob diese Ansicht mit Europarecht vereinbar ist, entscheidet dann der EuGH, wie schon immer. Einige bekannte Besipiele sind etwa die Entscheidungen zum Verbandsklagerecht (nicht vereinbar), kein Hartz IV für nicht arbeitssuchende Zuwanderer (vereinbar), Staatsangehörigkeitsvorbehalt für Notare (nicht vereinbar), Vorschriften gegen Führerscheintourismus (vereinbar), Volkswagengesetz (nicht vereinbar), Faktische Verhinderung der Belieferung deutscher Kunden durch ausländische Apotheken (vereinbar)

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  • Das mag alles sein, aber dann müssen die Beteiligten eben die Instanzen durchlaufen, wie das auch schon beim Nichtehelichenerbrecht der Fall war.

    Irgendein Ackergrundstück, bei dem man das konstengünstig durchexerzieren kann, wird sich ja finden (und vermachen) lassen.

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  • Die deutschen Nachlassgerichte werden und sollten sich zu Recht auf den Standpunkt stellen, dass die VO insoweit nicht anwendbar ist, weil die VO selbst sagt, dass sie sich nicht auf Fragen in Zusammenhang mit der Eintragung von Rechten in Registern samt deren gesetzlichen Voraussetzungen erstreckt (Art. 1 Abs. 2 l i.V.m. Erwägungsgründen 18 und 19).

    Nur weil die dingliche Zuordnung von Einzelgegenständen bei Zulassung des Vindikationslegats einfacher wäre, sind wir noch lange nicht in einem rechtlichen Wünsch-Dir-Was-Konzert.

  • Jedes Gericht, der einen Eingriff in die Rechte einer Privatperson vornimmt braucht dazu eine klare rechtliche Grundlage. Unabhängig davon, wie man die Verordnung im Bereich der dinglichen Wirkungen eines Vindikationslegats in Deutschland liest, ist die Zulässigkeit von Anpassung der Wirkungen eines Vindikationslegats nach Art. 31 ErbRVO weit von klar und eindeutig. Wenn man als Gericht einen Menschen, der nach dem anwendbaren Recht (Art. 23 Abs. 2 Buchst. e ErbRVO) und nach dem Testament des Erblassers bereits Eigentümer einer bestimmten Sache ist (was man leidlich deklaratorisch feststellen soll), mit leeren Händen nach Hause schickt, soll man gute Gründe dafür haben und nicht auf rechtspolitische Äußerungen verweisen. Eine Vorlage beim EuGH würde ich von dem ersten Gericht erwarten, das über das Problem entscheiden muss.

  • Dafür besteht kein Anlass.

    Ob der besagte "Eingriff in die Rechte einer Privatperson" überhaupt vorliegt, hängt von der Beantwortung der Frage ab. Und wenn man diese Frage dahin beantwortet, dass die VO insoweit nicht greift, liegt eben kein Eingriff vor.

    Mit der klaren Rechtsgrundlage ist das im Übrigen so eine Sache. Nach unserem Kollisionsrecht ist die Sache klar und es fragt sich daher bestenfalls, ob eine unklare VO diese Klarheit beseitigt. Damit wären wir aber bei der von meinem Vorredner selbst monierten Unklarheit, die keine Rechtsgrundlage darstellen darf, um in das deutsche Sach- und Belegenheitsstatut einzugreifen.

    Aber wie gesagt: Ich sehe keine Unklarheit. § 1 Abs. 2 l i.V.m. den Erwägungsgründen 18 und 19 sind für mich völlig klar.

  • Let us agree to disagree.

    Ich sehe auch keine Unklarheit. Für mich, ist der modus des Übergangs des Nachlassvermögens nach Art. 23 Abs. 2 Buchst. e ErbRVO beim Vindikationslegat ganz klar Materie des Erbstatuts. Der erwähnte bundesdeutsche Gesetzgeber stütz übrigens seine Auffassung auf Art. 1 Abs. 2 Buchst. k (numerus clausus der Sachenrechte) und nicht auf Art. 1 Abs. 2 Buchst. l (Registerrecht). Die letztere Bereichsausnahme umfasst nicht die erbrechtlichen (materiellrechtlichen) Eintragungsvoraussetzungen.
    Alle Argumente sind, glaube ich, schon in der Fachpresse gefallen.
    Unabhängig von zwei widersprüchlichen und „ganz klaren“ Standpunkten: entweder ist der Mann Eigentümer oder ist er nicht und bleibt in der Praxis der grenzüberschreitenden Nachlasssachen oft mit leeren Händen. Und wenn man so eine Entscheidung fällt, dann soll man dies richtig machen und die einzige Stelle einschalten, welche die Zweifel für alle verbindlich ausräumen kann. Und die ist in Luxemburg.

  • Ich hänge mich mal hier an.
    Es soll ein ENZ beantragt werden. Letzter gewöhnlicher Aufenthalt war D, also deutsches Erbrecht. Der Erblasser hatte mehrere Immobilien z.T. auch im Ausland und über diese auch vermächtnisweise verfügt.
    Nach Art. 68 ErbRVO sind die folgenden Angaben nur aufzunehmen, wenn es erforderlich ist. Nach Ziff. m wären zwar Vermächtnisse aufzunehmen, aber diese sind m.E. nicht erforderlich, da sie ja nach deutschem Recht nicht dinglich wirken und zunächst nur die Erbengemeinschaft Eigentümer wird.
    Insofern müsste es mich ja eigentlich nicht kümmern, ob die Länder, in denen Immobilien belegen sind (hier nur EU) Vindikationslegate kennen, da sich das Erbrecht nach deutschem Recht richtet und erst eine Eigentumsübertragung von der Erbengemeinschaft auf den Vermächtnisnehmer erfolgen muss.
    Insofern wären wohl bei einem ENZ mit deutschen Recht keine Vermächtnisse aufzunehmen.
    Oder liege ich falsch? Hat schon jemand Erfahrungen damit?

  • @ Astaroth
    Nein, das Problem stellt sich nur, wenn das Erbstatut Vindikationslegate kennt, das Recht im Belegenheitsstaat des Gegenstands des Legates sie aber ablehnt. Beim deutschen Damnationslegat entstehen keine Besonderheiten.
    Strittig ist dafür, ob Damnationslegate als Beschränkung i.S.d. Art. 68 lit. n ErbRVO zu vermerken sind, als eine Beschränkung des legitimierten Erben. In deutscher Literatur zur Verordnung wird dies in der Regel verneint. In meiner polnischen Kommentierung werden Damnationslegate als eindeutiger Fall solch einer Beschränkung genannt.

    Das Problem der dinglichen Wirkungen ausländischer Vindikationslagate in Deutschland wird übrigens durch den EuGH gelöst. Die Vorlage eines polnischen Gerichts in einem deutsch-polnischen Fall betrifft die Auslegung der Art. 1 Abs. 2 lit. k, Art. 1 Abs. 2 lit. l sowie Art. 31 ErbRVO (Rs C-218/16).

  • Danke für die Antworten.
    Dann wird das ENZ also vom Inhalt her auch nicht weiter gefasst als der Erbschein. Ist für mich auch logisch, da ansonsten Prüfungen nötig wären, für die das Nachlassgericht gar nicht zuständig ist.

  • Nun haben wir Klarheit, was die dinglichen Wirkungen der Vindikationslegate nach ausländischem Erbstatut in Deutschland angeht.
    Hier der Urteil des EuGH in der Rs. Kubicka vom 12. Oktober 2017
    http://curia.europa.eu/juris/document…t=1&cid=1376880
    Hier die früheren Schlussanträge des Generalanwalts Bot in deutscher Sprachfasung
    http://curia.europa.eu/juris/document…t=1&cid=1376880

    Einmal editiert, zuletzt von silesianman (12. Oktober 2017 um 22:48)

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