Festsetzung unterschiedlicher pfandfreier Beträge nach § 850d ZPO

  • Guten Morgen, liebe Kollegen!

    Ich habe hier einen etwas verzwickten Antrag auf dem Tisch, über dem meine Kollegen und ich leider ohne großes Ergebnis gestern gebrütet haben. Ich hoffe, ihr könnt mir da weiterhelfen!

    Folgender Fall:

    • Der Schuldner hat insgesamt 3 Kinder (A, B, C).
    • Am AG X (Pfändung 1) wird das Gehalt des Schuldners wegen rückständigem Unterhalt für Kind A gepfändet. Festgesetzter pfandfreier Betrag nach § 850d ZPO sind am AG X 1.787,65 € (soweit ich aus dem Festsetzungsbeschluss erkennen konnte, hat das AG X hier die übrigen Kinder des Schuldners nicht berücksichtigt).
    • Am AG Y (bei mir; Pfändung 2) wurde das Gehalt des Schuldners wegen rückständigem und laufendem Unterhalt für Kind B gepfändet. Festgesetzter pfandfreier Betrag nach § 850d ZPO sind am AG Y 945,90 € + 1/2.
    • Kind C wohnt beim Schuldner

    Unstrittig ist ja, dass bzgl. des § 850c ZPO - Bereiches das Prioritätsprinzip gilt. D.h. Kind A, das die 1. Pfändung ausgebracht hat, pfändet hier im 1. Rang. Bzgl. des Vorrechtsbereiches sind die Unterhaltspfändungen von Kind A und B gleichrangig.

    Der Vertreter von Kind B hat nun den Erlass eines klarstellenden Beschlusses beantragt, da der Drittschuldner aufgrund der von den AGs festgesetzen pfandfreien Beträge nach § 850d ZPO nicht weiß, welche Beträge er genau abführen muss.

    Ich bin nun der Meinung, dass ein klarstellender Beschluss hier nicht möglich ist, da ich am AG Y nur bzgl. meiner Pfändung entscheiden kann (in der der pfandfreie Betrag i. Ü. m. E. klar genug geregelt wurde und ich hier schon allein aus diesem Grund keinen klarstellenden Beschluss erlassen werde). Dem Drittschuldner wäre also sowieso nicht geholfen. Ein klarstellender Beschluss - sofern man nun ein Freund von diesem ist oder so wie ich nicht - hilft also keinem recht weiter.

    Auch überlegt haben wir uns, den Gläubiger auf den Klageweg zu verweisen. Aber auch hier besteht ja noch weiter das Problem, dass es zwei unterschiedliche § 850d ZPO - Beträge gibt, die den Vorrechtsbereich entsprechend unterschiedlich groß ausweisen.

    M. E. müsste es irgendeine Möglichkeit dergestalt geben, dass die pfandfreien Beträge angeglichen werden. Mir ist jedoch eine solche nicht bekannt.

    Auch hatte ich die Idee, dass der Drittschuldner für Kind A nur den Beschluss des AG X anschaut und dementsprechend für Kind A abführt. Für Kind B schaut sich der Drittschuldner dann nur den Beschluss des AG Y an und führt entsprechend ab. Hier bin ich mir aber nicht sicher, ob dieses Vorgehen überhaupt realisierbar ist...

    Ich hoffe, ihr könnt mir da ein wenig weiterhelfen

    Schon vielen Dank im Voraus! Ich bin für jede Anregung und Idee dankbar!

  • Was spricht denn dagegen, dass sich der Drittschuldner ganz einfach an die Beschlüsse hält wie sie sind:

    Nehmen wir mal an, der Schuldner hat ein Gehalt von 2200 €.

    Dann überweist er dem ersten Gläubiger zunächst 412,35 €, verbleiben 1787,65 €

    Laut dem zweiten Beschluss soll dem Schuldner verbleiben: 945,90 € + 1/2*(2200 - 945,90) = 1572,95 €; für das 2. Kind verbleiben demnach nur 1785,65 - 1572,95 = 212,70 €, während der Schuldner für das im Haushalt lebende Kind quasi 627,05 € erhält.

    So ist es nunmal, wenn man sich an den Wortlaut hält, das bedarf doch keiner Klarstellung.

    Natürlich ist es unbefriedigend, da die Kinder nicht gleichermaßen berücksichtigt werden (412,35 €, 212,70 €, 627,05 €). Aber das kann man doch nicht durch einen Klarstellungsbeschluss korrigieren, sondern hier muss mindestens einer der Beteiligten mindestens einen PfÜB abändern lassen, um dieses Beträge anzugleichen. Kann ja z.B. das Kind 2 beim PfÜB2 machen, so, dass es mehr als 1/2 bekommt, um letztlich die 3 genannten Zahlen (einigermaßen) anzugleichen.

  • Nur ist doch ein Kind, für das kein Unterhalt gezahlt wird (ich meine nicht das im Haushalt lebende) nicht zu berücksichtigen. BeckOK, § 850 d Rdnr. 20 und auch BGH vom 17.09.2014, VII ZB 21/13, Rdnr. 16, 17

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Wo steht, dass für das erstrangige Kind nur für den c-Bereich das Prioritätsprinzip gilt.

    Die erstrangige Pfändung ist in vollem Umfang erstrangig. Der normale Pfändungsbereich des § 850c ZPO wird durch den von dem Rechtspfleger festgesetzten unpfändbaren Betrag nach § 850d ZPO ersetzt und die Pfändung ist in vollem Umfang erstrangig.

    Ob man nun klarstellende Beschlüsse mag oder nicht. Ein Klarstellungsbeschluss ist keine Entscheidung, sondern Maßnahme und fällt damit in den Zuständigkeitsbereich des Rechtspflegers. Mit der Klarstellung gibt das Gericht lediglich bekannt, wie die Beschlüsse auszuführen sind. Die Klarstellung schränkt die Beschlüsse weder ein noch erweitert sie diese.

    Im Übrigen stimme ich den Ausführungen von Andy in vollem Umfang zu, was die Berechnung angeht. Aber warum soll man das nicht so klarstellen (können)?

    Das erste Kind pfändet nur Rückstände und bei dem unpfändbaren Betrag des anderen Gerichts wurden (vermutlich) die Unterhaltspflichten der beiden weiteren Kinder berücksichtigt, auch wenn der unpfändbare Betrag recht hoch zu sein scheint. Ich weiß nicht, warum Du vermutest, dass die beiden anderen Kinder nicht berücksichtig wurden. Schließlich ist der unpfändbare Betrag doch so hoch, dass der nicht nur für den Schuldner selbst zu sein scheint.

    Evtl. wurde dabei aber auch der laufend zu zahlende Unterhalt für das pfändende Kind mitberücksichtigt. Oder was sonst ist hinsichtlich des laufenden Unterhalts für dieses Kind maßgeblich? Das kannst Du natürlich nicht wissen und klären, weil die Festsetzung des unpfändbaren Betrages von dem anderen Gerichts (vermutlich) geprüft wurde.

    Darüber hinaus stellt sich natürlich die Frage (wenn für das erste Kind auch noch Unterhalt zu zahlen ist und gezahlt wird) warum Du 1/2 des MB unpfändbar lässt, wenn der Schuldner tatsächlich noch für zwei weitere Kinder Unterhalt zahlen muss.

    Sollte der Bevollmächtigte von Kind 2 der Ansicht sein, dass der Arbeitgeber zu Gunsten seines Mandanten nicht genügend abführt, kann er den AG natürlich verklagen. Dass es hier zwei unterschiedliche Pfandbereiche gibt, ist doch ohne Bedeutung, weil die Berechnung und der Umfang der einzelnen Pfändungen (s. Andy) klar sind. Dass sich Arbeitgeber damit schwer tun ist nicht verwunderlich. Aber wenn da Behauptungen seitens des Gerichts kommen, dass das Prioritätsprinzip nur für den c-Bereich gilt, kann das einen Arbeitgeber schon mal ins Schwitzen bringen und verunsichern.

    Wie Du selbst geschrieben hast, muss der Drittschuldner für Kind A nur den Beschluss des AG X anschauen und dementsprechend für Kind A abführt. Für Kind B schaut sich der Drittschuldner dann nur den Beschluss des AG Y an und führt entsprechend ab. Natürlich unter Berücksichtigung des bereits für Kind A gepfändeten Betrages.

    Nach meiner Meinung wäre eine Klarstellung (s. Andy`s Berechnung) sinnvoll und würde sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Bevollmächtigten des Kindes 2 Klarheit bringen. Warum soll das nicht realisierbar sein?

  • @ Andy: Dankeschön für die schnelle und hilfreiche Antwort und deine ausführliche Beispielsrechnung! :)

    @ Annett: Danke für deine Antwort! Aber ich hab bei meiner Festsetzung nur Kinder berücksichtigt, für die entweder gepfändet oder tatsächlich zurzeit laufend Unterhalt erbracht wird oder war das in Bezug auf Andys Rechnung gemeint? :gruebel:

    @ Coverna:

    Und dir auch erstmal vielen Dank für die schnelle und super Hilfe! :)

    Wenn ich einen Unterhaltsgläubiger habe, dann pfändet er ja den „normalen“ § 850c ZPO-Bereich und den Vorrechtsbereich. Im § 850c ZPO-Bereich hab ich ja dann ein Rangverhältnis je nachdem wann die jeweilige Pfändung bewirkt wurde (auf diesen Bereich hätten ja auch nicht bevorrechtigte Gläubiger Zugriff). § 850d Abs. 2 ZPO sagt dann, dass mehrere bevorrechtigt Berechtigte, die nach § 1609 BGB Gleichrang haben, auch im Vorrechtsbereich untereinander den gleichen Rang haben. (steht auch im Beck'schen Online-Kommentar ZPO, § 850d, Rn. 48ff.)

    Ansonsten bin ich mit Andy konform. Meinem Gläubiger geht es nun darum – wie ich aus seinem Antrag herausgelesen hab – , dass die drei Kinder aufgrund der verschiedenen pfandfreien Beträge sehr unterschiedlich behandelt werden. Aber das kann auch mein Klarstellungsbeschluss ja nicht regeln. Der wäre ja nur dazu da, festzustellen, wie abzuführen ist, und kann die ungleiche Stellung der Kinder auch nicht beseitigen.

    Wegen deiner anderen Frage, wie ich auf die ½-Anteile komme: Also Kind A pfändet ja wegen rückständigem Unterhalt, Kind B wegen laufendem und rückständigem und der Unterhalt für Kind C wird durch Naturalunterhalt erbracht, was ja gleichzustellen ist mit laufendem, bar zu zahlenden Unterhalt. Also müssen dem Schuldner zur Begleichung aller Unterhaltspflichten für A (Rückstände) und C (Naturalunterhalt) noch 2/4 – Anteile (=1/2) verbleiben.

    Ich werde jetzt erstmal dem Gläubiger meine Rechnung präsentieren und ihn darauf hinweisen, dass ich nicht die unterschiedlichen Höhen der Unterhaltsbeträge angleichen kann...:)

  • Den letzten Satz würde ich dahingehend ergänzen, dass die Änderung der unpfändbaren Beträge nicht im Wege der Klarstellung geändert werden können.

    Wie Du aus Andy`s Beispielrechnung und aus Deiner Festsetzung siehst, bleiben dem Schuldner 1/2 des Mehrbetrages für das Kind C, während sich Kind A (nur wegen des Rückstandes) und Kind B (wegen des Rückstandes und des laufenden Unterhalts) die andere Hälfte des Mehrbetrages teilen müssen.

    Das verschiebt sich natürlich je nach Höhe des zur Verfügung stehenden Einkommens nach oben oder unten.

  • Ich muss hier einmal nachhaken:

    Schuldner hat Kinder A,B und C.

    Kind A lebt bei ihm.

    Ich habe zwei unterschiedliche Unterhaltspfändungen (2 unterschiedliche Jugendämter).

    1x wird wegen lfd. Unterhalts + Rückständen gepfändet und 1x nur wegen der Rückstände.

    Nun beantragt das Jugendamt des 2. Pfübs die Gleichrangigkeit der beiden Pfändungen und ich stehe etwas auf dem Schlauch. Ich bin immer davon ausgegangen, dass das Prioritätsprinzip generell gilt. Ups. Wie setzt man das denn in einem Beschluss um?

    Ich habe im Grunde ja nur 1 Pfändung wegen laufenden Unterhalts.

    Problem: der Arbeitgeber ignoriert wohl die Gerichtsbeschlüsse und zahlt mehr an den Schuldner aus als eigentlich festgesetzt :( . Das hat mich aber wohl nicht zu interessieren, sondern da müssten dann die Gläubiger intervenieren.

  • Der Sachverhalt ist noch etwas unklar.

    Für welche Kinder wurde gepfändet? Welche Pfändung erfolgte zeitlich früher?

    Grundsätzlich kommt es auch bei Unterhaltspfändungen auf die Reihenfolge der Pfändungen an, Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 850d Pfändbarkeit bei Unterhaltsansprüchen, Rn. 21:

    Zitat

    Pfänden nacheinander mehrere Unterhaltsgläubiger, so gilt zunächst ohne Rücksicht auf ihren Rang der Grundsatz der Priorität (§ 804 III).

  • wegen der Frage von Anigi : vielleicht hilft auch der Aufsatz von Benner, JAmt 2021, 550-557, Umgang mit Pfändungskonkurrenzen bei der Lohnpfändung wegen Kindesunterhalt. Da geht es auch um die Fragen zum Rang bei Unterhalt. Und es gibt es auch einen Abschnitt, wonach es in bestimmten Verfahren ggf. auch darauf ankommt, ob es tatsächlich eine Gläubigerkonkurrenz gibt, daher ob die Jugendämter aus verschiedenen Bundesländern sind. Daher vielleicht bist du nach dem Aufsatz nicht zur Entscheidung berufen, wenn es UV-Stellen desselben Landes sind und es somit nur 1 Gläubiger gibt? Hatte selber aber noch keinen solchen Fall.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!