kanadisches Erbrecht (u.s.w.)

  • Ein kanadischer Erblasser mit Aufenthalt dort seit 1953 verfügt ein privatschriftliches Testament und übergibt das Original der hier ansässigen Erbin.
    Kann ( oder muss) dass Testament hier eröffnet werden?
    Über ART 21 EUErbVO ist kanadisches Recht anzuwenden; Zuständigkeit des Deutschen Gerichts über ART 10 II EUERbVO .
    Das hier befindliche Vermögen besteht in einer Spareinlage bei der XY Bank Zweigstelle Z in unserer Stadt.
    Wo ist dann die Zuständigkeit begründet: Zweigstelle Z oder Hauptsitz des Unternehmens?
    Kann hier jemand helfen?

  • -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Wenn die Zuständigkeit nach Art. 10 II ErbRVO gegeben ist, entstehen keine Zweifel daran, dass sie auch die Testamentseröffnung umfasst. Unabhängig von dem Erbstatut.

    Bei Kanada als Drittstaat wäre übrigens bei der Ermittlung des Erbstatuts auch die Rückverweisung zu beachten (Art. 34 ErbRVO). Beim gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in einem common law-Staat kommt es zu einer Teil-Rückverweisung in der Regel bei unbeweglichem Vermögen hier in Europa. In solchen Fällen kommt es zu einer Zersplitterung des Erbstatuts. Hinsichtlich beweglichem Vermögen gilt das Erbrecht der Provinz des letzten gewöhnlichen Aufenthalts in Kanada, hinsichtlich unbeweglichem Vermögen gilt das Recht des Belegenheitsstaates (Teilrückverweisung, welche zumindest bei Verordnungsmitgliedstaaten beachtlich ist).

    Ergebnis:
    die internationale Zuständigkeit nach Art. 10 Abs. 2 beschränkt sich auf das Nachlassvermögen in Deutschland. Sie erstreckt sich auf das gesamte Nachlassverfahren, inklusive Testamentseröffnung.
    Anwendbares Recht: das Testament ist auf eine Rechtswahl zu prüfen. Falls es vor dem 17.8.2015 errichtet wurde, kommt eine konkludente Rechtswahl zugunsten des Erbrechts der Provinz des gewöhnlichen Aufenthalts in Kanada nach Art. 83 Abs. 2 ErbRVO (i.V.m. Art. 22 ErbRVO) bzw. eine fingierte Rechtswahl zugunsten dieses Rechts nach Art. 83 Abs. 4 ErbRVO in Betracht. In solch einem Fall gilt das gewählte Recht für das gesamte Nachlassvermögen.
    Mangels Rechtswahl ist das anwendbare Erbrecht nach Art. 22 ErbRVO unter Berücksichtigung des Art. 34 ErbRVO zu bestimmen; mit dem Ergebnis: Bankvermögen nach dem Recht der entsprechenden Provinz des letzten Gewöhnlichen Aufenthalts, Immobilien in Deutschland (falls vorhanden) nach deutschem Erbrecht.

  • Cidane: ich bin Autor einer polnischen Kommentierung zum kollisionsrechtlichen Teil der ErbRVO und einer von wenigen Fortbildern in diesem Bereich in Polen. Hatte also mehrmals Gelegenheit, die Verordnung zu durchdenken. Die Diskussionen und die Fälle hier im Forum geben aber auch mir neue Impulse.

  • Cidane: ich bin Autor einer polnischen Kommentierung zum kollisionsrechtlichen Teil der ErbRVO und einer von wenigen Fortbildern in diesem Bereich in Polen. Hatte also mehrmals Gelegenheit, die Verordnung zu durchdenken. Die Diskussionen und die Fälle hier im Forum geben aber auch mir neue Impulse.

    Wie schön, dann in dir einen kompetenten Ansprechpartner zu haben!

    Kleine Anekdote am Rande:
    Aktueller Fall: Ein Erblasser hinterlässt Grundbesitz in Polen und die Ehefrau wollte mit dem zuständigen polnischen Gericht klären, ob diese einen Erbschein mit Übersetzung oder ein EU-Nachlasszeugnis für die Umschreibung brauchen.
    Antwort des polnischen Gerichts: Ja, sie hätten schon davon gehört, dass es ein EU-Nachlasszeugnis gäbe aber noch nie eines gesehen. Die Ehefrau möge um Gottes Willen einen Erbschein vorlegen! :grin:

  • Auch von mir ein herzliches Dankeschön für die sorgsame und umfassende Stellungnahme, die ihren angemessenen Patz in meinem Ordner Ausland findet !


  • Antwort des polnischen Gerichts: Ja, sie hätten schon davon gehört, dass es ein EU-Nachlasszeugnis gäbe aber noch nie eines gesehen. Die Ehefrau möge um Gottes Willen einen Erbschein vorlegen! :grin:

    :)
    Ist leider so. Bei der gerichtlichen Fortbildung zu der ErbRVO berücksichtigt man in Polen vor allem die Nachlassrichter und vergisst die Grundbuchrechtspfleger. Die Grundbuchgerichte, die bisdato nur mit inländischen Nachlassentscheidungen zu tun hatten und sich mit internationalem Erbrecht eigentlich nicht befassen mussten, werden einen Kulturschock erleben.

    Elfi: einen angemessenen Platz im Ordner Ausland würde ich gern als Gerichtsgutachter zum polnischen Recht nehmen. Meine Notarkammer hat mir diese Nebentätigkeit genehmigt und ich mache davon unheimlich gern Gebrauch. Es bricht aber mein Herz, dass nur polnische Gerichte, die ausländisches (vor allem deutsches Recht) anwenden müssen, sich an mich wenden; obwohl ich eigentlich der perfekte Gutachter für deutsche Gerichte in Fällen mit Polenbezug bin ;)

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