Erbschein: mehrere Originale vorhanden, keines auffindbar

  • Hallo,


    wir haben in unserem Notariat (derzeit noch Nachlassgericht in Baden-Württemberg) in mehreren Nachlassakten folgendes Problem:

    Normalerweise verbleibt das Original eines Erbscheins in der Akte, und es werden Ausfertigungen an die Beteiligten u.a. erteilt. Eine Notarin, die hier nicht mehr tätig ist, hat aber stattdessen unter Berufung auf eine uns nicht bekannte Vorschrift an jeden, der nach gängiger Vorgehensweise eine Ausfertigung erhalten hätte, ein Original erteilt und auch an denjenigen herausgegeben. In der Nachlassakte befindet sich jeweils nur der Beschluss über die Erteilung des Erbscheins, aber kein Exemplar des Erbscheins (auch keine Ausfertigung oder Abschrift).
    Mich befremdet ehrlich gesagt bereits, dass mehrere "Originale" erteilt wurden, da ich bislang der Auffassung war, es gäbe nur ein Original, das von (ggf. beliebig vielen) Ausfertigungen im Rechtsverkehr vertreten würde.

    Abgesehen von der Problematik der Erteilung mehrerer Originale werden nun "weitere" Ausfertigungen benötigt, da keines der herausgegebenen Originale von den Beteiligten aufgetrieben werden kann. Wir können aber keine Ausfertigungen erteilen, da wir das Original nicht haben.

    Ein User hier im Forum erwähnte zudem eine OLG-Entscheidung, wonach Erbscheine unwirksam seien, wenn nicht mindestens 1 Ausfertigung erteilt wurde, leider aber ohne Angabe der Fundstelle (oder zumindest des konkreten OLGs); ich konnte diese Entscheidung bislang nicht finden.

    Wir fragen uns nun, wie wir vorgehen sollen. Sind die Erbscheine überhaupt wirksam?

    Falls nein, sind sie einzuziehen? (Dies wäre ja nicht möglich, sodass ein Aufgebotsverfahren durchzuführen wäre.)
    Falls doch, seht ihr eine Möglichkeit, den Beteiligten weiterzuhelfen?


    Ich danke euch im Voraus für eure Hilfe.

  • Einzuziehen ist ein Erbschein, wenn er unrichtig ist. Darauf deutet hier aber nichts hin, also keine Einziehung. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass ein Erbschein vor Erteilung einer Ausfertigung nicht wirksam ist, kann man dieses Problem aus der Welt schaffen, indem man eine Ausfertigung erteilt. "Noch nicht wirksam" ist eben etwas anders als "unrichtig", also inhaltlich falsch.
    Die Vorgehensweise der Notarin ist natürlich Quatsch. Zumindest "ein Original" muss wieder her. Wer beantragt denn jetzt weitere Ausfertigungen ? Wenn es ein Beteiligter ist, der bereits "ein Original" erhalten hat, würde ich ihm sagen: "Keine Rückgabe des Originals, keine weitere Ausfertigung".

  • War früher wohl üblich, Originale von Erbscheinen zu erteilen. Habe solche (allerdings älteren) Erbscheine aus Bayern schon gesehen (jeder Erbschein vom Nachlassrichter unterschrieben).

    An der Wirksamkeit der Erbscheine würde ich nichts zu deuteln haben. Originale oder Ausfertigungen, die das Original im Rechtsverkehr ersetzen. Meines Erachtens ist das egal.

    Wichtig ist:
    Nach der angesprochenen Entscheidung (war es das OLG Stuttgart oder das OLG Karlsruhe ?? -der Fall spielte am Bodensee-) war nur wichtig, dass eine Ausfertigung eines Erbscheins (oder ein Original eines Erbscheins) in den Rechtsverkehr (Erbe/Grundbuchamt) gelangt. Der Nachlassrichter im entschiedenen Fall war ganz schlau: er hatte nämlich nur beglaubigte Abschriften bzw. einfache Abschriften erteilt -um so einen evtl. falschen Erbschein nicht einziehen zu müssen-. Entscheidung müsste man über juris finden.

    In der Akte befindet sich doch der Erteilungsbeschluss in dem der Inhalt des zu erteilenden Erbscheines beschrieben ist ("Erbe des ... ist geworden: ...). Diesen Inhalt in einen -weiteren- Originalerbschein packen und versenden oder Ausfertigung des Erteilungsbeschlusses fertigen und versenden. Müsste m.E. möglich sein.

    Im übrigen:
    Firsching/Graf: Nachlassrecht, 10. Auflage Rd-Ziffer 4.262:
    Erteilt ist der Erbschein erst durch Aushändigung einer Urschrift oder Ausfertigung ...

    So falsch kann die Sachbehandlung der Notarin also nicht gewesen sein.

  • Vielen Dank für eure Antworten.

    Ich habe in den Akten bislang keine Erbscheine gesehen, bei denen Anhaltspunkte für Unrichtigkeit bestanden. Deswegen hätte ich sie auch nicht einziehen wollen, nur habe ich mich gefragt, ob sie trotzdem einzuziehen wären, wenn sie richtig aber unwirksam wären (was sie nach euren Ausführungen aber nicht sind, sodass sich die Frage gar nicht mehr stellt), weil sonst ein falscher Rechtsschein gesetzt würde, zwar nicht in Bezug auf das Erbrecht der aufgeführten Personen, aber in Bezug auf die Nachweiskraft? Also, eine Art Analogie? Etwas weit hergeholt, das sehe ich ja ein. :aufgeb:Ich bin beruhigt, dass ich nichts von Amts wegen unternehmen muss.

    In den Fällen, in denen an die Beteiligten jeweils Originale erteilt wurden, bin ich der Meinung, dass sie eines dieser vorlegen sollten, damit wir eine Ausfertigung erteilen können, nur wenn keines der Originale noch vorhanden ist, was dann? Kann man dann noch etwas tun?

    In einem ähnlichen Fall hat bei uns ein Notar angefragt, der den Verkauf eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks beurkunden möchte. Hier wurde im Gegensatz zu den anderen mir bekannten Fällen nur ein Original erteilt und an eine Rechtsanwaltskanzlei geschickt. Davor wurden noch Ausfertigungen an die Erben erteilt, die aber (nach Aussagen der Erben) nicht mehr auffindbar sind. Das einzige Original befindet sich vermutlich noch bei der Kanzlei. Wir sind der Auffassung, dass wir keine weiteren Originale mehr erteilen können, und da wir das Original nicht haben, auch keine weitere Ausfertigung für einen der Erben oder das Grundbuchamt.
    Seht ihr eine rechtliche Grundlage dafür, das Original von der Kanzlei anzufordern, falls diese sich weigern, es zumindest zum Zwecke der Erteilung einer weiteren Ausfertigung oder zum Nachweis im Grundbuchverfahren vorzulegen?

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