Vorerbschaft trennbar von "eigenem" Vermögen?

  • Hallo liebe Forengemeinde!
    Uns beschäftigt gerade folgender Fall, zu welchem ich gern die Schwarmintelligenz befragen möchte.

    Ehemann (M) hinterlässt alleiniges, notarielles Testament von 1963, in welchem er seine Ehefrau (F) zur befreiten Vorerbin über die Hälfte, sowie seinen (nur seinen!) Sohn (S) über die Hälfte seines Vermögens zum Erben einsetzt. Er ist auch Nacherbe nach F. Ersatznacherben sind seine leiblichen Abkömmlinge.

    M verstirbt 1974 und hinterlässt Geldvermögen i.H.v. ca. 90.000,00 DM.

    F verstirbt nun 2014. S ist bereits zwischenzeitlich verstorben und hinterlässt wiederum zwei Söhne (S1 und S2). Sie hinterlässt Geldvermögen i.H.v. ca. 60.000,00 EUR.

    Aus der seit 2005 geführten Betreuung der F ist ersichtlich, dass sie ein Sparbuch besaß, welches 1987 einen Bestand i.H.v. 30.000,00 DM auswies. Die Zeit von 1974 bis 1987 ist nicht mehr ermittelbar und auch die Zu- und Abgänge auf dem Sparbuch bis 2014 sind besonders anfangs alles andere als nachvollziehbar, 4- bis 5-stellige Beträge werden scheinbar beliebig gebucht.

    F hinterlässt auch ein alleiniges, notarielles Testament von 1998, in welchem sie ihre beiden Schwestern (SCH1 und SCH2) zu gleichen Teilen zu Erben einsetzt. Ersatzerben sind deren Abkömmlinge. SCH1 ist vorverstorben, eingetreten sind dafür ihre 3 Töchter/Nichten der Erblasserin (N1, N2 und N3).

    Erbschein nach F ist erteilt, alles prima. Ebenfalls angeordneter Testamentsvollstrecker (ich spare mir hier das TV ;)) soll verteilen.

    Jetzt kommt aber insbesondere S1 mit der Behauptung daher, das Vermögen der F würde der Vorerbschaft nach M entstammen und das Geld stünde eigentlich ihm und S2 zu.

    Trotz Zuziehung aller nachlassrechtlichen und betreuungsgerichtlichen Vorgänge, kann ich dieses weder bestätigen, noch entkräften.

    Meine einfache/komplizierte Frage daher: Muss ich das überhaupt berücksichtigen? Oder haue ich den von mir gerichtlich bestellten TV in die Pfanne, wenn ich ihn schlichtweg verteilen lasse.
    Ich bin über jede Anregung dankbar und verbleibe mit kollegialen Grüßen:tipptipp

  • Was hast du als Nachlassgericht mit der Verteilung des Nachlasses nach F zu tun?

    Den Streit, ob das Geld den Nacherben des M oder den Erben der F zusteht, entscheiden die Zivilgerichte, nicht das Nachlassgericht.

    Hier spielt die Vermischung und die Vermengung der Nachlässe, genauer gesagt des Geldes, unter Umständen eine Rolle. Ist das Geldvermögen des M nicht mehr separierter, d.h. mit dem Geldvermögen der F vermengt (z.B. alles auf einem Konto), sieht es für die Nacherben des M schlecht aus.

    Aber: zuständig die Zivilgerichte. Sag als Nachlassgericht bloß nichts falsches, am besten nur, du bist unzuständig.

  • Mir als NL-Gericht könnte es tatsächlich Banane sein. Ich mache mich aus dem Grunde schlau, da ich einen sehr geschätzten sonst Nachlasspfleger zum Testamentsvollstrecker für die Auseinandersetzung gemacht habe, den ich nicht sehenden Auges Mist machen lassen will. Die TV ist nur für die Auseinandersetzung angeordnet. Ich erkundige mich lediglich zwecks Rückendeckung.
    Vielen Dank jedoch schon mal für deine Einschätzung! :)

  • "Unter dem Strich gesehen" ist es relativ einfach.

    Wenn beim Erbfall des ursprünglichen Erblassers ein Geldnachlass in Höhe von 90.000 DM vorhanden war und hiervon auf den Sohn aufgrund seines Hälfteanteils ein Betrag von 45.000 DM, dann unterlagen die anderen hälftigen 45.000 DM der Nacherbschaft, was einem Betrag von ca. 23.000 € entspricht. Wenn beim Tod der Vorerbin 60.000 € vorhanden waren, dann sollten also 37.000 € in ihren Eigennachlass und 23.000 € in die Nacherbschaft fallen, da sie einerseits - auch als befreite Vorerbin - die Substanz des Nachlasses nicht verbrauchen darf (Eigenverbrauch ist unentgeltliche Verfügung i. S. des § 2138 Abs. 2 BGB und keine Verringerung der Nacherbschaft aufgrund des Surrogationsprinzips des § 2111 BGB) und ihr andererseits aber die Nutzungen der Vorerbschaft gebühren.

    Auf dieser Basis sollten sich die Beteiligten durchaus einigen können.

    Es ist die Aufgabe des Testamentsvollstreckers, zu prüfen, was diesen und was jenen Erben gebührt, ganz abgesehen davon, dass er, soweit nicht für beide Nachlässe Testamentsvollstreckung (mit demselben TV) angeordnet ist, über die Mittel der Nacherbschaft gar nicht verfügen kann (darf). Denn der Umstand, dass ein Konto auf den Namen der Vorerbin läuft, besagt nichts darüber, wer es nach ihrem Tode erbt. Es geht also schlicht und einfach darum, was in welchen Nachlass fällt.

    Eine Auskehrung der gesamten 60.000 € an die Erben der Vorerbin wäre haftungsrechtliches Harakiri.

  • Vielen Dank für die fundierte und klare Antwort, Cromwell. Ich denke damit kann ich arbeiten und habe auch schon eine Idee für mein weiteres Vorgehen.
    Allen Kollegen frohes Schaffen! :)

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